Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichtsphilosophischc Gedanke"

ein Krokodil oder sonst eine armselige Bestie. Was wir aber entdecken, wenn
wir uus durch die hochtönenden Redensarten und die labyrinthischen Satz-
füguugeu unsrer atheistischen Philosophen hindurchgearbeitet haben, das ist noch
weit weniger als eine Katze; es ist das reine Nichts. Im Anfange war das
Nichts; und Nichts war bei dem Nichts; dann kam die Welt, in der es
aussah, als wäre aus dem. Nichts etwas geworden, aber bei genauerem
Zusehen haben Nur Philosophen gefunden, daß dieses scheinbare Etwas
wohl daran thun würde, so bald wie möglich wieder zu verschwinden, anstatt
uns, die wir uns einbilden dazusein, auf unverantwortliche Weise zu narren.
So ungefähr lautet das neueste Evangelium Johannis, wollte sagen Eduardi,
das eigentlich nur eine neue Ausgabe der alten Vuddhalehre ist. Und wenn
uns nun auch versichert wird, es sei doch nicht ganz dasselbe, vielmehr werde
die Religion der Zukunft "konkreter Monismus, eine autosoterische, autonome,
kosmotragische Jmnmnenzreligion des absoluten Geistes sein, die Synthese des
abstrakten indischen Monismus und des abstrakten jüdisch-christlichen Theismus,"
so gewinnt das Nichts, das in dieser prachtvollen Phrasenschachtel steckt, dnrch
seine kunstreiche Hülle doch nicht ein Quentchen wertvoller Wirklichkeit, und
wer mit hungernder Seele kommt, Brot in solchen Attrapen zu suchen, der
wird mit Wind abgespeist.

Man mag dieses angebliche Weltwesen das Absolute oder das Unbewußte
oder die Idee oder deu Begriff oder Wille und Boxstellung oder sonstwie
nennen, es ist, als Unbewußtes, ein völlig wertloses und uns gleichgültiges
Ding oder Unding, so gleichgiltig wie ein Klotz oder ein Stein, und noch gleich-
giltiger, denn mit dem Klotze können wir wenigstens unsern Ofen heizen und
mit dem Steine ein Loch in der Mauer unsers Hauses verstopfen, aber jenes
Wesen ist zu gar nichts nütze. Auch wenn es wahr sein sollte, daß aus ihn: die
Welt hervorgegangen sei, würden wir uns nicht drum kümmern, denn so wertvoll
uns auch die Welt und so mancher Gegenstand in der Welt sein mag, jener angeb¬
liche Weltswsf oder Weltkeim oder wie man es nennen mag, kann uns weiter nicht
kümmern, da er ja jetzt nicht "lehr da, sondern nur nach der Versicherung jeuer
Herren, die doch auch nicht dabei waren, vor Urzeiten einmal vorhanden gewesen
nud nicht einmal als Welterklärnugsgrnnd zur Befriedigung unsers Verstaudcs-
bedürfuisfes zu gebrauchen ist, weil eben ein so unbestimmtes Etwas, von dem
sich niemand eine Vorstellung machen kann, rein gar nichts erklärt. Die Sache
dieses philosophischen Gespenstes wird anch nicht besser, wenn mau uus ver¬
sichert, daß es ja eben dieses Wesen sei, das in uns Menschen ans dein "Au-
sichseiu" zum "Fürsichsein" gelange und zu sich komme, denn was Nur in uus
und in andern schätzen und lieben, das ist der einzelne bestimmte Mensch, nicht
jenes unpersönliche, unbewußte, gestaltlose Wesen, das angeblich in ihm Ge¬
stalt und Dasein gewonnen haben soll. Dagegen vermöchten wir ein unsern
irdischen Sinnen zwar unzugängliches, aber persönliches Wesen, von dem die


Geschichtsphilosophischc Gedanke»

ein Krokodil oder sonst eine armselige Bestie. Was wir aber entdecken, wenn
wir uus durch die hochtönenden Redensarten und die labyrinthischen Satz-
füguugeu unsrer atheistischen Philosophen hindurchgearbeitet haben, das ist noch
weit weniger als eine Katze; es ist das reine Nichts. Im Anfange war das
Nichts; und Nichts war bei dem Nichts; dann kam die Welt, in der es
aussah, als wäre aus dem. Nichts etwas geworden, aber bei genauerem
Zusehen haben Nur Philosophen gefunden, daß dieses scheinbare Etwas
wohl daran thun würde, so bald wie möglich wieder zu verschwinden, anstatt
uns, die wir uns einbilden dazusein, auf unverantwortliche Weise zu narren.
So ungefähr lautet das neueste Evangelium Johannis, wollte sagen Eduardi,
das eigentlich nur eine neue Ausgabe der alten Vuddhalehre ist. Und wenn
uns nun auch versichert wird, es sei doch nicht ganz dasselbe, vielmehr werde
die Religion der Zukunft „konkreter Monismus, eine autosoterische, autonome,
kosmotragische Jmnmnenzreligion des absoluten Geistes sein, die Synthese des
abstrakten indischen Monismus und des abstrakten jüdisch-christlichen Theismus,"
so gewinnt das Nichts, das in dieser prachtvollen Phrasenschachtel steckt, dnrch
seine kunstreiche Hülle doch nicht ein Quentchen wertvoller Wirklichkeit, und
wer mit hungernder Seele kommt, Brot in solchen Attrapen zu suchen, der
wird mit Wind abgespeist.

Man mag dieses angebliche Weltwesen das Absolute oder das Unbewußte
oder die Idee oder deu Begriff oder Wille und Boxstellung oder sonstwie
nennen, es ist, als Unbewußtes, ein völlig wertloses und uns gleichgültiges
Ding oder Unding, so gleichgiltig wie ein Klotz oder ein Stein, und noch gleich-
giltiger, denn mit dem Klotze können wir wenigstens unsern Ofen heizen und
mit dem Steine ein Loch in der Mauer unsers Hauses verstopfen, aber jenes
Wesen ist zu gar nichts nütze. Auch wenn es wahr sein sollte, daß aus ihn: die
Welt hervorgegangen sei, würden wir uns nicht drum kümmern, denn so wertvoll
uns auch die Welt und so mancher Gegenstand in der Welt sein mag, jener angeb¬
liche Weltswsf oder Weltkeim oder wie man es nennen mag, kann uns weiter nicht
kümmern, da er ja jetzt nicht »lehr da, sondern nur nach der Versicherung jeuer
Herren, die doch auch nicht dabei waren, vor Urzeiten einmal vorhanden gewesen
nud nicht einmal als Welterklärnugsgrnnd zur Befriedigung unsers Verstaudcs-
bedürfuisfes zu gebrauchen ist, weil eben ein so unbestimmtes Etwas, von dem
sich niemand eine Vorstellung machen kann, rein gar nichts erklärt. Die Sache
dieses philosophischen Gespenstes wird anch nicht besser, wenn mau uus ver¬
sichert, daß es ja eben dieses Wesen sei, das in uns Menschen ans dein „Au-
sichseiu" zum „Fürsichsein" gelange und zu sich komme, denn was Nur in uus
und in andern schätzen und lieben, das ist der einzelne bestimmte Mensch, nicht
jenes unpersönliche, unbewußte, gestaltlose Wesen, das angeblich in ihm Ge¬
stalt und Dasein gewonnen haben soll. Dagegen vermöchten wir ein unsern
irdischen Sinnen zwar unzugängliches, aber persönliches Wesen, von dem die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209686"/>
            <fw type="header" place="top"> Geschichtsphilosophischc Gedanke»</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1267" prev="#ID_1266"> ein Krokodil oder sonst eine armselige Bestie. Was wir aber entdecken, wenn<lb/>
wir uus durch die hochtönenden Redensarten und die labyrinthischen Satz-<lb/>
füguugeu unsrer atheistischen Philosophen hindurchgearbeitet haben, das ist noch<lb/>
weit weniger als eine Katze; es ist das reine Nichts. Im Anfange war das<lb/>
Nichts; und Nichts war bei dem Nichts; dann kam die Welt, in der es<lb/>
aussah, als wäre aus dem. Nichts etwas geworden, aber bei genauerem<lb/>
Zusehen haben Nur Philosophen gefunden, daß dieses scheinbare Etwas<lb/>
wohl daran thun würde, so bald wie möglich wieder zu verschwinden, anstatt<lb/>
uns, die wir uns einbilden dazusein, auf unverantwortliche Weise zu narren.<lb/>
So ungefähr lautet das neueste Evangelium Johannis, wollte sagen Eduardi,<lb/>
das eigentlich nur eine neue Ausgabe der alten Vuddhalehre ist. Und wenn<lb/>
uns nun auch versichert wird, es sei doch nicht ganz dasselbe, vielmehr werde<lb/>
die Religion der Zukunft &#x201E;konkreter Monismus, eine autosoterische, autonome,<lb/>
kosmotragische Jmnmnenzreligion des absoluten Geistes sein, die Synthese des<lb/>
abstrakten indischen Monismus und des abstrakten jüdisch-christlichen Theismus,"<lb/>
so gewinnt das Nichts, das in dieser prachtvollen Phrasenschachtel steckt, dnrch<lb/>
seine kunstreiche Hülle doch nicht ein Quentchen wertvoller Wirklichkeit, und<lb/>
wer mit hungernder Seele kommt, Brot in solchen Attrapen zu suchen, der<lb/>
wird mit Wind abgespeist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1268" next="#ID_1269"> Man mag dieses angebliche Weltwesen das Absolute oder das Unbewußte<lb/>
oder die Idee oder deu Begriff oder Wille und Boxstellung oder sonstwie<lb/>
nennen, es ist, als Unbewußtes, ein völlig wertloses und uns gleichgültiges<lb/>
Ding oder Unding, so gleichgiltig wie ein Klotz oder ein Stein, und noch gleich-<lb/>
giltiger, denn mit dem Klotze können wir wenigstens unsern Ofen heizen und<lb/>
mit dem Steine ein Loch in der Mauer unsers Hauses verstopfen, aber jenes<lb/>
Wesen ist zu gar nichts nütze. Auch wenn es wahr sein sollte, daß aus ihn: die<lb/>
Welt hervorgegangen sei, würden wir uns nicht drum kümmern, denn so wertvoll<lb/>
uns auch die Welt und so mancher Gegenstand in der Welt sein mag, jener angeb¬<lb/>
liche Weltswsf oder Weltkeim oder wie man es nennen mag, kann uns weiter nicht<lb/>
kümmern, da er ja jetzt nicht »lehr da, sondern nur nach der Versicherung jeuer<lb/>
Herren, die doch auch nicht dabei waren, vor Urzeiten einmal vorhanden gewesen<lb/>
nud nicht einmal als Welterklärnugsgrnnd zur Befriedigung unsers Verstaudcs-<lb/>
bedürfuisfes zu gebrauchen ist, weil eben ein so unbestimmtes Etwas, von dem<lb/>
sich niemand eine Vorstellung machen kann, rein gar nichts erklärt. Die Sache<lb/>
dieses philosophischen Gespenstes wird anch nicht besser, wenn mau uus ver¬<lb/>
sichert, daß es ja eben dieses Wesen sei, das in uns Menschen ans dein &#x201E;Au-<lb/>
sichseiu" zum &#x201E;Fürsichsein" gelange und zu sich komme, denn was Nur in uus<lb/>
und in andern schätzen und lieben, das ist der einzelne bestimmte Mensch, nicht<lb/>
jenes unpersönliche, unbewußte, gestaltlose Wesen, das angeblich in ihm Ge¬<lb/>
stalt und Dasein gewonnen haben soll. Dagegen vermöchten wir ein unsern<lb/>
irdischen Sinnen zwar unzugängliches, aber persönliches Wesen, von dem die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0453] Geschichtsphilosophischc Gedanke» ein Krokodil oder sonst eine armselige Bestie. Was wir aber entdecken, wenn wir uus durch die hochtönenden Redensarten und die labyrinthischen Satz- füguugeu unsrer atheistischen Philosophen hindurchgearbeitet haben, das ist noch weit weniger als eine Katze; es ist das reine Nichts. Im Anfange war das Nichts; und Nichts war bei dem Nichts; dann kam die Welt, in der es aussah, als wäre aus dem. Nichts etwas geworden, aber bei genauerem Zusehen haben Nur Philosophen gefunden, daß dieses scheinbare Etwas wohl daran thun würde, so bald wie möglich wieder zu verschwinden, anstatt uns, die wir uns einbilden dazusein, auf unverantwortliche Weise zu narren. So ungefähr lautet das neueste Evangelium Johannis, wollte sagen Eduardi, das eigentlich nur eine neue Ausgabe der alten Vuddhalehre ist. Und wenn uns nun auch versichert wird, es sei doch nicht ganz dasselbe, vielmehr werde die Religion der Zukunft „konkreter Monismus, eine autosoterische, autonome, kosmotragische Jmnmnenzreligion des absoluten Geistes sein, die Synthese des abstrakten indischen Monismus und des abstrakten jüdisch-christlichen Theismus," so gewinnt das Nichts, das in dieser prachtvollen Phrasenschachtel steckt, dnrch seine kunstreiche Hülle doch nicht ein Quentchen wertvoller Wirklichkeit, und wer mit hungernder Seele kommt, Brot in solchen Attrapen zu suchen, der wird mit Wind abgespeist. Man mag dieses angebliche Weltwesen das Absolute oder das Unbewußte oder die Idee oder deu Begriff oder Wille und Boxstellung oder sonstwie nennen, es ist, als Unbewußtes, ein völlig wertloses und uns gleichgültiges Ding oder Unding, so gleichgiltig wie ein Klotz oder ein Stein, und noch gleich- giltiger, denn mit dem Klotze können wir wenigstens unsern Ofen heizen und mit dem Steine ein Loch in der Mauer unsers Hauses verstopfen, aber jenes Wesen ist zu gar nichts nütze. Auch wenn es wahr sein sollte, daß aus ihn: die Welt hervorgegangen sei, würden wir uns nicht drum kümmern, denn so wertvoll uns auch die Welt und so mancher Gegenstand in der Welt sein mag, jener angeb¬ liche Weltswsf oder Weltkeim oder wie man es nennen mag, kann uns weiter nicht kümmern, da er ja jetzt nicht »lehr da, sondern nur nach der Versicherung jeuer Herren, die doch auch nicht dabei waren, vor Urzeiten einmal vorhanden gewesen nud nicht einmal als Welterklärnugsgrnnd zur Befriedigung unsers Verstaudcs- bedürfuisfes zu gebrauchen ist, weil eben ein so unbestimmtes Etwas, von dem sich niemand eine Vorstellung machen kann, rein gar nichts erklärt. Die Sache dieses philosophischen Gespenstes wird anch nicht besser, wenn mau uus ver¬ sichert, daß es ja eben dieses Wesen sei, das in uns Menschen ans dein „Au- sichseiu" zum „Fürsichsein" gelange und zu sich komme, denn was Nur in uus und in andern schätzen und lieben, das ist der einzelne bestimmte Mensch, nicht jenes unpersönliche, unbewußte, gestaltlose Wesen, das angeblich in ihm Ge¬ stalt und Dasein gewonnen haben soll. Dagegen vermöchten wir ein unsern irdischen Sinnen zwar unzugängliches, aber persönliches Wesen, von dem die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/453
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/453>, abgerufen am 23.07.2024.