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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Ainderlzeilsiätten an der See

Friedrich zu Norderney." Vom 1. Juni 1880 a" trat es in Betrieb, und
seitdem hat es eine überaus segensreiche Thätigkeit an vielen skrofelkrankeu
und schwächlichen Bindern entfaltet. Es ist imstande, auch sehr ernstlich kranke
Kinder aufzunehmen. Die Anstalt ist so gebaut und eingerichtet, die Pflege¬
rinnen, Schwestern vom Viktoriahause in Berlin, sind so geschult, daß Großes
geleistet werden kann. Alle Räume sind in der besten Weise für ihren Zweck
hergerichtet, bei dem. Bau wie bei der Einrichtung ist den weitestgehenden An¬
forderungen der GesnndheitSwissenschaft entsprochen worden. Wenn nur auch
die deutschen Landsleute sich entschließen wollten, durch fleißige Benutzung
dieser Einrichtungen den Gesundheitszustand des heranwachsenden Geschlechtes,
besonders unter der armen Bevölkerung, zu bessern, damit der harte Kampf
des Lebens keine untüchtigen Körper finde!

Kein schlimmerer Feind der Kinderwelt, als die sie verheerende, ihre Säfte
verderbende skrofulöse. Aber el" nie versagendes Heilmittel dagegen sind
Seeluft und Seebad, dieser unvergleichliche Bund von Heilkräften, dem so
manche früher für unbesiegbar gehaltenen Krankheitszustände haben weichen
müssen. Da giebt es in den Großstädten arme, schlechtgenährte Kinder, von
offnen Drüsen entstellt, zu dauernden Siechtum verurteilt, wenn ihrem schwachem
Körper nicht geholfen wird im Kampfe gegen das Krankheitsgift, und hier
finden sie die besten Mittel zum Widerstande gegen den Feind, einen uner-
schöpflichen Heilschatz, sorgfältige Pflege von Schwestern, die im Wohlthun an
Kranken ihren Lebensberuf finden, und ausgezeichnete ärztliche Überwachung
und Hilfe. Sollte man da nicht meinen, daß der Entschluß leicht sei, und
daß alle Mittel in Bewegung gesetzt würden, um die Heilbedürftigeu an die
Quelle des Segens zu bringen?

Und doch ist mit Bedauern zu sehen, wie wenig doch unsre Nation von
diesen segensreichen Anstalten Gebrauch macht. Wären sich die Deutschen des
Schatzes, den sie in ihren Kinderheilstätten haben, ebenso bewußt, wie die
Italiener, die ihre 20 Seehospize aufs reichlichste unterstützen und benutzen,
es dürfte ni den Kinderheimen an den deutschen Küsten kein Plätzchen leer¬
stehen. Das mag ja nnn auch während der 8 bis 1l> Wochen der so¬
genannten "Saison" der Fall sein. Was hat aber diese kurze Zeit der Mvde-
badereisen mit der Heilung kranker Kinder zu thun? Es ist durchaus falsch,
die llnterbriuguug kranker Kinder in deu Seeheilstätteu mit der Versorgung
erhvlnngSbedürftiger Knaben und Mädchen in den Ferienkolonien zu ver¬
wechseln, bei denen mau ja auf die Benutzung der Sommerferien augewiesen
ist. Die Heilkräfte der Seehospize sind bei den getroffenen Einrichtungen
während des ganzen Jahres vollständig wirksam, namentlich sollten daher die
für die Seeluftknr so günstigen Herbstmonate, aber auch der Winter, der be¬
kanntlich an der See milder ist als auf dem Festlande, uicht unbenutzt bleiben.
Schulurlanb kann umso unbedenklicher genommen und gegeben werden, als


Die deutschen Ainderlzeilsiätten an der See

Friedrich zu Norderney." Vom 1. Juni 1880 a» trat es in Betrieb, und
seitdem hat es eine überaus segensreiche Thätigkeit an vielen skrofelkrankeu
und schwächlichen Bindern entfaltet. Es ist imstande, auch sehr ernstlich kranke
Kinder aufzunehmen. Die Anstalt ist so gebaut und eingerichtet, die Pflege¬
rinnen, Schwestern vom Viktoriahause in Berlin, sind so geschult, daß Großes
geleistet werden kann. Alle Räume sind in der besten Weise für ihren Zweck
hergerichtet, bei dem. Bau wie bei der Einrichtung ist den weitestgehenden An¬
forderungen der GesnndheitSwissenschaft entsprochen worden. Wenn nur auch
die deutschen Landsleute sich entschließen wollten, durch fleißige Benutzung
dieser Einrichtungen den Gesundheitszustand des heranwachsenden Geschlechtes,
besonders unter der armen Bevölkerung, zu bessern, damit der harte Kampf
des Lebens keine untüchtigen Körper finde!

Kein schlimmerer Feind der Kinderwelt, als die sie verheerende, ihre Säfte
verderbende skrofulöse. Aber el» nie versagendes Heilmittel dagegen sind
Seeluft und Seebad, dieser unvergleichliche Bund von Heilkräften, dem so
manche früher für unbesiegbar gehaltenen Krankheitszustände haben weichen
müssen. Da giebt es in den Großstädten arme, schlechtgenährte Kinder, von
offnen Drüsen entstellt, zu dauernden Siechtum verurteilt, wenn ihrem schwachem
Körper nicht geholfen wird im Kampfe gegen das Krankheitsgift, und hier
finden sie die besten Mittel zum Widerstande gegen den Feind, einen uner-
schöpflichen Heilschatz, sorgfältige Pflege von Schwestern, die im Wohlthun an
Kranken ihren Lebensberuf finden, und ausgezeichnete ärztliche Überwachung
und Hilfe. Sollte man da nicht meinen, daß der Entschluß leicht sei, und
daß alle Mittel in Bewegung gesetzt würden, um die Heilbedürftigeu an die
Quelle des Segens zu bringen?

Und doch ist mit Bedauern zu sehen, wie wenig doch unsre Nation von
diesen segensreichen Anstalten Gebrauch macht. Wären sich die Deutschen des
Schatzes, den sie in ihren Kinderheilstätten haben, ebenso bewußt, wie die
Italiener, die ihre 20 Seehospize aufs reichlichste unterstützen und benutzen,
es dürfte ni den Kinderheimen an den deutschen Küsten kein Plätzchen leer¬
stehen. Das mag ja nnn auch während der 8 bis 1l> Wochen der so¬
genannten „Saison" der Fall sein. Was hat aber diese kurze Zeit der Mvde-
badereisen mit der Heilung kranker Kinder zu thun? Es ist durchaus falsch,
die llnterbriuguug kranker Kinder in deu Seeheilstätteu mit der Versorgung
erhvlnngSbedürftiger Knaben und Mädchen in den Ferienkolonien zu ver¬
wechseln, bei denen mau ja auf die Benutzung der Sommerferien augewiesen
ist. Die Heilkräfte der Seehospize sind bei den getroffenen Einrichtungen
während des ganzen Jahres vollständig wirksam, namentlich sollten daher die
für die Seeluftknr so günstigen Herbstmonate, aber auch der Winter, der be¬
kanntlich an der See milder ist als auf dem Festlande, uicht unbenutzt bleiben.
Schulurlanb kann umso unbedenklicher genommen und gegeben werden, als


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[0412] Die deutschen Ainderlzeilsiätten an der See Friedrich zu Norderney." Vom 1. Juni 1880 a» trat es in Betrieb, und seitdem hat es eine überaus segensreiche Thätigkeit an vielen skrofelkrankeu und schwächlichen Bindern entfaltet. Es ist imstande, auch sehr ernstlich kranke Kinder aufzunehmen. Die Anstalt ist so gebaut und eingerichtet, die Pflege¬ rinnen, Schwestern vom Viktoriahause in Berlin, sind so geschult, daß Großes geleistet werden kann. Alle Räume sind in der besten Weise für ihren Zweck hergerichtet, bei dem. Bau wie bei der Einrichtung ist den weitestgehenden An¬ forderungen der GesnndheitSwissenschaft entsprochen worden. Wenn nur auch die deutschen Landsleute sich entschließen wollten, durch fleißige Benutzung dieser Einrichtungen den Gesundheitszustand des heranwachsenden Geschlechtes, besonders unter der armen Bevölkerung, zu bessern, damit der harte Kampf des Lebens keine untüchtigen Körper finde! Kein schlimmerer Feind der Kinderwelt, als die sie verheerende, ihre Säfte verderbende skrofulöse. Aber el» nie versagendes Heilmittel dagegen sind Seeluft und Seebad, dieser unvergleichliche Bund von Heilkräften, dem so manche früher für unbesiegbar gehaltenen Krankheitszustände haben weichen müssen. Da giebt es in den Großstädten arme, schlechtgenährte Kinder, von offnen Drüsen entstellt, zu dauernden Siechtum verurteilt, wenn ihrem schwachem Körper nicht geholfen wird im Kampfe gegen das Krankheitsgift, und hier finden sie die besten Mittel zum Widerstande gegen den Feind, einen uner- schöpflichen Heilschatz, sorgfältige Pflege von Schwestern, die im Wohlthun an Kranken ihren Lebensberuf finden, und ausgezeichnete ärztliche Überwachung und Hilfe. Sollte man da nicht meinen, daß der Entschluß leicht sei, und daß alle Mittel in Bewegung gesetzt würden, um die Heilbedürftigeu an die Quelle des Segens zu bringen? Und doch ist mit Bedauern zu sehen, wie wenig doch unsre Nation von diesen segensreichen Anstalten Gebrauch macht. Wären sich die Deutschen des Schatzes, den sie in ihren Kinderheilstätten haben, ebenso bewußt, wie die Italiener, die ihre 20 Seehospize aufs reichlichste unterstützen und benutzen, es dürfte ni den Kinderheimen an den deutschen Küsten kein Plätzchen leer¬ stehen. Das mag ja nnn auch während der 8 bis 1l> Wochen der so¬ genannten „Saison" der Fall sein. Was hat aber diese kurze Zeit der Mvde- badereisen mit der Heilung kranker Kinder zu thun? Es ist durchaus falsch, die llnterbriuguug kranker Kinder in deu Seeheilstätteu mit der Versorgung erhvlnngSbedürftiger Knaben und Mädchen in den Ferienkolonien zu ver¬ wechseln, bei denen mau ja auf die Benutzung der Sommerferien augewiesen ist. Die Heilkräfte der Seehospize sind bei den getroffenen Einrichtungen während des ganzen Jahres vollständig wirksam, namentlich sollten daher die für die Seeluftknr so günstigen Herbstmonate, aber auch der Winter, der be¬ kanntlich an der See milder ist als auf dem Festlande, uicht unbenutzt bleiben. Schulurlanb kann umso unbedenklicher genommen und gegeben werden, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/412>, abgerufen am 23.07.2024.