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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Dies alles hat man nun mich auf dem Gebiete des künstlerischen Schaffens
längst erkannt, und man hat daraus die richtige Folgerung gezogen, daß die
Schaffung eiues Kunstwerkes, auch wenn es das größte ist, immer mir in die
Hand eines einzelnen Mannes gelegt werden kann. Niemand hat daran ge¬
dacht, sür deu Entwurf des Kaiser-Wilhelm-Denkmals oder zu dein Plane für
das Neichstagsgebäude eine Kommission zu berufein Vielmehr hat man die
Kraft der deutschen .Künstlerschaft durch Berufung aller zum Wettbewerb jedes
Einzelnen aufgeboten. Ist auf diese Weise für das Kunstwerk die Grundlage
gewonnen, dann steht nichts entgegen, daß dnrch das Urteil oder den Beirat
andrer noch Abänderungen in der Ausführung herbeigeführt werden, die dem
Werke sehr zu statten kommen können. Das wird sich auch jeder Künstler
bereitwillig gefallen lassen. Bekanntlich sind z. B. bei dem Neichstagsban
noch bedeutende Veränderungen im Sinne praktischer Nutzbarkeit des Gebäudes
nachträglich gemacht worden.

Nun wolle man mir verzeihen, wenn ich etwas ausspreche, was vielleicht
auf deu ersten Blick gewagt erscheinen kann. Ich vertrete es aber aus voller
Überzeugung. Auch ein Gesetzbuch ist ein Kunstwerk und zwar ein Kunstwerk
ersten Ranges. Daran knüpfe ich die Folgerung: Auch bei der Schaffung
eines Gesetzbuches muß, wenn etwas Gutes daraus werden soll, der Aufbau
des Ganzen in die Hände eines Mannes gelegt werden, wobei natürlich die
Mitwirkung andrer im Sinne der obigen Darlegung nicht ausgeschlossen ist.
Auch das preußische Landrecht ist nur dadurch zu einem in seiner Art so
vollendeten Werke geworden, daß seine Schöpfung in der Hand eines hoch¬
begabten Mannes lag. Hat mau einen solchen Mann nicht, dann ist es besser,
das Werk ganz zu unterlassen. Denn noch schlimmer als der Mangel eines
Gesetzbuches ist ein schlechtes Gesetzbuch.

Kommissionen sind überhaupt für Gesetzgebungswerke von zweifelhaftem
Werte. Wo es sich um einfache, leicht übersehbare Fragen handelt, kann die
Beratung einer Kommission sehr nützlich werden. Wo aber die Fragen tiefer
liegen und in weitem Zusammenhange betrachtet werden müssen, du ist es
immer zweifelhaft, ob aus einer Kommissivnsberatung etwas Gutes hervor¬
gehen wird. Denn nur selten sind alle Mitglieder einer Kommission solcher
Fragen mächtig, und der Zufall spielt darin bei den Beschlüssen, die ja meistens
Improvisationen sind, eine große Rolle. Dabei ist aber noch immer ein
wesentlicher Unterschied, ob eine Kommission eine bereits gegebene, gut ent¬
worfene Vorlage bearbeiten, oder ob sie selbst ein Gesetz neu anfertigen soll.
Es ist anzuerkennen, daß schon oft Regierungsvvrlagen wesentlich verbessert
aus den parlamentarischen Kommissionen hervorgegangen sind. Einen in seinen
Grundlagen oder seinem ganzen Geiste verfehlten Entwurf vermag dagegen
eine Kommission nicht leicht in ein gutes Gesetz umzuwandeln.

Die gegen den Wert von Koiiiinissiviisverhaudlniigen bestehenden Be-


Dies alles hat man nun mich auf dem Gebiete des künstlerischen Schaffens
längst erkannt, und man hat daraus die richtige Folgerung gezogen, daß die
Schaffung eiues Kunstwerkes, auch wenn es das größte ist, immer mir in die
Hand eines einzelnen Mannes gelegt werden kann. Niemand hat daran ge¬
dacht, sür deu Entwurf des Kaiser-Wilhelm-Denkmals oder zu dein Plane für
das Neichstagsgebäude eine Kommission zu berufein Vielmehr hat man die
Kraft der deutschen .Künstlerschaft durch Berufung aller zum Wettbewerb jedes
Einzelnen aufgeboten. Ist auf diese Weise für das Kunstwerk die Grundlage
gewonnen, dann steht nichts entgegen, daß dnrch das Urteil oder den Beirat
andrer noch Abänderungen in der Ausführung herbeigeführt werden, die dem
Werke sehr zu statten kommen können. Das wird sich auch jeder Künstler
bereitwillig gefallen lassen. Bekanntlich sind z. B. bei dem Neichstagsban
noch bedeutende Veränderungen im Sinne praktischer Nutzbarkeit des Gebäudes
nachträglich gemacht worden.

Nun wolle man mir verzeihen, wenn ich etwas ausspreche, was vielleicht
auf deu ersten Blick gewagt erscheinen kann. Ich vertrete es aber aus voller
Überzeugung. Auch ein Gesetzbuch ist ein Kunstwerk und zwar ein Kunstwerk
ersten Ranges. Daran knüpfe ich die Folgerung: Auch bei der Schaffung
eines Gesetzbuches muß, wenn etwas Gutes daraus werden soll, der Aufbau
des Ganzen in die Hände eines Mannes gelegt werden, wobei natürlich die
Mitwirkung andrer im Sinne der obigen Darlegung nicht ausgeschlossen ist.
Auch das preußische Landrecht ist nur dadurch zu einem in seiner Art so
vollendeten Werke geworden, daß seine Schöpfung in der Hand eines hoch¬
begabten Mannes lag. Hat mau einen solchen Mann nicht, dann ist es besser,
das Werk ganz zu unterlassen. Denn noch schlimmer als der Mangel eines
Gesetzbuches ist ein schlechtes Gesetzbuch.

Kommissionen sind überhaupt für Gesetzgebungswerke von zweifelhaftem
Werte. Wo es sich um einfache, leicht übersehbare Fragen handelt, kann die
Beratung einer Kommission sehr nützlich werden. Wo aber die Fragen tiefer
liegen und in weitem Zusammenhange betrachtet werden müssen, du ist es
immer zweifelhaft, ob aus einer Kommissivnsberatung etwas Gutes hervor¬
gehen wird. Denn nur selten sind alle Mitglieder einer Kommission solcher
Fragen mächtig, und der Zufall spielt darin bei den Beschlüssen, die ja meistens
Improvisationen sind, eine große Rolle. Dabei ist aber noch immer ein
wesentlicher Unterschied, ob eine Kommission eine bereits gegebene, gut ent¬
worfene Vorlage bearbeiten, oder ob sie selbst ein Gesetz neu anfertigen soll.
Es ist anzuerkennen, daß schon oft Regierungsvvrlagen wesentlich verbessert
aus den parlamentarischen Kommissionen hervorgegangen sind. Einen in seinen
Grundlagen oder seinem ganzen Geiste verfehlten Entwurf vermag dagegen
eine Kommission nicht leicht in ein gutes Gesetz umzuwandeln.

Die gegen den Wert von Koiiiinissiviisverhaudlniigen bestehenden Be-


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[0306] Dies alles hat man nun mich auf dem Gebiete des künstlerischen Schaffens längst erkannt, und man hat daraus die richtige Folgerung gezogen, daß die Schaffung eiues Kunstwerkes, auch wenn es das größte ist, immer mir in die Hand eines einzelnen Mannes gelegt werden kann. Niemand hat daran ge¬ dacht, sür deu Entwurf des Kaiser-Wilhelm-Denkmals oder zu dein Plane für das Neichstagsgebäude eine Kommission zu berufein Vielmehr hat man die Kraft der deutschen .Künstlerschaft durch Berufung aller zum Wettbewerb jedes Einzelnen aufgeboten. Ist auf diese Weise für das Kunstwerk die Grundlage gewonnen, dann steht nichts entgegen, daß dnrch das Urteil oder den Beirat andrer noch Abänderungen in der Ausführung herbeigeführt werden, die dem Werke sehr zu statten kommen können. Das wird sich auch jeder Künstler bereitwillig gefallen lassen. Bekanntlich sind z. B. bei dem Neichstagsban noch bedeutende Veränderungen im Sinne praktischer Nutzbarkeit des Gebäudes nachträglich gemacht worden. Nun wolle man mir verzeihen, wenn ich etwas ausspreche, was vielleicht auf deu ersten Blick gewagt erscheinen kann. Ich vertrete es aber aus voller Überzeugung. Auch ein Gesetzbuch ist ein Kunstwerk und zwar ein Kunstwerk ersten Ranges. Daran knüpfe ich die Folgerung: Auch bei der Schaffung eines Gesetzbuches muß, wenn etwas Gutes daraus werden soll, der Aufbau des Ganzen in die Hände eines Mannes gelegt werden, wobei natürlich die Mitwirkung andrer im Sinne der obigen Darlegung nicht ausgeschlossen ist. Auch das preußische Landrecht ist nur dadurch zu einem in seiner Art so vollendeten Werke geworden, daß seine Schöpfung in der Hand eines hoch¬ begabten Mannes lag. Hat mau einen solchen Mann nicht, dann ist es besser, das Werk ganz zu unterlassen. Denn noch schlimmer als der Mangel eines Gesetzbuches ist ein schlechtes Gesetzbuch. Kommissionen sind überhaupt für Gesetzgebungswerke von zweifelhaftem Werte. Wo es sich um einfache, leicht übersehbare Fragen handelt, kann die Beratung einer Kommission sehr nützlich werden. Wo aber die Fragen tiefer liegen und in weitem Zusammenhange betrachtet werden müssen, du ist es immer zweifelhaft, ob aus einer Kommissivnsberatung etwas Gutes hervor¬ gehen wird. Denn nur selten sind alle Mitglieder einer Kommission solcher Fragen mächtig, und der Zufall spielt darin bei den Beschlüssen, die ja meistens Improvisationen sind, eine große Rolle. Dabei ist aber noch immer ein wesentlicher Unterschied, ob eine Kommission eine bereits gegebene, gut ent¬ worfene Vorlage bearbeiten, oder ob sie selbst ein Gesetz neu anfertigen soll. Es ist anzuerkennen, daß schon oft Regierungsvvrlagen wesentlich verbessert aus den parlamentarischen Kommissionen hervorgegangen sind. Einen in seinen Grundlagen oder seinem ganzen Geiste verfehlten Entwurf vermag dagegen eine Kommission nicht leicht in ein gutes Gesetz umzuwandeln. Die gegen den Wert von Koiiiinissiviisverhaudlniigen bestehenden Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/306>, abgerufen am 23.07.2024.