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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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ZalsMmsllt, den jungen Offizieren sehr nützlich," erscheint auch: "I/^re av
xreucirs an ^g.og.o, mit Kupfern." Die Kunst, den Tabak zu nehmen und
"mit guter Art zur Nase zu bringen," gewährte ihrem Meister manche Vor¬
teile. Sie half über die Pausen des Gesprächs hinweg -- wo die Gedanken
fehlten, da stellte ein Prischen zur rechten Zeit sich ein --, sie erhöhte die
Wirkung einer artigen Bemerkung, verstärkte den Eindruck eines galanten
Witzes. Rabeners "Traum von den abgeschiedenen Seelen" führt einen un¬
glücklichen Stutzer im Jenseits vor. Bei seinein eiligen Scheiden von der
süßen Gewohnheit des Daseins hat der Bejammernswerte seine Uhr, sein
Stockband und seine Tabaksdose vergessen. "Drei Sachen -- rief er --, in welchen
meine ganze Lebhaftigkeit, mein ganzer Witz bestund. Was ist doch der Ver¬
stand eines Stutzers ohne diese Stücke? Wenn ich einen artigen Scherz machen
will, so vermisse ich mein Stvckband und meine Einfälle ans einmal. . Ich bin
nicht imstande, das geringste Urteil von Staats- und gelehrten Sachen, ja
nicht einmal von einem Gedichte zu fällen, weil ich keine Prise Toback
nehmen kann."

Ebenso wichtig wie die Kunst, den Tabak zu nehmen, war die artige
Form, ihn andern darzubieten. Hier erst konnte sich der ganze Zauber des
Döscheus zeigen, seine Kraft, den Menschen zum Menschen zu gesellen, sich
bewähren. Sein "eomplaisantes" Wesen, wie man es mit einem Lieblings-
worte der Zeit bezeichnen kann, entsprach recht der Kvmplimentirknnst des
Jahrhunderts und macht es erklärlich, daß anch die gebildete Frauenwelt,
"das Frauenzimmer," seinen Reizungen nicht widerstand.

beginnt ein "Lob des Schnupftabaks" in den "Belustigungen des Verstandes
und Witzes," die bekanntlich einen Sammelplatz der artigen und witzigen Ein¬
fälle der Leipziger Dichter bildeten. Man sieht, wie sich hier das Döschen
als zierliches Spielzeug in den Dienst der weiblichen Koketterie stellt. Freilich
bleibt anch die Thatsache nicht verschwiegen, daß für manches Gemüt diese
Erscheinung ein ernstes Ärgernis bildete. Jedenfalls darf man annehmen, daß
sich diese Verirrung des Geschmackes -- wie jetzt das Urteil lautet -- in
engen Grenzen hielt. Nur die galante Modedame, das Gegenstück des ein¬
gebildeten Stutzers, konnte an dieser Modethorheit ernstlich Gefallen finden.
Nicht zufrieden mit den Künsten des Fächers, der im achtzehnten Jahrhundert
sein klassisches Zeitalter erlebte, wußte die gefallsüchtige Schöne auch aus dem
Döschen eine Waffe zu machen. Es schuf zwischen Stutzer und Modedame
ein sinniges Einverständnis, in dem anmutigen Spiel und Gegenspiel tändelnder
Galanterie feierte es seine schönsten Triumphe:


Grenzboten I 1891 42

ZalsMmsllt, den jungen Offizieren sehr nützlich," erscheint auch: „I/^re av
xreucirs an ^g.og.o, mit Kupfern." Die Kunst, den Tabak zu nehmen und
„mit guter Art zur Nase zu bringen," gewährte ihrem Meister manche Vor¬
teile. Sie half über die Pausen des Gesprächs hinweg — wo die Gedanken
fehlten, da stellte ein Prischen zur rechten Zeit sich ein —, sie erhöhte die
Wirkung einer artigen Bemerkung, verstärkte den Eindruck eines galanten
Witzes. Rabeners „Traum von den abgeschiedenen Seelen" führt einen un¬
glücklichen Stutzer im Jenseits vor. Bei seinein eiligen Scheiden von der
süßen Gewohnheit des Daseins hat der Bejammernswerte seine Uhr, sein
Stockband und seine Tabaksdose vergessen. „Drei Sachen — rief er —, in welchen
meine ganze Lebhaftigkeit, mein ganzer Witz bestund. Was ist doch der Ver¬
stand eines Stutzers ohne diese Stücke? Wenn ich einen artigen Scherz machen
will, so vermisse ich mein Stvckband und meine Einfälle ans einmal. . Ich bin
nicht imstande, das geringste Urteil von Staats- und gelehrten Sachen, ja
nicht einmal von einem Gedichte zu fällen, weil ich keine Prise Toback
nehmen kann."

Ebenso wichtig wie die Kunst, den Tabak zu nehmen, war die artige
Form, ihn andern darzubieten. Hier erst konnte sich der ganze Zauber des
Döscheus zeigen, seine Kraft, den Menschen zum Menschen zu gesellen, sich
bewähren. Sein „eomplaisantes" Wesen, wie man es mit einem Lieblings-
worte der Zeit bezeichnen kann, entsprach recht der Kvmplimentirknnst des
Jahrhunderts und macht es erklärlich, daß anch die gebildete Frauenwelt,
„das Frauenzimmer," seinen Reizungen nicht widerstand.

beginnt ein „Lob des Schnupftabaks" in den „Belustigungen des Verstandes
und Witzes," die bekanntlich einen Sammelplatz der artigen und witzigen Ein¬
fälle der Leipziger Dichter bildeten. Man sieht, wie sich hier das Döschen
als zierliches Spielzeug in den Dienst der weiblichen Koketterie stellt. Freilich
bleibt anch die Thatsache nicht verschwiegen, daß für manches Gemüt diese
Erscheinung ein ernstes Ärgernis bildete. Jedenfalls darf man annehmen, daß
sich diese Verirrung des Geschmackes — wie jetzt das Urteil lautet — in
engen Grenzen hielt. Nur die galante Modedame, das Gegenstück des ein¬
gebildeten Stutzers, konnte an dieser Modethorheit ernstlich Gefallen finden.
Nicht zufrieden mit den Künsten des Fächers, der im achtzehnten Jahrhundert
sein klassisches Zeitalter erlebte, wußte die gefallsüchtige Schöne auch aus dem
Döschen eine Waffe zu machen. Es schuf zwischen Stutzer und Modedame
ein sinniges Einverständnis, in dem anmutigen Spiel und Gegenspiel tändelnder
Galanterie feierte es seine schönsten Triumphe:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/337>, abgerufen am 23.07.2024.