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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution

diese Anerkennung, als ein Abfall von den Grundsätzen der Zeitschrift, übel
genommen wurde, so antwortete er: Die Versechter der alten Ordnung han¬
delten sehr nutlttg, wenn sie alle mit dem Banne belegten, die nicht blindlings
ihre Pfade wandelten. "Meine Prinzipien -- antwortet er einem unzufriedenen
Einsender, der geschrieben hatte, man kenne seine Prinzipien nicht --, meine
Prinzipien sind die eines Kürgers von Gens, der in der Religion seiner Väter
und seines Volkes angewachsen ist und Dank der guten Erziehung, die man
in seinem Vaterhause genießt, und dem Beispiele der tugendhaftesten nud auf¬
geklärtesten Geistlichkeit gelernt hat, die Hand Gottes in seinen Werken und
die Wohlthaten der Offenbarung zu erkennen, religiös ohne Aberglauben und
duldsam ohne Gottlosigkeit zu sein. Dieser Gesinnung, dem Charakter, zu dem
sie bildet, werden die Annalen treu bleiben, so lange ich imstande bin die
Feder zu führen."" Nach Liuguets Freilassung überwarf er sich mit diesem und
gründete später das -lourmü potiti<zuo et" LruxeUoiZ, in dem er die Fehler der
Regierung freimütig tadelte, n. a., daß sie ihre eigne Autorität durch Unter¬
stützung der holländischen Demokraten vollends untergrabe. Über die innere
Politik durfte er seine ganze Meinung in dem Journal nicht aussprechen; er
legte sie in einem Tagebuch nieder. Darin tadelt er, daß die finanziellen Re¬
formen nur auf Erhöhung der Einnahmen anstatt ans Ersparungen abzielten,
und bezeichnet die Vergewaltigung der Parlamente als Rückkehr zum Despo-
tismus und zugleich als revolutionär. Das lit <is sinztivö vom 8. Mai 1788,
durch das die Parlamente ans ihre richterlichen Aufgaben beschränkt wurde",
sei nnr von den Geldleuten freudig begrüßt worden, die von den beabsichtigte"
neuen Auflagen Gewinn hofften. Aber diese Maßregel habe das letzte schwache
Bollwerk gegen ministerielle Willkür umgerissen; die neue Lour pleiuiero, der
die Einregistrirung der Gesetze übertragen worden war, sei nnr ein Staatsrat.
Es gebe jetzt keine nnalchäugige Körperschaft mehr zwischen König und Volk;
einen solchen Streich würde selbst Richelieu nicht gewagt haben, und nun wage
nun ihn in so elender Lage und bei solcher Gärung der Gemüter! Über das
Naturell des französischen Volkes denkt Mallet ganz so wie wir Heutigen; er
schreibt: "Der Franzose ist nicht sähig, kühl zu überlegen; darum taugt ihm
auch keine sreie Regierungsform, denn diese verlangt eine maßvolle Diskussion."

Unter den Frauenbildern, die Guglia zeichnet, heben wir das der Herzogin
von Choiseul hervor. Sie war nicht gläubig religiös, aber vereinigte mit
einem durchdringenden Verstände ein warmes Herz. Auf ihren Gütern als
Wohlthäterin ihrer Unterthanen und unermüdlich thätige Hausfrau waltend,
folgte sie mit Aufmerksamkeit dem Gange der Weltbegebenheiten, die sie richtig
beurteilte. Sie beklagte die Willkürherrschaft der Minister, verspottete die
Philosophen, verabscheute die verbrecherische Kaisern? Katharina und das Kriechen
der Eucyklvpädisteu vor dieser ihrer Gönnerin, ließ sich aber durch alles das
ihre gute Laune nicht verderben. Großes Vergnügen machten ihr die streitig-


Die konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution

diese Anerkennung, als ein Abfall von den Grundsätzen der Zeitschrift, übel
genommen wurde, so antwortete er: Die Versechter der alten Ordnung han¬
delten sehr nutlttg, wenn sie alle mit dem Banne belegten, die nicht blindlings
ihre Pfade wandelten. »Meine Prinzipien — antwortet er einem unzufriedenen
Einsender, der geschrieben hatte, man kenne seine Prinzipien nicht —, meine
Prinzipien sind die eines Kürgers von Gens, der in der Religion seiner Väter
und seines Volkes angewachsen ist und Dank der guten Erziehung, die man
in seinem Vaterhause genießt, und dem Beispiele der tugendhaftesten nud auf¬
geklärtesten Geistlichkeit gelernt hat, die Hand Gottes in seinen Werken und
die Wohlthaten der Offenbarung zu erkennen, religiös ohne Aberglauben und
duldsam ohne Gottlosigkeit zu sein. Dieser Gesinnung, dem Charakter, zu dem
sie bildet, werden die Annalen treu bleiben, so lange ich imstande bin die
Feder zu führen.«" Nach Liuguets Freilassung überwarf er sich mit diesem und
gründete später das -lourmü potiti<zuo et« LruxeUoiZ, in dem er die Fehler der
Regierung freimütig tadelte, n. a., daß sie ihre eigne Autorität durch Unter¬
stützung der holländischen Demokraten vollends untergrabe. Über die innere
Politik durfte er seine ganze Meinung in dem Journal nicht aussprechen; er
legte sie in einem Tagebuch nieder. Darin tadelt er, daß die finanziellen Re¬
formen nur auf Erhöhung der Einnahmen anstatt ans Ersparungen abzielten,
und bezeichnet die Vergewaltigung der Parlamente als Rückkehr zum Despo-
tismus und zugleich als revolutionär. Das lit <is sinztivö vom 8. Mai 1788,
durch das die Parlamente ans ihre richterlichen Aufgaben beschränkt wurde»,
sei nnr von den Geldleuten freudig begrüßt worden, die von den beabsichtigte»
neuen Auflagen Gewinn hofften. Aber diese Maßregel habe das letzte schwache
Bollwerk gegen ministerielle Willkür umgerissen; die neue Lour pleiuiero, der
die Einregistrirung der Gesetze übertragen worden war, sei nnr ein Staatsrat.
Es gebe jetzt keine nnalchäugige Körperschaft mehr zwischen König und Volk;
einen solchen Streich würde selbst Richelieu nicht gewagt haben, und nun wage
nun ihn in so elender Lage und bei solcher Gärung der Gemüter! Über das
Naturell des französischen Volkes denkt Mallet ganz so wie wir Heutigen; er
schreibt: „Der Franzose ist nicht sähig, kühl zu überlegen; darum taugt ihm
auch keine sreie Regierungsform, denn diese verlangt eine maßvolle Diskussion."

Unter den Frauenbildern, die Guglia zeichnet, heben wir das der Herzogin
von Choiseul hervor. Sie war nicht gläubig religiös, aber vereinigte mit
einem durchdringenden Verstände ein warmes Herz. Auf ihren Gütern als
Wohlthäterin ihrer Unterthanen und unermüdlich thätige Hausfrau waltend,
folgte sie mit Aufmerksamkeit dem Gange der Weltbegebenheiten, die sie richtig
beurteilte. Sie beklagte die Willkürherrschaft der Minister, verspottete die
Philosophen, verabscheute die verbrecherische Kaisern? Katharina und das Kriechen
der Eucyklvpädisteu vor dieser ihrer Gönnerin, ließ sich aber durch alles das
ihre gute Laune nicht verderben. Großes Vergnügen machten ihr die streitig-


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[0359] Die konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution diese Anerkennung, als ein Abfall von den Grundsätzen der Zeitschrift, übel genommen wurde, so antwortete er: Die Versechter der alten Ordnung han¬ delten sehr nutlttg, wenn sie alle mit dem Banne belegten, die nicht blindlings ihre Pfade wandelten. »Meine Prinzipien — antwortet er einem unzufriedenen Einsender, der geschrieben hatte, man kenne seine Prinzipien nicht —, meine Prinzipien sind die eines Kürgers von Gens, der in der Religion seiner Väter und seines Volkes angewachsen ist und Dank der guten Erziehung, die man in seinem Vaterhause genießt, und dem Beispiele der tugendhaftesten nud auf¬ geklärtesten Geistlichkeit gelernt hat, die Hand Gottes in seinen Werken und die Wohlthaten der Offenbarung zu erkennen, religiös ohne Aberglauben und duldsam ohne Gottlosigkeit zu sein. Dieser Gesinnung, dem Charakter, zu dem sie bildet, werden die Annalen treu bleiben, so lange ich imstande bin die Feder zu führen.«" Nach Liuguets Freilassung überwarf er sich mit diesem und gründete später das -lourmü potiti<zuo et« LruxeUoiZ, in dem er die Fehler der Regierung freimütig tadelte, n. a., daß sie ihre eigne Autorität durch Unter¬ stützung der holländischen Demokraten vollends untergrabe. Über die innere Politik durfte er seine ganze Meinung in dem Journal nicht aussprechen; er legte sie in einem Tagebuch nieder. Darin tadelt er, daß die finanziellen Re¬ formen nur auf Erhöhung der Einnahmen anstatt ans Ersparungen abzielten, und bezeichnet die Vergewaltigung der Parlamente als Rückkehr zum Despo- tismus und zugleich als revolutionär. Das lit <is sinztivö vom 8. Mai 1788, durch das die Parlamente ans ihre richterlichen Aufgaben beschränkt wurde», sei nnr von den Geldleuten freudig begrüßt worden, die von den beabsichtigte» neuen Auflagen Gewinn hofften. Aber diese Maßregel habe das letzte schwache Bollwerk gegen ministerielle Willkür umgerissen; die neue Lour pleiuiero, der die Einregistrirung der Gesetze übertragen worden war, sei nnr ein Staatsrat. Es gebe jetzt keine nnalchäugige Körperschaft mehr zwischen König und Volk; einen solchen Streich würde selbst Richelieu nicht gewagt haben, und nun wage nun ihn in so elender Lage und bei solcher Gärung der Gemüter! Über das Naturell des französischen Volkes denkt Mallet ganz so wie wir Heutigen; er schreibt: „Der Franzose ist nicht sähig, kühl zu überlegen; darum taugt ihm auch keine sreie Regierungsform, denn diese verlangt eine maßvolle Diskussion." Unter den Frauenbildern, die Guglia zeichnet, heben wir das der Herzogin von Choiseul hervor. Sie war nicht gläubig religiös, aber vereinigte mit einem durchdringenden Verstände ein warmes Herz. Auf ihren Gütern als Wohlthäterin ihrer Unterthanen und unermüdlich thätige Hausfrau waltend, folgte sie mit Aufmerksamkeit dem Gange der Weltbegebenheiten, die sie richtig beurteilte. Sie beklagte die Willkürherrschaft der Minister, verspottete die Philosophen, verabscheute die verbrecherische Kaisern? Katharina und das Kriechen der Eucyklvpädisteu vor dieser ihrer Gönnerin, ließ sich aber durch alles das ihre gute Laune nicht verderben. Großes Vergnügen machten ihr die streitig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/359>, abgerufen am 25.08.2024.