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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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vorbereitet, auch er wurde von den Ereignissen fortgerissen, versiel in Zweifel
und Irrtümer, und wenn seine Provinz nicht das traurige Los ihrer Schwestern
teilte, so ist es eine Pflicht der Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß dies mir eine
natürliche Folge des Zaubers war, der ihn umgab, und den er sich bei der
moralischen und materiellen Entfaltung der Kräfte des Landes erwarb, der er
Geist, Herz und Wissen, ja sein ganzes Leben gewidmet hatte."

Von diesem Zauber spricht Casati noch oft in der Schilderung der Er¬
eignisse, die zu dein Militäranfstand und der Aufgebung der Provinz führten,
aber nur indem er ausführlich das erzählt, was nach seiner Meinung diesen
Zauber vernichtete. Er legt das größte Gewicht darauf, den Leser nicht im
Zweifel zu lassen über die lebhafte Mißbilligung, womit er das Versälle"
Emins fast in jeder wichtigen Lage während dieser sechs bewegten Jahre be¬
trachtete, er teilt ihm seine Ansichten mit, die von Emin nicht geteilt, und seine
Ratschläge, die von diesem nicht befolgt wurden. Es ist wahr, daß er ebenso
die Ratschläge genau mitteilt, die er Gessi anbot, und durch deren Nicht¬
beachtung dieser schweres Unheil, nach Casatis Meinung, über sich und die
Seinigen heraufbeschwor, ebenso wie General Hicks Unrecht that, die Winke
deS Obersten Messedaglia nicht besser zu beherzigen. Aber Emin gegenüber
wird er bitter und häuft Vorwurf auf Borwurf, sodaß die oft wiederkehrende
Beteuerung seiner Frenndschnft für den Gouverneur einen immer eigentüm¬
lichem Klang erhält und die Nnerkeminng in den frühern Urteilen immer
unvereinbarer erscheint mit der Anschuldigung in den spätern. Es wird uns.
indem wir diesen Prozeß verfolgen, immer klarer, daß uns ein ticfverletztes
Gemüt hier zu Zeugen seiner Kränkungen und Empfindlichkeiten macht. Ent¬
springt solcher Quelle die reine Wahrheit? Emin, der in seiner friedlichen
Thätigkeit so viel Anerkennung fand, mag in den kriegerischen Zeitläufte" nicht
immer das Richtige erkannt haben, und es mag ihm, dem Arzte mit gelehrten
Neigungen, manchmal der Entschluß schwerer gefalle" sein, als einem geistig
wemger hochstehe"den Manne, ans dessen Erwägung weniger Gedanken und
Pläne hereinstürmen. Da Nur aber gehört haben, von wieviel Schwierigkeiten
er umgebe" war, wie schwach besonders seine Kräfte in der kleine" Armee und
der Berwaltung waren, und da wir wissen, wie verwickelt sich die Lage bei
dein Erscheinen Stanleys gestaltete, so schwierig, daß kein Scharfsinn eine
bessere Lösung finden konnte als die, die zuletzt die Verhältnisse anfzwangen,
so dürfen wir wohl vor allem fragein Würden die Dinge besser gegangen sei",
wen" Casati einen größern Einfluß hätte üben können? Und sind denn über¬
haupt die aus dem Urteile eines unverantwortlichen Zuschauers hervorgehenden
Pläne und Entwürfe gleich zu achten den Gedanken, die dnrch das Bewußt¬
sein, der höchsten und einzigen Verantwortlichkeit ihren schweren Weg gemacht
haben? Wir thun dein in so vielen Beziehungen interessanten Werke CnsatiS
kein Unrecht, wenn wir seinen ganzen zweite" Band samt den letzten Kapiteln


Losclii und <L»im paschn

vorbereitet, auch er wurde von den Ereignissen fortgerissen, versiel in Zweifel
und Irrtümer, und wenn seine Provinz nicht das traurige Los ihrer Schwestern
teilte, so ist es eine Pflicht der Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß dies mir eine
natürliche Folge des Zaubers war, der ihn umgab, und den er sich bei der
moralischen und materiellen Entfaltung der Kräfte des Landes erwarb, der er
Geist, Herz und Wissen, ja sein ganzes Leben gewidmet hatte."

Von diesem Zauber spricht Casati noch oft in der Schilderung der Er¬
eignisse, die zu dein Militäranfstand und der Aufgebung der Provinz führten,
aber nur indem er ausführlich das erzählt, was nach seiner Meinung diesen
Zauber vernichtete. Er legt das größte Gewicht darauf, den Leser nicht im
Zweifel zu lassen über die lebhafte Mißbilligung, womit er das Versälle»
Emins fast in jeder wichtigen Lage während dieser sechs bewegten Jahre be¬
trachtete, er teilt ihm seine Ansichten mit, die von Emin nicht geteilt, und seine
Ratschläge, die von diesem nicht befolgt wurden. Es ist wahr, daß er ebenso
die Ratschläge genau mitteilt, die er Gessi anbot, und durch deren Nicht¬
beachtung dieser schweres Unheil, nach Casatis Meinung, über sich und die
Seinigen heraufbeschwor, ebenso wie General Hicks Unrecht that, die Winke
deS Obersten Messedaglia nicht besser zu beherzigen. Aber Emin gegenüber
wird er bitter und häuft Vorwurf auf Borwurf, sodaß die oft wiederkehrende
Beteuerung seiner Frenndschnft für den Gouverneur einen immer eigentüm¬
lichem Klang erhält und die Nnerkeminng in den frühern Urteilen immer
unvereinbarer erscheint mit der Anschuldigung in den spätern. Es wird uns.
indem wir diesen Prozeß verfolgen, immer klarer, daß uns ein ticfverletztes
Gemüt hier zu Zeugen seiner Kränkungen und Empfindlichkeiten macht. Ent¬
springt solcher Quelle die reine Wahrheit? Emin, der in seiner friedlichen
Thätigkeit so viel Anerkennung fand, mag in den kriegerischen Zeitläufte» nicht
immer das Richtige erkannt haben, und es mag ihm, dem Arzte mit gelehrten
Neigungen, manchmal der Entschluß schwerer gefalle» sein, als einem geistig
wemger hochstehe»den Manne, ans dessen Erwägung weniger Gedanken und
Pläne hereinstürmen. Da Nur aber gehört haben, von wieviel Schwierigkeiten
er umgebe» war, wie schwach besonders seine Kräfte in der kleine» Armee und
der Berwaltung waren, und da wir wissen, wie verwickelt sich die Lage bei
dein Erscheinen Stanleys gestaltete, so schwierig, daß kein Scharfsinn eine
bessere Lösung finden konnte als die, die zuletzt die Verhältnisse anfzwangen,
so dürfen wir wohl vor allem fragein Würden die Dinge besser gegangen sei»,
wen» Casati einen größern Einfluß hätte üben können? Und sind denn über¬
haupt die aus dem Urteile eines unverantwortlichen Zuschauers hervorgehenden
Pläne und Entwürfe gleich zu achten den Gedanken, die dnrch das Bewußt¬
sein, der höchsten und einzigen Verantwortlichkeit ihren schweren Weg gemacht
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[0445] Losclii und <L»im paschn vorbereitet, auch er wurde von den Ereignissen fortgerissen, versiel in Zweifel und Irrtümer, und wenn seine Provinz nicht das traurige Los ihrer Schwestern teilte, so ist es eine Pflicht der Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß dies mir eine natürliche Folge des Zaubers war, der ihn umgab, und den er sich bei der moralischen und materiellen Entfaltung der Kräfte des Landes erwarb, der er Geist, Herz und Wissen, ja sein ganzes Leben gewidmet hatte." Von diesem Zauber spricht Casati noch oft in der Schilderung der Er¬ eignisse, die zu dein Militäranfstand und der Aufgebung der Provinz führten, aber nur indem er ausführlich das erzählt, was nach seiner Meinung diesen Zauber vernichtete. Er legt das größte Gewicht darauf, den Leser nicht im Zweifel zu lassen über die lebhafte Mißbilligung, womit er das Versälle» Emins fast in jeder wichtigen Lage während dieser sechs bewegten Jahre be¬ trachtete, er teilt ihm seine Ansichten mit, die von Emin nicht geteilt, und seine Ratschläge, die von diesem nicht befolgt wurden. Es ist wahr, daß er ebenso die Ratschläge genau mitteilt, die er Gessi anbot, und durch deren Nicht¬ beachtung dieser schweres Unheil, nach Casatis Meinung, über sich und die Seinigen heraufbeschwor, ebenso wie General Hicks Unrecht that, die Winke deS Obersten Messedaglia nicht besser zu beherzigen. Aber Emin gegenüber wird er bitter und häuft Vorwurf auf Borwurf, sodaß die oft wiederkehrende Beteuerung seiner Frenndschnft für den Gouverneur einen immer eigentüm¬ lichem Klang erhält und die Nnerkeminng in den frühern Urteilen immer unvereinbarer erscheint mit der Anschuldigung in den spätern. Es wird uns. indem wir diesen Prozeß verfolgen, immer klarer, daß uns ein ticfverletztes Gemüt hier zu Zeugen seiner Kränkungen und Empfindlichkeiten macht. Ent¬ springt solcher Quelle die reine Wahrheit? Emin, der in seiner friedlichen Thätigkeit so viel Anerkennung fand, mag in den kriegerischen Zeitläufte» nicht immer das Richtige erkannt haben, und es mag ihm, dem Arzte mit gelehrten Neigungen, manchmal der Entschluß schwerer gefalle» sein, als einem geistig wemger hochstehe»den Manne, ans dessen Erwägung weniger Gedanken und Pläne hereinstürmen. Da Nur aber gehört haben, von wieviel Schwierigkeiten er umgebe» war, wie schwach besonders seine Kräfte in der kleine» Armee und der Berwaltung waren, und da wir wissen, wie verwickelt sich die Lage bei dein Erscheinen Stanleys gestaltete, so schwierig, daß kein Scharfsinn eine bessere Lösung finden konnte als die, die zuletzt die Verhältnisse anfzwangen, so dürfen wir wohl vor allem fragein Würden die Dinge besser gegangen sei», wen» Casati einen größern Einfluß hätte üben können? Und sind denn über¬ haupt die aus dem Urteile eines unverantwortlichen Zuschauers hervorgehenden Pläne und Entwürfe gleich zu achten den Gedanken, die dnrch das Bewußt¬ sein, der höchsten und einzigen Verantwortlichkeit ihren schweren Weg gemacht haben? Wir thun dein in so vielen Beziehungen interessanten Werke CnsatiS kein Unrecht, wenn wir seinen ganzen zweite» Band samt den letzten Kapiteln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/445>, abgerufen am 23.07.2024.