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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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(Lasati und Lullu Pascha

selbst auf Elfenbein sich in den Mantel der Humanität gehüllt hatte. An¬
gebliche Verhandlungen über die Abtretung der Provinz bildeten den Gegenstand
von Gerüchten, die in deu Lagern und Stationen Beunrnhigun^ hervorriefen.
Anderseits läßt er der Entschlossenheit und Ausdauer Stanleys alle Gerechtig¬
keit widerfahren, ohne den brutalen Grundzug in dessen Natur zu übersehen.

Emin entdeckte nach Stanlehs Abmarsch, das; einige von seinen Leuten
bei diesem klagen vorgebracht hatten, er strafte sie hart, wogegen Casati ihm
Vorstellungen machte, die Emin ablehnte. Casati wurde verstimmt und zog
sich zurück, bis ihn der Militäraufstand am 15!. Angust 1888 in Labor6 und
die Gefangennehmung Emins zur Befreiung seines alten Freundes ausriefen. Die
Geschichte seiner Bemühungen, die Verschwörer umzustimmen, womöglich zu
spalten, gehört zu deu Sympathischsten Abschnitten des Buches, und die Schil-
derung des frohen Empfanges des befreit nach Wadelac zurückkehrenden
Gouverneurs ist ein Lichtblick. Dann folgen wieder Berdüsternngen, und die
Anklagen gegen Emin verdichten sich am meisten bei der Erzählung der Vor-
bereitungen zum Abzüge, indem Casati bald zu viel, bald zu wenig Energie
an Emin auszusetzen findet, während über Stanlehs Haltung, der "die eignen
Irrtümer durch Worte, die sich gegen unsre nrmeu Personell zuspitzten," zu
beschönigen suchte, welliger Worte gemacht werden. Bis aus Ende, das die
halbwahre Phrase krönt: ^.mious Z?1ale>, Spa luuSi" ainlo" vsriw8 werden uns
Tadel und Kritik nicht erspart. Wir gehen aber über die teilweise kleinlichen
nud unbedeutende" Geschichten der letzten Kapitel hinweg, um, gleichsam etwas
zurücktretend, uus deu Gesamteindruck des eigentümlichen Werkes noch einmal
klar zu machen.

Casatis Reisewerk gehört nicht zu deu großen Quellenschriften der Geo¬
graphie von Afrika; seine Bedeutung liegt vielmehr in der Erzählung persön¬
licher Erlebnisse und in der Mitteilung subjektiver Urteile. Es trägt durchaus
den Stempel der eigenartigen Natur seines Verfassers und wird so weit Erfolg
finden und Einfluß üben, als das Interesse für diese Natur rege wird und
sich lebendig erhält. Auffassung und Erzählungsweise sind ganz italienisch,
und für viele deutsche Leser wird ein großer Reiz in dieser naiven, pulsirenden
Erzählung, in dieser unverhüllten Darstellung warmer Empfindungen liege",
weniger vielleicht i" der liebevollen Pflege des empfindlichen, leicht gekränkten
Gemütes, die vielen von uns kindlich vorkommen "eng. Casatis Landsleute,
für die ja das Buch zunächst bestimmt ist, werde" a" viele" Stelle" "och
Hingerisse" sei", wo sich bei uns schon die Zweifel regen und wo uns das
ruhige Urteil lieber wäre, als die Gefühlsausbrüche. Wir sind aber nun so
lange mit englische" Reisebeschreibungen "zugeganga", deren manierirten Re-
flexionen etwas Einförmiges, Abkühlendes innewohnt, daß Casatis frische
Nnniittelbnrteit dagegen wohlthut. Einzelne Unrichtigkeiten, die dein Afrika¬
kenner auffallen, werden den Genuß der meisten Leser nicht stören, wenn


(Lasati und Lullu Pascha

selbst auf Elfenbein sich in den Mantel der Humanität gehüllt hatte. An¬
gebliche Verhandlungen über die Abtretung der Provinz bildeten den Gegenstand
von Gerüchten, die in deu Lagern und Stationen Beunrnhigun^ hervorriefen.
Anderseits läßt er der Entschlossenheit und Ausdauer Stanleys alle Gerechtig¬
keit widerfahren, ohne den brutalen Grundzug in dessen Natur zu übersehen.

Emin entdeckte nach Stanlehs Abmarsch, das; einige von seinen Leuten
bei diesem klagen vorgebracht hatten, er strafte sie hart, wogegen Casati ihm
Vorstellungen machte, die Emin ablehnte. Casati wurde verstimmt und zog
sich zurück, bis ihn der Militäraufstand am 15!. Angust 1888 in Labor6 und
die Gefangennehmung Emins zur Befreiung seines alten Freundes ausriefen. Die
Geschichte seiner Bemühungen, die Verschwörer umzustimmen, womöglich zu
spalten, gehört zu deu Sympathischsten Abschnitten des Buches, und die Schil-
derung des frohen Empfanges des befreit nach Wadelac zurückkehrenden
Gouverneurs ist ein Lichtblick. Dann folgen wieder Berdüsternngen, und die
Anklagen gegen Emin verdichten sich am meisten bei der Erzählung der Vor-
bereitungen zum Abzüge, indem Casati bald zu viel, bald zu wenig Energie
an Emin auszusetzen findet, während über Stanlehs Haltung, der „die eignen
Irrtümer durch Worte, die sich gegen unsre nrmeu Personell zuspitzten," zu
beschönigen suchte, welliger Worte gemacht werden. Bis aus Ende, das die
halbwahre Phrase krönt: ^.mious Z?1ale>, Spa luuSi» ainlo» vsriw8 werden uns
Tadel und Kritik nicht erspart. Wir gehen aber über die teilweise kleinlichen
nud unbedeutende» Geschichten der letzten Kapitel hinweg, um, gleichsam etwas
zurücktretend, uus deu Gesamteindruck des eigentümlichen Werkes noch einmal
klar zu machen.

Casatis Reisewerk gehört nicht zu deu großen Quellenschriften der Geo¬
graphie von Afrika; seine Bedeutung liegt vielmehr in der Erzählung persön¬
licher Erlebnisse und in der Mitteilung subjektiver Urteile. Es trägt durchaus
den Stempel der eigenartigen Natur seines Verfassers und wird so weit Erfolg
finden und Einfluß üben, als das Interesse für diese Natur rege wird und
sich lebendig erhält. Auffassung und Erzählungsweise sind ganz italienisch,
und für viele deutsche Leser wird ein großer Reiz in dieser naiven, pulsirenden
Erzählung, in dieser unverhüllten Darstellung warmer Empfindungen liege»,
weniger vielleicht i» der liebevollen Pflege des empfindlichen, leicht gekränkten
Gemütes, die vielen von uns kindlich vorkommen »eng. Casatis Landsleute,
für die ja das Buch zunächst bestimmt ist, werde» a» viele» Stelle» »och
Hingerisse» sei», wo sich bei uns schon die Zweifel regen und wo uns das
ruhige Urteil lieber wäre, als die Gefühlsausbrüche. Wir sind aber nun so
lange mit englische» Reisebeschreibungen »zugeganga», deren manierirten Re-
flexionen etwas Einförmiges, Abkühlendes innewohnt, daß Casatis frische
Nnniittelbnrteit dagegen wohlthut. Einzelne Unrichtigkeiten, die dein Afrika¬
kenner auffallen, werden den Genuß der meisten Leser nicht stören, wenn


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[0450] (Lasati und Lullu Pascha selbst auf Elfenbein sich in den Mantel der Humanität gehüllt hatte. An¬ gebliche Verhandlungen über die Abtretung der Provinz bildeten den Gegenstand von Gerüchten, die in deu Lagern und Stationen Beunrnhigun^ hervorriefen. Anderseits läßt er der Entschlossenheit und Ausdauer Stanleys alle Gerechtig¬ keit widerfahren, ohne den brutalen Grundzug in dessen Natur zu übersehen. Emin entdeckte nach Stanlehs Abmarsch, das; einige von seinen Leuten bei diesem klagen vorgebracht hatten, er strafte sie hart, wogegen Casati ihm Vorstellungen machte, die Emin ablehnte. Casati wurde verstimmt und zog sich zurück, bis ihn der Militäraufstand am 15!. Angust 1888 in Labor6 und die Gefangennehmung Emins zur Befreiung seines alten Freundes ausriefen. Die Geschichte seiner Bemühungen, die Verschwörer umzustimmen, womöglich zu spalten, gehört zu deu Sympathischsten Abschnitten des Buches, und die Schil- derung des frohen Empfanges des befreit nach Wadelac zurückkehrenden Gouverneurs ist ein Lichtblick. Dann folgen wieder Berdüsternngen, und die Anklagen gegen Emin verdichten sich am meisten bei der Erzählung der Vor- bereitungen zum Abzüge, indem Casati bald zu viel, bald zu wenig Energie an Emin auszusetzen findet, während über Stanlehs Haltung, der „die eignen Irrtümer durch Worte, die sich gegen unsre nrmeu Personell zuspitzten," zu beschönigen suchte, welliger Worte gemacht werden. Bis aus Ende, das die halbwahre Phrase krönt: ^.mious Z?1ale>, Spa luuSi» ainlo» vsriw8 werden uns Tadel und Kritik nicht erspart. Wir gehen aber über die teilweise kleinlichen nud unbedeutende» Geschichten der letzten Kapitel hinweg, um, gleichsam etwas zurücktretend, uus deu Gesamteindruck des eigentümlichen Werkes noch einmal klar zu machen. Casatis Reisewerk gehört nicht zu deu großen Quellenschriften der Geo¬ graphie von Afrika; seine Bedeutung liegt vielmehr in der Erzählung persön¬ licher Erlebnisse und in der Mitteilung subjektiver Urteile. Es trägt durchaus den Stempel der eigenartigen Natur seines Verfassers und wird so weit Erfolg finden und Einfluß üben, als das Interesse für diese Natur rege wird und sich lebendig erhält. Auffassung und Erzählungsweise sind ganz italienisch, und für viele deutsche Leser wird ein großer Reiz in dieser naiven, pulsirenden Erzählung, in dieser unverhüllten Darstellung warmer Empfindungen liege», weniger vielleicht i» der liebevollen Pflege des empfindlichen, leicht gekränkten Gemütes, die vielen von uns kindlich vorkommen »eng. Casatis Landsleute, für die ja das Buch zunächst bestimmt ist, werde» a» viele» Stelle» »och Hingerisse» sei», wo sich bei uns schon die Zweifel regen und wo uns das ruhige Urteil lieber wäre, als die Gefühlsausbrüche. Wir sind aber nun so lange mit englische» Reisebeschreibungen »zugeganga», deren manierirten Re- flexionen etwas Einförmiges, Abkühlendes innewohnt, daß Casatis frische Nnniittelbnrteit dagegen wohlthut. Einzelne Unrichtigkeiten, die dein Afrika¬ kenner auffallen, werden den Genuß der meisten Leser nicht stören, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/450>, abgerufen am 25.08.2024.