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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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?le konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution

trugen unter Karl den. Großen zlirückfiihren, so beruht das zioar auf
Unkenntnis der Geschichte; aber ihre" falschen Ableitungen lag doch der rich¬
tige Gedanke zu Grunde, daß nach der Vernichtung der alten ständischen Rechte
und provinziellen Gewohnheiten ihr Recht, die Eintragung neuer Gesetze zu
verweigern, die einzige noch übrige Schranke des absoluten Königtums bilde,
und daß deren Niederreißung den Umsturz der alten Verfassung des Landes,
die Revolution von oben bedeute. Auch durch Einkerkerung seiner Mitglieder
war der Widerstand des Pariser Parlaments in dem mehrjährigen Konflikte
nicht zu brechen, der .17<x> mit dem Widerspruch gegen neue Stencredikte be¬
gann. Und als sich die Regierung im Mai 1788 dieses Hemmschuhs durch
eine Art Staatsstreich zu entledigen suchte, indem sie die Thätigkeit der Par¬
lamente ans das Richteramt beschränkte und für die Eintragung der Gesetze
eine neue Behörde einsetzte, da antwortete das Parlament von Paris mit
jenem denkwürdige" Protest, in dem man den Keim zu der ein Jahr später
erfolgten Erklärung der Menschenrechte hat finden wollen. Nach des Ver¬
fassers Meinung sehr mit Unrecht. "Denn nicht von Rechten der Menschen
ist doch in diesem Akt die Rede, sondern von Rechten der französischen Bürger,
der einzelnen Provinzen, der Magistrate, der Stände, deS königlichen Hanfes;
der modernen naturrechtlichen Prinzipien wird mit keiner Silbe gedacht, von
Freiheit und Gleichheit ist nicht die Rede. Das Parlament erklärt darin,
daß Frankreich eine Monarchie ist, die vom König den Gesetzen gemäß regiert
wird; daß mehrere von diesen Gesetzen Grundgesetze sind: das Recht des
regierenden Hauses zum Throne lauf den Throns von Mann zu Mann; das
Recht der Nation, die Steuern durch ihre regelmäßig einberufenen und
zusammengesetzten Generalstände frei zu bewilligen; das rechtliche Herkommen
und die Kapitulationen der Provinzen; die Unabsetzbarkeit der Magistrate;
das Recht der höchsten Gerichtshöfe in jeder Provinz, die Befehle des Königs
in Hinsicht auf ihre Urkundlichkeit zu untersuchen und nur in dem Falle ein¬
zutragen, wenn sie den Verfasfnngsvrdnnngen der Provinz und den Grund¬
gesetze" des Staates entsprechen; das Recht jedes Bürgers, in keinem Falle
vor andre Richter gestellt zu werde" als seine natürlichen, d. h. diejenige",
die das Gesetz ihm anweist; endlich das Recht, ohne welches alle andern
nichtig sind, ans niemandes Befehl, wer es much sei, verhaftet werden zu
dürfen, ohne allsogleich den Händen der kompetenten Richter übergeben zu
werden. Wie man sieht, stehen die Forderungen vom Mai alle auf dem
Boden historischen Rechtes; nur in den zwei letzten Punkten, die sich ans die
Sicherung der persönlichen Freiheit des Bürgers beziehen, vernehmen wir
einen Anklang an jene konstitutionellen Doktrinen, die ans dem englischen
Staatswesen abstrahirt worden sind." Im übrigen waren die Parlamente so
wenig vo" de" modernen Ideen angekränkelt, daß sie vielmehr im Widerstande
gegen sie eine ganz reaktionäre Richtung einschlugen, die sie mit dem Verlust


Greuzlwten l IMt l !
?le konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution

trugen unter Karl den. Großen zlirückfiihren, so beruht das zioar auf
Unkenntnis der Geschichte; aber ihre» falschen Ableitungen lag doch der rich¬
tige Gedanke zu Grunde, daß nach der Vernichtung der alten ständischen Rechte
und provinziellen Gewohnheiten ihr Recht, die Eintragung neuer Gesetze zu
verweigern, die einzige noch übrige Schranke des absoluten Königtums bilde,
und daß deren Niederreißung den Umsturz der alten Verfassung des Landes,
die Revolution von oben bedeute. Auch durch Einkerkerung seiner Mitglieder
war der Widerstand des Pariser Parlaments in dem mehrjährigen Konflikte
nicht zu brechen, der .17<x> mit dem Widerspruch gegen neue Stencredikte be¬
gann. Und als sich die Regierung im Mai 1788 dieses Hemmschuhs durch
eine Art Staatsstreich zu entledigen suchte, indem sie die Thätigkeit der Par¬
lamente ans das Richteramt beschränkte und für die Eintragung der Gesetze
eine neue Behörde einsetzte, da antwortete das Parlament von Paris mit
jenem denkwürdige» Protest, in dem man den Keim zu der ein Jahr später
erfolgten Erklärung der Menschenrechte hat finden wollen. Nach des Ver¬
fassers Meinung sehr mit Unrecht. „Denn nicht von Rechten der Menschen
ist doch in diesem Akt die Rede, sondern von Rechten der französischen Bürger,
der einzelnen Provinzen, der Magistrate, der Stände, deS königlichen Hanfes;
der modernen naturrechtlichen Prinzipien wird mit keiner Silbe gedacht, von
Freiheit und Gleichheit ist nicht die Rede. Das Parlament erklärt darin,
daß Frankreich eine Monarchie ist, die vom König den Gesetzen gemäß regiert
wird; daß mehrere von diesen Gesetzen Grundgesetze sind: das Recht des
regierenden Hauses zum Throne lauf den Throns von Mann zu Mann; das
Recht der Nation, die Steuern durch ihre regelmäßig einberufenen und
zusammengesetzten Generalstände frei zu bewilligen; das rechtliche Herkommen
und die Kapitulationen der Provinzen; die Unabsetzbarkeit der Magistrate;
das Recht der höchsten Gerichtshöfe in jeder Provinz, die Befehle des Königs
in Hinsicht auf ihre Urkundlichkeit zu untersuchen und nur in dem Falle ein¬
zutragen, wenn sie den Verfasfnngsvrdnnngen der Provinz und den Grund¬
gesetze» des Staates entsprechen; das Recht jedes Bürgers, in keinem Falle
vor andre Richter gestellt zu werde» als seine natürlichen, d. h. diejenige»,
die das Gesetz ihm anweist; endlich das Recht, ohne welches alle andern
nichtig sind, ans niemandes Befehl, wer es much sei, verhaftet werden zu
dürfen, ohne allsogleich den Händen der kompetenten Richter übergeben zu
werden. Wie man sieht, stehen die Forderungen vom Mai alle auf dem
Boden historischen Rechtes; nur in den zwei letzten Punkten, die sich ans die
Sicherung der persönlichen Freiheit des Bürgers beziehen, vernehmen wir
einen Anklang an jene konstitutionellen Doktrinen, die ans dem englischen
Staatswesen abstrahirt worden sind." Im übrigen waren die Parlamente so
wenig vo» de» modernen Ideen angekränkelt, daß sie vielmehr im Widerstande
gegen sie eine ganz reaktionäre Richtung einschlugen, die sie mit dem Verlust


Greuzlwten l IMt l !
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[0353] ?le konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution trugen unter Karl den. Großen zlirückfiihren, so beruht das zioar auf Unkenntnis der Geschichte; aber ihre» falschen Ableitungen lag doch der rich¬ tige Gedanke zu Grunde, daß nach der Vernichtung der alten ständischen Rechte und provinziellen Gewohnheiten ihr Recht, die Eintragung neuer Gesetze zu verweigern, die einzige noch übrige Schranke des absoluten Königtums bilde, und daß deren Niederreißung den Umsturz der alten Verfassung des Landes, die Revolution von oben bedeute. Auch durch Einkerkerung seiner Mitglieder war der Widerstand des Pariser Parlaments in dem mehrjährigen Konflikte nicht zu brechen, der .17<x> mit dem Widerspruch gegen neue Stencredikte be¬ gann. Und als sich die Regierung im Mai 1788 dieses Hemmschuhs durch eine Art Staatsstreich zu entledigen suchte, indem sie die Thätigkeit der Par¬ lamente ans das Richteramt beschränkte und für die Eintragung der Gesetze eine neue Behörde einsetzte, da antwortete das Parlament von Paris mit jenem denkwürdige» Protest, in dem man den Keim zu der ein Jahr später erfolgten Erklärung der Menschenrechte hat finden wollen. Nach des Ver¬ fassers Meinung sehr mit Unrecht. „Denn nicht von Rechten der Menschen ist doch in diesem Akt die Rede, sondern von Rechten der französischen Bürger, der einzelnen Provinzen, der Magistrate, der Stände, deS königlichen Hanfes; der modernen naturrechtlichen Prinzipien wird mit keiner Silbe gedacht, von Freiheit und Gleichheit ist nicht die Rede. Das Parlament erklärt darin, daß Frankreich eine Monarchie ist, die vom König den Gesetzen gemäß regiert wird; daß mehrere von diesen Gesetzen Grundgesetze sind: das Recht des regierenden Hauses zum Throne lauf den Throns von Mann zu Mann; das Recht der Nation, die Steuern durch ihre regelmäßig einberufenen und zusammengesetzten Generalstände frei zu bewilligen; das rechtliche Herkommen und die Kapitulationen der Provinzen; die Unabsetzbarkeit der Magistrate; das Recht der höchsten Gerichtshöfe in jeder Provinz, die Befehle des Königs in Hinsicht auf ihre Urkundlichkeit zu untersuchen und nur in dem Falle ein¬ zutragen, wenn sie den Verfasfnngsvrdnnngen der Provinz und den Grund¬ gesetze» des Staates entsprechen; das Recht jedes Bürgers, in keinem Falle vor andre Richter gestellt zu werde» als seine natürlichen, d. h. diejenige», die das Gesetz ihm anweist; endlich das Recht, ohne welches alle andern nichtig sind, ans niemandes Befehl, wer es much sei, verhaftet werden zu dürfen, ohne allsogleich den Händen der kompetenten Richter übergeben zu werden. Wie man sieht, stehen die Forderungen vom Mai alle auf dem Boden historischen Rechtes; nur in den zwei letzten Punkten, die sich ans die Sicherung der persönlichen Freiheit des Bürgers beziehen, vernehmen wir einen Anklang an jene konstitutionellen Doktrinen, die ans dem englischen Staatswesen abstrahirt worden sind." Im übrigen waren die Parlamente so wenig vo» de» modernen Ideen angekränkelt, daß sie vielmehr im Widerstande gegen sie eine ganz reaktionäre Richtung einschlugen, die sie mit dem Verlust Greuzlwten l IMt l !

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/353>, abgerufen am 25.08.2024.