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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Lasati und Lenin Pascha

Briefen und Worten vieler Offiziere und Beamten gefunden" habe. Als aber
Emin die Unbill des Königs zu rächen beschloß und das salzreiche Kibiro,
einen der wichtigsten Punkte Unjvrvs zerstören wollte, wußte Casati aus Mit¬
gefühl für den ihm befreundeten Häuptling des Ortes ihn dennoch von diesem
Schritt abzuhalten.

Während der Unterhandlungen mit Unjvro war in der Provinz die Un¬
einigkeit gestiegen, und wir dürfen annehmen, daß mich Casati aus seiner Mi߬
billigung so mancher Anordnung des Gonveriienrs kein Hehl machte, zumal
da er den vollkommen sinnlosen Plan der Ägypter billigte, statt nach Süden
nach Norden, d. h. den beiden Feinden. Mahdi und Abessinien, in die Arme
zu rücken, Die Macht des militärischen Elementes in der Provinz war
natürlich immer höher gestiegen, ein Teil der Truppen weigerte sich nach
Süden zu gehen; und Casati beschuldigt Emin des Wankelmuth gegenüber
ihren Führern. Emin ging nach den nördlichen Stationen, um Ordnung
zu machen, wurde aber gewarnt, nach Redjaf, dem eigentlichen Sitze der
Unzufriedenheit, vorzudringen, und als er in diesen schweren Sorgen zu¬
rückkehrte, vernahm er Casatis Unglück in Unjvro, dessen Klage über säumige
Hilfeleistung angesichts dieser Verhältnisse ebenso in nichts zusammenfällt, wie
Stanleys Beschwerde über zu wenig Eifer, ihm in demselben Dezember 1887
entgegenzukommen. Fast in demselben Augenblick erschien Stanley, über dessen
Herannahen schon längere Zeit Gerüchte im Umlauf waren, zum zweitenmal.
Am 25. Febrnnr war Emin von der Station Mön-i ans ans die Suche ge¬
gangen, hatte aber keinerlei sichere Angaben erlangen können, er sandte darauf
einen Brief dahin, wo Stanley zu vermuten war, und am 23. April 1888
kam ein Offizier Stanleys in Msmi mit einem Briefe seines Besehlhabers an.
Als Emin den Brief, "eine Odyssee von Dnldnngen," Casati vorlas und diesen
um Rat fragte, erklärte dieser, daß ihm Stanleys Lage weder sür ihn noch für
sie günstig scheine, mau solle ihn aufsuchen, ihm danken, im übrigen aber den
Weg durch Monbuttu am Uölle und Obangi hinab zum Kongo einschlagen.
Emin scheint im ersten Augenblick diesen Plan gebilligt, daun aber, als einige
Tage darauf Stnuley selbst eingetroffen war, sich mehr dem Plane einer Über¬
führung der Soldaten und Beamten in das Gebiet nordöstlich von Ukerewe
zugeneigt zu haben.

Der Nettungsexpeditivn tritt Casati nicht minder kritisch gegenüber.
Stanleys Weigerung, in der Provinz zu erscheinen, sich den Leuten zu zeigen,
die er retten will, bestärkt ihn in der Auffassung, daß die Ankunft jener
Expedition Emins Einfluß noch mehr schwächen, daß sie Mißtrauen säen,
Unordnung stiften würde. Er tadelt scharf Stanleys Gier, keinen Ruhmes¬
strahl ans andre fallen zu lassen, die Allgemeinheit seiner Befehle, die Unklug-
heit seines Marsches und die Verteilung der Reserven. Er ironisirt in seiner
Weise die Plumpheit, mit der die Spekulation ans Land und Herrschaft und


Gttiizlwieu I 1391 ^6
Lasati und Lenin Pascha

Briefen und Worten vieler Offiziere und Beamten gefunden" habe. Als aber
Emin die Unbill des Königs zu rächen beschloß und das salzreiche Kibiro,
einen der wichtigsten Punkte Unjvrvs zerstören wollte, wußte Casati aus Mit¬
gefühl für den ihm befreundeten Häuptling des Ortes ihn dennoch von diesem
Schritt abzuhalten.

Während der Unterhandlungen mit Unjvro war in der Provinz die Un¬
einigkeit gestiegen, und wir dürfen annehmen, daß mich Casati aus seiner Mi߬
billigung so mancher Anordnung des Gonveriienrs kein Hehl machte, zumal
da er den vollkommen sinnlosen Plan der Ägypter billigte, statt nach Süden
nach Norden, d. h. den beiden Feinden. Mahdi und Abessinien, in die Arme
zu rücken, Die Macht des militärischen Elementes in der Provinz war
natürlich immer höher gestiegen, ein Teil der Truppen weigerte sich nach
Süden zu gehen; und Casati beschuldigt Emin des Wankelmuth gegenüber
ihren Führern. Emin ging nach den nördlichen Stationen, um Ordnung
zu machen, wurde aber gewarnt, nach Redjaf, dem eigentlichen Sitze der
Unzufriedenheit, vorzudringen, und als er in diesen schweren Sorgen zu¬
rückkehrte, vernahm er Casatis Unglück in Unjvro, dessen Klage über säumige
Hilfeleistung angesichts dieser Verhältnisse ebenso in nichts zusammenfällt, wie
Stanleys Beschwerde über zu wenig Eifer, ihm in demselben Dezember 1887
entgegenzukommen. Fast in demselben Augenblick erschien Stanley, über dessen
Herannahen schon längere Zeit Gerüchte im Umlauf waren, zum zweitenmal.
Am 25. Febrnnr war Emin von der Station Mön-i ans ans die Suche ge¬
gangen, hatte aber keinerlei sichere Angaben erlangen können, er sandte darauf
einen Brief dahin, wo Stanley zu vermuten war, und am 23. April 1888
kam ein Offizier Stanleys in Msmi mit einem Briefe seines Besehlhabers an.
Als Emin den Brief, „eine Odyssee von Dnldnngen," Casati vorlas und diesen
um Rat fragte, erklärte dieser, daß ihm Stanleys Lage weder sür ihn noch für
sie günstig scheine, mau solle ihn aufsuchen, ihm danken, im übrigen aber den
Weg durch Monbuttu am Uölle und Obangi hinab zum Kongo einschlagen.
Emin scheint im ersten Augenblick diesen Plan gebilligt, daun aber, als einige
Tage darauf Stnuley selbst eingetroffen war, sich mehr dem Plane einer Über¬
führung der Soldaten und Beamten in das Gebiet nordöstlich von Ukerewe
zugeneigt zu haben.

Der Nettungsexpeditivn tritt Casati nicht minder kritisch gegenüber.
Stanleys Weigerung, in der Provinz zu erscheinen, sich den Leuten zu zeigen,
die er retten will, bestärkt ihn in der Auffassung, daß die Ankunft jener
Expedition Emins Einfluß noch mehr schwächen, daß sie Mißtrauen säen,
Unordnung stiften würde. Er tadelt scharf Stanleys Gier, keinen Ruhmes¬
strahl ans andre fallen zu lassen, die Allgemeinheit seiner Befehle, die Unklug-
heit seines Marsches und die Verteilung der Reserven. Er ironisirt in seiner
Weise die Plumpheit, mit der die Spekulation ans Land und Herrschaft und


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[0449] Lasati und Lenin Pascha Briefen und Worten vieler Offiziere und Beamten gefunden" habe. Als aber Emin die Unbill des Königs zu rächen beschloß und das salzreiche Kibiro, einen der wichtigsten Punkte Unjvrvs zerstören wollte, wußte Casati aus Mit¬ gefühl für den ihm befreundeten Häuptling des Ortes ihn dennoch von diesem Schritt abzuhalten. Während der Unterhandlungen mit Unjvro war in der Provinz die Un¬ einigkeit gestiegen, und wir dürfen annehmen, daß mich Casati aus seiner Mi߬ billigung so mancher Anordnung des Gonveriienrs kein Hehl machte, zumal da er den vollkommen sinnlosen Plan der Ägypter billigte, statt nach Süden nach Norden, d. h. den beiden Feinden. Mahdi und Abessinien, in die Arme zu rücken, Die Macht des militärischen Elementes in der Provinz war natürlich immer höher gestiegen, ein Teil der Truppen weigerte sich nach Süden zu gehen; und Casati beschuldigt Emin des Wankelmuth gegenüber ihren Führern. Emin ging nach den nördlichen Stationen, um Ordnung zu machen, wurde aber gewarnt, nach Redjaf, dem eigentlichen Sitze der Unzufriedenheit, vorzudringen, und als er in diesen schweren Sorgen zu¬ rückkehrte, vernahm er Casatis Unglück in Unjvro, dessen Klage über säumige Hilfeleistung angesichts dieser Verhältnisse ebenso in nichts zusammenfällt, wie Stanleys Beschwerde über zu wenig Eifer, ihm in demselben Dezember 1887 entgegenzukommen. Fast in demselben Augenblick erschien Stanley, über dessen Herannahen schon längere Zeit Gerüchte im Umlauf waren, zum zweitenmal. Am 25. Febrnnr war Emin von der Station Mön-i ans ans die Suche ge¬ gangen, hatte aber keinerlei sichere Angaben erlangen können, er sandte darauf einen Brief dahin, wo Stanley zu vermuten war, und am 23. April 1888 kam ein Offizier Stanleys in Msmi mit einem Briefe seines Besehlhabers an. Als Emin den Brief, „eine Odyssee von Dnldnngen," Casati vorlas und diesen um Rat fragte, erklärte dieser, daß ihm Stanleys Lage weder sür ihn noch für sie günstig scheine, mau solle ihn aufsuchen, ihm danken, im übrigen aber den Weg durch Monbuttu am Uölle und Obangi hinab zum Kongo einschlagen. Emin scheint im ersten Augenblick diesen Plan gebilligt, daun aber, als einige Tage darauf Stnuley selbst eingetroffen war, sich mehr dem Plane einer Über¬ führung der Soldaten und Beamten in das Gebiet nordöstlich von Ukerewe zugeneigt zu haben. Der Nettungsexpeditivn tritt Casati nicht minder kritisch gegenüber. Stanleys Weigerung, in der Provinz zu erscheinen, sich den Leuten zu zeigen, die er retten will, bestärkt ihn in der Auffassung, daß die Ankunft jener Expedition Emins Einfluß noch mehr schwächen, daß sie Mißtrauen säen, Unordnung stiften würde. Er tadelt scharf Stanleys Gier, keinen Ruhmes¬ strahl ans andre fallen zu lassen, die Allgemeinheit seiner Befehle, die Unklug- heit seines Marsches und die Verteilung der Reserven. Er ironisirt in seiner Weise die Plumpheit, mit der die Spekulation ans Land und Herrschaft und Gttiizlwieu I 1391 ^6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/449>, abgerufen am 23.07.2024.