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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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eintritt, so bleibt an dem jetzigen Zoll der Übelstand haften, daß er der Preis
ist für die Zufriedenheit eines Teiles der Bevölkerung, der einen andern Teil
der Bevölkerung einseitig belastet. Die bedenklichsten Maßregel" sind die, die
in die Bernfsstände Neid und Zwiespalt tragen.

Wenn die Reichsregierung zur Herabsetzung der Getreidezölle uur auf den
Stand von 1885 zurückgeht, so sollte man meinen, könnten die Agrarier noch
immer zufrieden sein. Wenn nun aber vollends diese doch bescheidene Er¬
mäßigung des Getreidezvlles der Preis wäre, der große Vorteile der deutschen
Industrie einbrächte, oder sagen wir richtiger: wenn diese Ermäßigung der
Preis wäre, um den das gesamte Wirtschaftsleben der deutschen Nation vor
dem schwersten Schaden zu bewahren ist, dann sollte man meinen, wäre die
Verweigerung dieses Preises von feiten der Agrarier eine Handlung der
äußersten Kurzsichtigkeit, ja eine sträfliche Blindheit gegenüber einer deutlichen
Patriotischen Pflicht.

Wir glauben nun in der That zu erkennen, daß dem deutschen Wirtschafts¬
leben schon in der nächsten Zukunft schwere Gefahren drohen, und daß zur
Abwendung dieser Gefahren ein sehr wirksames, aber auch das einzige Gegen¬
mittel in dein Handelsverträge mit Österreich liegt. Wir begründen dies auf
folgende Weise.

Rußland ist eben dabei, einen barbarischen Prohibitivtarif auszuarbeiten
und die nötige" Sätze zu ermitteln, an deren Einführung, sobald die dortigen
"Sachverständigen" ihre Arbeit beendigt haben, gar nicht zu zweifeln ist.
Damit wird eine deutsche Ausfuhr vernichtet, deren Betrag immer noch ans
etwa 200 Millionen Mark geschätzt wird. Spanien hat uns soeben seinen
Handelsvertrag gekündigt, was uns einer Ausfuhr von 4,4 Millionen Mark
beraubt. Frankreich ist dabei, einen Zolltarif zu beraten, der eine Ausfuhr
von 210 Millionen Mark verschließt oder doch beträchtlich schmälert. Wie es
künftig mit der Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten stehen wird, deren Be¬
trag sich auf 400 Millionen Mark beläuft, ist ganz unsicher. Es giebt Leute
bei uns, die dem Mac Kinley-Tarif jede Wirkung absprechen; ob das aber
unbefangene Sachverständige sind, bleibe dahingestellt. Es giebt wieder andre
Leute, die aus dem jüngsten Wahlsieg der Demokraten den Schluß ziehen, daß
die Demokraten, zur Herrschaft gelangt, nichts eiligeres zu thun haben werden,
als die Mac Kinley-Viti abzuschaffen, und daß die Demokraten bei allen künf-
tigen Präsidenten-, Senats- und Repräsentnntenwahlen siegen werden. Gegen
eine solche Zuversicht kaun man nur sagen: So möchtet ihr es haben, darum
ist es so.

Die Zusammenrechnung dieser Ausfuhrsummen giebt, so denken wir, einen
recht stattlichem Betrag, der sich möglicherweise bald als Ausfall in der deutschen
Handelsiibersicht breit macht. Sollten wir dann nicht einer neuen Handelskrisis
entgegengehen, einer weit schlimmern als der von 1873 bis 1885?


eintritt, so bleibt an dem jetzigen Zoll der Übelstand haften, daß er der Preis
ist für die Zufriedenheit eines Teiles der Bevölkerung, der einen andern Teil
der Bevölkerung einseitig belastet. Die bedenklichsten Maßregel» sind die, die
in die Bernfsstände Neid und Zwiespalt tragen.

Wenn die Reichsregierung zur Herabsetzung der Getreidezölle uur auf den
Stand von 1885 zurückgeht, so sollte man meinen, könnten die Agrarier noch
immer zufrieden sein. Wenn nun aber vollends diese doch bescheidene Er¬
mäßigung des Getreidezvlles der Preis wäre, der große Vorteile der deutschen
Industrie einbrächte, oder sagen wir richtiger: wenn diese Ermäßigung der
Preis wäre, um den das gesamte Wirtschaftsleben der deutschen Nation vor
dem schwersten Schaden zu bewahren ist, dann sollte man meinen, wäre die
Verweigerung dieses Preises von feiten der Agrarier eine Handlung der
äußersten Kurzsichtigkeit, ja eine sträfliche Blindheit gegenüber einer deutlichen
Patriotischen Pflicht.

Wir glauben nun in der That zu erkennen, daß dem deutschen Wirtschafts¬
leben schon in der nächsten Zukunft schwere Gefahren drohen, und daß zur
Abwendung dieser Gefahren ein sehr wirksames, aber auch das einzige Gegen¬
mittel in dein Handelsverträge mit Österreich liegt. Wir begründen dies auf
folgende Weise.

Rußland ist eben dabei, einen barbarischen Prohibitivtarif auszuarbeiten
und die nötige» Sätze zu ermitteln, an deren Einführung, sobald die dortigen
„Sachverständigen" ihre Arbeit beendigt haben, gar nicht zu zweifeln ist.
Damit wird eine deutsche Ausfuhr vernichtet, deren Betrag immer noch ans
etwa 200 Millionen Mark geschätzt wird. Spanien hat uns soeben seinen
Handelsvertrag gekündigt, was uns einer Ausfuhr von 4,4 Millionen Mark
beraubt. Frankreich ist dabei, einen Zolltarif zu beraten, der eine Ausfuhr
von 210 Millionen Mark verschließt oder doch beträchtlich schmälert. Wie es
künftig mit der Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten stehen wird, deren Be¬
trag sich auf 400 Millionen Mark beläuft, ist ganz unsicher. Es giebt Leute
bei uns, die dem Mac Kinley-Tarif jede Wirkung absprechen; ob das aber
unbefangene Sachverständige sind, bleibe dahingestellt. Es giebt wieder andre
Leute, die aus dem jüngsten Wahlsieg der Demokraten den Schluß ziehen, daß
die Demokraten, zur Herrschaft gelangt, nichts eiligeres zu thun haben werden,
als die Mac Kinley-Viti abzuschaffen, und daß die Demokraten bei allen künf-
tigen Präsidenten-, Senats- und Repräsentnntenwahlen siegen werden. Gegen
eine solche Zuversicht kaun man nur sagen: So möchtet ihr es haben, darum
ist es so.

Die Zusammenrechnung dieser Ausfuhrsummen giebt, so denken wir, einen
recht stattlichem Betrag, der sich möglicherweise bald als Ausfall in der deutschen
Handelsiibersicht breit macht. Sollten wir dann nicht einer neuen Handelskrisis
entgegengehen, einer weit schlimmern als der von 1873 bis 1885?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/299>, abgerufen am 25.08.2024.