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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Lasali und Linin Pascha

des ersten als eine Kritik der Haltung Emins in den Jahren 1884 bis 1889
bezeichnen. Es ist aber unmöglich, einer so unaufhörlichen, unermüdlichen
Kritik gegenüber sich nicht um den großen Abstand zu erinnern, der hinsichtlich
der aufzuwendenden Kräfte des Charakters zwischen der That und dem
Urteil, zwischen dem Handeln und dem Denken und Sprechen über dieses
Handeln liegt.

Als Emin Amadi befestigte, um deu von Nordwesten her vordringenden
Mahdisten die Annäherung um deu Nil zu erschweren, schlug Casati die
Schaffung eines Festungsringes zur Deckung Ladös vor; sein Vorschlag wurde
"lächelnd" abgelehnt, und ein Jahr später schien ihm die Räumung Amadis
Necht zu geben. Damals stand der Mahdistenführer Kereinallah nur wenige
Meilen von Lad"'", und angesichts der scheinbar nahegerncklen Notwendigkeit
diesen Hauptplatz zu räumen, machte Casati den Vorschlag, die Dampfer zu
versenken und sich nach Nordosten an deu Sobat zurückzuziehen, während Emin
für die Konzentration unes Süden war, weil er im Norden weder einen Aus¬
weg, noch die Möglichkeit der Verbindung mit Ägypten, noch hinreichend
fruchtbare Länder sah, was alles, wie die Erfahrung gelehrt hat, der Süden
zu biete" vermochte. Hier liegt nun offenbar der tiefere Grund der Meinungs¬
verschiedenheiten der beiden Europäer. Wir können ihn mit dein Namen Un-
joro bezeichnen. In dem Winkel zwischen Viktoria Nyauza, Nil "ud Albertsee
liegen die beiden Wahumastaaten Unjorv und Uganda, beide verwandt durch
ihren Ursprung und ihre Herrscherhäuser, beide Gründungen des helle", hoch-
gewachsenen Hirtenvolkes der Wahnma, das einst von Osten herabstieg, in einer
Negerbevölkernng, die hier dichter, dort weniger dicht ist. Unjvro liegt mehr
im Steppengebiet, ist herdenreicher, ärmer an Boden und Menschen, als
Uganda; aber als Grenznachbar der Aqnatorialprovinz war es für diese die
wichtigste Macht ans afrikanischen Voden und stellte in seiner für einen
Negerstaat straffen Organisation überhaupt die einzige politische Macht
dar, mit der außer dem Mahdi zu rechnen war. Sind anch seine Grenzen
wie die andrer afrikanischer Staaten nicht mit Genauigkeit zu zeichnen, so
wissen wir doch, daß um 188ki der Einfluß UujoroS sich auf die Lnr am
Westgestade des AlbertseeS, ans die Länder am linken Ufer des Semliki, ans
den kleinen, salzreichen See Kio erstreckt, und daß Streifzüge bis nach Usau-
gara unternommen wurde", ^lin Albertsee liegt Kibirv, reich a" Salzquellen,
von deren Ertrag Unjorv einen reichlichen Teil als Steuer empfängt, nach
Süden und Westen von diesem See schien sich Unjoro ausdehnen zu können,
während sich im Osten die kriegerischen Hirtenstamme des Hochlandes frei er¬
hielten. Aber gerade nach diesem See und heuer Nilnferlandschaft, die einst
Nionga von Fanwera aus regiert hatte, waren anch die Ägypter vorgedrungen,
und als von Norden her die Macht des Mnhdi zu drücken begann, wnroe
dieses in so großartiger Weise natürlich umwallte und umflossene Gebiet für


Lasali und Linin Pascha

des ersten als eine Kritik der Haltung Emins in den Jahren 1884 bis 1889
bezeichnen. Es ist aber unmöglich, einer so unaufhörlichen, unermüdlichen
Kritik gegenüber sich nicht um den großen Abstand zu erinnern, der hinsichtlich
der aufzuwendenden Kräfte des Charakters zwischen der That und dem
Urteil, zwischen dem Handeln und dem Denken und Sprechen über dieses
Handeln liegt.

Als Emin Amadi befestigte, um deu von Nordwesten her vordringenden
Mahdisten die Annäherung um deu Nil zu erschweren, schlug Casati die
Schaffung eines Festungsringes zur Deckung Ladös vor; sein Vorschlag wurde
„lächelnd" abgelehnt, und ein Jahr später schien ihm die Räumung Amadis
Necht zu geben. Damals stand der Mahdistenführer Kereinallah nur wenige
Meilen von Lad«'», und angesichts der scheinbar nahegerncklen Notwendigkeit
diesen Hauptplatz zu räumen, machte Casati den Vorschlag, die Dampfer zu
versenken und sich nach Nordosten an deu Sobat zurückzuziehen, während Emin
für die Konzentration unes Süden war, weil er im Norden weder einen Aus¬
weg, noch die Möglichkeit der Verbindung mit Ägypten, noch hinreichend
fruchtbare Länder sah, was alles, wie die Erfahrung gelehrt hat, der Süden
zu biete» vermochte. Hier liegt nun offenbar der tiefere Grund der Meinungs¬
verschiedenheiten der beiden Europäer. Wir können ihn mit dein Namen Un-
joro bezeichnen. In dem Winkel zwischen Viktoria Nyauza, Nil »ud Albertsee
liegen die beiden Wahumastaaten Unjorv und Uganda, beide verwandt durch
ihren Ursprung und ihre Herrscherhäuser, beide Gründungen des helle», hoch-
gewachsenen Hirtenvolkes der Wahnma, das einst von Osten herabstieg, in einer
Negerbevölkernng, die hier dichter, dort weniger dicht ist. Unjvro liegt mehr
im Steppengebiet, ist herdenreicher, ärmer an Boden und Menschen, als
Uganda; aber als Grenznachbar der Aqnatorialprovinz war es für diese die
wichtigste Macht ans afrikanischen Voden und stellte in seiner für einen
Negerstaat straffen Organisation überhaupt die einzige politische Macht
dar, mit der außer dem Mahdi zu rechnen war. Sind anch seine Grenzen
wie die andrer afrikanischer Staaten nicht mit Genauigkeit zu zeichnen, so
wissen wir doch, daß um 188ki der Einfluß UujoroS sich auf die Lnr am
Westgestade des AlbertseeS, ans die Länder am linken Ufer des Semliki, ans
den kleinen, salzreichen See Kio erstreckt, und daß Streifzüge bis nach Usau-
gara unternommen wurde», ^lin Albertsee liegt Kibirv, reich a» Salzquellen,
von deren Ertrag Unjorv einen reichlichen Teil als Steuer empfängt, nach
Süden und Westen von diesem See schien sich Unjoro ausdehnen zu können,
während sich im Osten die kriegerischen Hirtenstamme des Hochlandes frei er¬
hielten. Aber gerade nach diesem See und heuer Nilnferlandschaft, die einst
Nionga von Fanwera aus regiert hatte, waren anch die Ägypter vorgedrungen,
und als von Norden her die Macht des Mnhdi zu drücken begann, wnroe
dieses in so großartiger Weise natürlich umwallte und umflossene Gebiet für


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[0446] Lasali und Linin Pascha des ersten als eine Kritik der Haltung Emins in den Jahren 1884 bis 1889 bezeichnen. Es ist aber unmöglich, einer so unaufhörlichen, unermüdlichen Kritik gegenüber sich nicht um den großen Abstand zu erinnern, der hinsichtlich der aufzuwendenden Kräfte des Charakters zwischen der That und dem Urteil, zwischen dem Handeln und dem Denken und Sprechen über dieses Handeln liegt. Als Emin Amadi befestigte, um deu von Nordwesten her vordringenden Mahdisten die Annäherung um deu Nil zu erschweren, schlug Casati die Schaffung eines Festungsringes zur Deckung Ladös vor; sein Vorschlag wurde „lächelnd" abgelehnt, und ein Jahr später schien ihm die Räumung Amadis Necht zu geben. Damals stand der Mahdistenführer Kereinallah nur wenige Meilen von Lad«'», und angesichts der scheinbar nahegerncklen Notwendigkeit diesen Hauptplatz zu räumen, machte Casati den Vorschlag, die Dampfer zu versenken und sich nach Nordosten an deu Sobat zurückzuziehen, während Emin für die Konzentration unes Süden war, weil er im Norden weder einen Aus¬ weg, noch die Möglichkeit der Verbindung mit Ägypten, noch hinreichend fruchtbare Länder sah, was alles, wie die Erfahrung gelehrt hat, der Süden zu biete» vermochte. Hier liegt nun offenbar der tiefere Grund der Meinungs¬ verschiedenheiten der beiden Europäer. Wir können ihn mit dein Namen Un- joro bezeichnen. In dem Winkel zwischen Viktoria Nyauza, Nil »ud Albertsee liegen die beiden Wahumastaaten Unjorv und Uganda, beide verwandt durch ihren Ursprung und ihre Herrscherhäuser, beide Gründungen des helle», hoch- gewachsenen Hirtenvolkes der Wahnma, das einst von Osten herabstieg, in einer Negerbevölkernng, die hier dichter, dort weniger dicht ist. Unjvro liegt mehr im Steppengebiet, ist herdenreicher, ärmer an Boden und Menschen, als Uganda; aber als Grenznachbar der Aqnatorialprovinz war es für diese die wichtigste Macht ans afrikanischen Voden und stellte in seiner für einen Negerstaat straffen Organisation überhaupt die einzige politische Macht dar, mit der außer dem Mahdi zu rechnen war. Sind anch seine Grenzen wie die andrer afrikanischer Staaten nicht mit Genauigkeit zu zeichnen, so wissen wir doch, daß um 188ki der Einfluß UujoroS sich auf die Lnr am Westgestade des AlbertseeS, ans die Länder am linken Ufer des Semliki, ans den kleinen, salzreichen See Kio erstreckt, und daß Streifzüge bis nach Usau- gara unternommen wurde», ^lin Albertsee liegt Kibirv, reich a» Salzquellen, von deren Ertrag Unjorv einen reichlichen Teil als Steuer empfängt, nach Süden und Westen von diesem See schien sich Unjoro ausdehnen zu können, während sich im Osten die kriegerischen Hirtenstamme des Hochlandes frei er¬ hielten. Aber gerade nach diesem See und heuer Nilnferlandschaft, die einst Nionga von Fanwera aus regiert hatte, waren anch die Ägypter vorgedrungen, und als von Norden her die Macht des Mnhdi zu drücken begann, wnroe dieses in so großartiger Weise natürlich umwallte und umflossene Gebiet für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/446>, abgerufen am 23.07.2024.