Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.von allerlei Dichlei'innen wird ihr zum Symbol des großen Ganzen des Menschenlebens. So in der Mau hat bisher de" schreibende" Frmie" am meiste" deu Mangel an von allerlei Dichlei'innen wird ihr zum Symbol des großen Ganzen des Menschenlebens. So in der Mau hat bisher de» schreibende» Frmie» am meiste» deu Mangel an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209703"/> <fw type="header" place="top"> von allerlei Dichlei'innen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1309" prev="#ID_1308"> wird ihr zum Symbol des großen Ganzen des Menschenlebens. So in der<lb/> Kindergeschichte ,,Auch ein Roman," in dem Stimmungsbild ,,Stromaufwärts"<lb/> nud sonst. Alls der Hohe dieser Betrachtungsweise fließt ihr Humor, der<lb/> zuweilen die Thräne im Wappen führt und mit reiner Rührung er¬<lb/> füllt. Wenn sie die traurig-lustigen Geschichten von „des Dichters Macht"<lb/> oder „Priuzipienkampf" oder „Ortsjustiz" erzählt, so kann die heiterste und<lb/> dabei rührendste Wirkung nicht ausbleiben. Nur ein reines Gemüt, das mit<lb/> ^lebe und Freiheit die Welt betrachtet, konnte solche Stücke schreiben. Auch die<lb/> Villiuger schwäbelt gern, sie ist in Schwaben zu Hause, und sie trifft ungesucht<lb/> den rechten Ton. Daß ihr Talent sich mich an größere Aufgaben wagen darf,<lb/> bemcist die Geschichte vom „Hnuptpuiikt," deren humoristisches Motiv fast<lb/> dasselbe ist wie der Grundgedanke des großen Romans: „Der eiserne Ritt¬<lb/> meister" von Hans Hoffmann und in seiner Darstellung den Vergleich mit<lb/> jenem Werke recht wohl aushalten kann. Ein Krämer, der in seiner Jugend<lb/> Philosophie studirt hat, will den lieben Gott abschaffe» und an seiner Statt<lb/> das Gewissen als den „Hmiptpliukt," worauf alles ankomme, auf deu Thron<lb/> setzen. So rührend seiue thätige Menschenliebe ist, so komisch ist sein blinder<lb/> Eifer, mit dem er Pfarrer und Köchin, Honoratioren und dienstbares Volk<lb/> ohne Unterschied zum „Hmiptpmikt" bekehren will. I» diesem Eifer fiir deu<lb/> „Hauptpunkt" sieht er die osfeutundigsten Dinge nicht, die nur ihn herum<lb/> vorgehe». Als Antagonist ist ihm ergötzlicherlveise el» Gastwirt gegenüber-<lb/> gestellt, der deu harmloseren Fehler hat, jeden halben Satz mit dem Wörtchen<lb/> „also" zu schmücken, worüber der gute Krämer ganz wild wird, svdnß er sich<lb/> mit dem behäbigen Gastwirt herumzmckt. Er sieht eben nnr den Splitter im<lb/> fremden, nicht aber den Balken im eignen Ange. Diese Geschichte ist wohl<lb/> die beste des an guten Geschichte» reichen Buches.</p><lb/> <p xml:id="ID_1310" next="#ID_1311"> Mau hat bisher de» schreibende» Frmie» am meiste» deu Mangel an<lb/> Humor zu» Vvrwiirf gemacht; Hilinvr, als de» Ausdruck eines freien und<lb/> starke» Geistes, wollte man mir Männer» zuerkenne». Wir haben hier wieder drei<lb/> Frauen kennen gelernt, dere» humoristische Kmist de» Vergleich mit männlichen<lb/> Leistmige» recht gilt aushalten kann, ja wir wüßte» nicht viel Männer zu<lb/> »einen, die sich mit ihnen vergleiche» ließe». Das sind beachtenswerte That¬<lb/> sachen, die auch eil, Acht auf unsre litterarischen Zustände werfe». Nichts<lb/> hört man häufiger, als die Klage über die Zmmhme der litterarischen Frauen¬<lb/> arbeit. Wenn mau mir eine Nataly voll Eschstrnth vor Auge» hat, so be¬<lb/> greift man den Spott. Aber es ist doch nicht z» leugnen, daß jetzt einige weib¬<lb/> liche Talente schaffen, die aller Ironie Stand halten können. So ganz zufällig<lb/> lau» uns das nicht erscheinen. Wen» wir auch nur zwei, die Ebner und<lb/> die Kurz, z» nennen wissen, die wahrhaft schöpferisch, als ganz eigne Menschen<lb/> auftreten, so schreibe» doch viele Frauen frischer und erquicklicher als zahllose<lb/> Männer. Es will uns scheinen, daß den dichtenden Frauen zu gute komme,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
von allerlei Dichlei'innen
wird ihr zum Symbol des großen Ganzen des Menschenlebens. So in der
Kindergeschichte ,,Auch ein Roman," in dem Stimmungsbild ,,Stromaufwärts"
nud sonst. Alls der Hohe dieser Betrachtungsweise fließt ihr Humor, der
zuweilen die Thräne im Wappen führt und mit reiner Rührung er¬
füllt. Wenn sie die traurig-lustigen Geschichten von „des Dichters Macht"
oder „Priuzipienkampf" oder „Ortsjustiz" erzählt, so kann die heiterste und
dabei rührendste Wirkung nicht ausbleiben. Nur ein reines Gemüt, das mit
^lebe und Freiheit die Welt betrachtet, konnte solche Stücke schreiben. Auch die
Villiuger schwäbelt gern, sie ist in Schwaben zu Hause, und sie trifft ungesucht
den rechten Ton. Daß ihr Talent sich mich an größere Aufgaben wagen darf,
bemcist die Geschichte vom „Hnuptpuiikt," deren humoristisches Motiv fast
dasselbe ist wie der Grundgedanke des großen Romans: „Der eiserne Ritt¬
meister" von Hans Hoffmann und in seiner Darstellung den Vergleich mit
jenem Werke recht wohl aushalten kann. Ein Krämer, der in seiner Jugend
Philosophie studirt hat, will den lieben Gott abschaffe» und an seiner Statt
das Gewissen als den „Hmiptpliukt," worauf alles ankomme, auf deu Thron
setzen. So rührend seiue thätige Menschenliebe ist, so komisch ist sein blinder
Eifer, mit dem er Pfarrer und Köchin, Honoratioren und dienstbares Volk
ohne Unterschied zum „Hmiptpmikt" bekehren will. I» diesem Eifer fiir deu
„Hauptpunkt" sieht er die osfeutundigsten Dinge nicht, die nur ihn herum
vorgehe». Als Antagonist ist ihm ergötzlicherlveise el» Gastwirt gegenüber-
gestellt, der deu harmloseren Fehler hat, jeden halben Satz mit dem Wörtchen
„also" zu schmücken, worüber der gute Krämer ganz wild wird, svdnß er sich
mit dem behäbigen Gastwirt herumzmckt. Er sieht eben nnr den Splitter im
fremden, nicht aber den Balken im eignen Ange. Diese Geschichte ist wohl
die beste des an guten Geschichte» reichen Buches.
Mau hat bisher de» schreibende» Frmie» am meiste» deu Mangel an
Humor zu» Vvrwiirf gemacht; Hilinvr, als de» Ausdruck eines freien und
starke» Geistes, wollte man mir Männer» zuerkenne». Wir haben hier wieder drei
Frauen kennen gelernt, dere» humoristische Kmist de» Vergleich mit männlichen
Leistmige» recht gilt aushalten kann, ja wir wüßte» nicht viel Männer zu
»einen, die sich mit ihnen vergleiche» ließe». Das sind beachtenswerte That¬
sachen, die auch eil, Acht auf unsre litterarischen Zustände werfe». Nichts
hört man häufiger, als die Klage über die Zmmhme der litterarischen Frauen¬
arbeit. Wenn mau mir eine Nataly voll Eschstrnth vor Auge» hat, so be¬
greift man den Spott. Aber es ist doch nicht z» leugnen, daß jetzt einige weib¬
liche Talente schaffen, die aller Ironie Stand halten können. So ganz zufällig
lau» uns das nicht erscheinen. Wen» wir auch nur zwei, die Ebner und
die Kurz, z» nennen wissen, die wahrhaft schöpferisch, als ganz eigne Menschen
auftreten, so schreibe» doch viele Frauen frischer und erquicklicher als zahllose
Männer. Es will uns scheinen, daß den dichtenden Frauen zu gute komme,
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