Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Die wirtschaftlichen Grundlagen der russischen Machtstellung den sie gegen den Fürsten Bismarck hegten, auf den Kaiser übertragen, nnr mit Da gleichzeitig die Aufstellung der russischen Streitkräfte an unsrer Ost¬ Wir wollen das soeben veröffentlichte russische Budget nicht eingehend Nur auf einige Kleinigkeiten wollen wir hinweisen, die zwischen den Zeilen Die wirtschaftlichen Grundlagen der russischen Machtstellung den sie gegen den Fürsten Bismarck hegten, auf den Kaiser übertragen, nnr mit Da gleichzeitig die Aufstellung der russischen Streitkräfte an unsrer Ost¬ Wir wollen das soeben veröffentlichte russische Budget nicht eingehend Nur auf einige Kleinigkeiten wollen wir hinweisen, die zwischen den Zeilen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209484"/> <fw type="header" place="top"> Die wirtschaftlichen Grundlagen der russischen Machtstellung</fw><lb/> <p xml:id="ID_710" prev="#ID_709"> den sie gegen den Fürsten Bismarck hegten, auf den Kaiser übertragen, nnr mit<lb/> dem Unterschiede, daß sie ihn mit geringerer Scheu und mit größerm Selbst-<lb/> genügen an den Tag legen, als noch vor einem Jahre. Die Stimmung im<lb/> Lande aber ist in ihrer allgemeinen Deutschfeindlichst dieselbe geblieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_711"> Da gleichzeitig die Aufstellung der russischen Streitkräfte an unsrer Ost¬<lb/> grenze immer mehr den Charakter einer Mobilisirnng angenommen hat und<lb/> keinerlei Anzeichen dafür sprechen, daß sich in diesem Vorgehen eine Wandlung<lb/> vorbereitet, so ist es für uns von hoher Wichtigkeit, die thatsächlichen Grund¬<lb/> lagen dieser drohenden Machtstellung kennen zu lernen und zu prüfen, wie fest<lb/> der wirtschaftliche und sittliche Unterbau ist, der die russische Wehrkraft trägt<lb/> und erhält. Wenn sich herausstellt, daß die kriegerische Machtstellung auf<lb/> Kosten der wichtigsten Lebensinteressen des Landes geschieht, so wird man sich<lb/> dem Schluß nicht entziehen können, daß der Augenblick kommen muß, wo der<lb/> Zusammenbruch im Innern durch einen Ausbruch nach außen hin verdeckt und<lb/> womöglich verhindert werden muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_712"> Wir wollen das soeben veröffentlichte russische Budget nicht eingehend<lb/> kritisiren. Es blendet, wie es die offiziellen russischen Kundgebungen stets<lb/> thun, und der Telegraph hat dafür gesorgt, daß überall ausposaunt wurde,<lb/> wie günstig der Eindruck des Budgets in Paris, in London, in Berlin ge¬<lb/> wesen sei. Wer näher zusieht, wird bemerkt haben, daß für produktive Aus¬<lb/> gaben in diesem Budget fast gar kein Raum ist, und daß ein ganzes System<lb/> künstlicher Gruppirungen bestimmt ist, den dazu neigenden Leser vollends gefangen<lb/> zu nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_713" next="#ID_714"> Nur auf einige Kleinigkeiten wollen wir hinweisen, die zwischen den Zeilen<lb/> zu lesen sind. Unter den Schulden finden wir aufgeführt 568^/z Millionen<lb/> Rubel für Kreditbillette. Thatsächlich aber waren 1889 im Umlauf 780<lb/> Millionen und einiges, während zur Deckung an Metall nur 211 ^/g Millionen<lb/> im Reichsschatze ruhten. Noch 1880 lag dieses Verhältnis so, daß einer Summe<lb/> von 716'/z Millionen Kreditbilletten ein Metallfonds von 173 Millionen gegen¬<lb/> überstand, sodaß als Schuld eine Summe von ungefähr 543^ Millionen<lb/> Rudeln aufgeführt wurde. Dieses Verhültuis behauptete sich bis 1887, erst<lb/> 1388 veränderte es sich in der eben angegebenen Weise, d. h. die Schuld an<lb/> Kreditbilletten wuchs um 25 Millionen Rubel. Diese Thatsache ist deshalb<lb/> von Interesse, weil durch Ukas vom 1. Januar 1881 in dem Verhältnis der<lb/> Ansammlung von Kreditbilletten in den Kassen der Bank, mit Rücksicht auf<lb/> die Bedürfnisse des Geldumlaufes, Kreditbillette vernichtet werden sollten.<lb/> Wenn daher die umlaufenden Nubelscheine heute zahlreicher sind als im Jahre<lb/> 1881, so folgt daraus, daß jeuer Mas nicht nur nicht erfüllt worden ist,<lb/> sondern daß in geradem Gegensatz zu dem Geist, in dem er erlassen wurde,<lb/> eine Vermehrung des Papiergeldes stattgefunden hat. Ebenso hat die russische<lb/> Regierung, wie es scheint, endgiltig den Plan aufgegeben, der zu Anfang der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Die wirtschaftlichen Grundlagen der russischen Machtstellung
den sie gegen den Fürsten Bismarck hegten, auf den Kaiser übertragen, nnr mit
dem Unterschiede, daß sie ihn mit geringerer Scheu und mit größerm Selbst-
genügen an den Tag legen, als noch vor einem Jahre. Die Stimmung im
Lande aber ist in ihrer allgemeinen Deutschfeindlichst dieselbe geblieben.
Da gleichzeitig die Aufstellung der russischen Streitkräfte an unsrer Ost¬
grenze immer mehr den Charakter einer Mobilisirnng angenommen hat und
keinerlei Anzeichen dafür sprechen, daß sich in diesem Vorgehen eine Wandlung
vorbereitet, so ist es für uns von hoher Wichtigkeit, die thatsächlichen Grund¬
lagen dieser drohenden Machtstellung kennen zu lernen und zu prüfen, wie fest
der wirtschaftliche und sittliche Unterbau ist, der die russische Wehrkraft trägt
und erhält. Wenn sich herausstellt, daß die kriegerische Machtstellung auf
Kosten der wichtigsten Lebensinteressen des Landes geschieht, so wird man sich
dem Schluß nicht entziehen können, daß der Augenblick kommen muß, wo der
Zusammenbruch im Innern durch einen Ausbruch nach außen hin verdeckt und
womöglich verhindert werden muß.
Wir wollen das soeben veröffentlichte russische Budget nicht eingehend
kritisiren. Es blendet, wie es die offiziellen russischen Kundgebungen stets
thun, und der Telegraph hat dafür gesorgt, daß überall ausposaunt wurde,
wie günstig der Eindruck des Budgets in Paris, in London, in Berlin ge¬
wesen sei. Wer näher zusieht, wird bemerkt haben, daß für produktive Aus¬
gaben in diesem Budget fast gar kein Raum ist, und daß ein ganzes System
künstlicher Gruppirungen bestimmt ist, den dazu neigenden Leser vollends gefangen
zu nehmen.
Nur auf einige Kleinigkeiten wollen wir hinweisen, die zwischen den Zeilen
zu lesen sind. Unter den Schulden finden wir aufgeführt 568^/z Millionen
Rubel für Kreditbillette. Thatsächlich aber waren 1889 im Umlauf 780
Millionen und einiges, während zur Deckung an Metall nur 211 ^/g Millionen
im Reichsschatze ruhten. Noch 1880 lag dieses Verhältnis so, daß einer Summe
von 716'/z Millionen Kreditbilletten ein Metallfonds von 173 Millionen gegen¬
überstand, sodaß als Schuld eine Summe von ungefähr 543^ Millionen
Rudeln aufgeführt wurde. Dieses Verhültuis behauptete sich bis 1887, erst
1388 veränderte es sich in der eben angegebenen Weise, d. h. die Schuld an
Kreditbilletten wuchs um 25 Millionen Rubel. Diese Thatsache ist deshalb
von Interesse, weil durch Ukas vom 1. Januar 1881 in dem Verhältnis der
Ansammlung von Kreditbilletten in den Kassen der Bank, mit Rücksicht auf
die Bedürfnisse des Geldumlaufes, Kreditbillette vernichtet werden sollten.
Wenn daher die umlaufenden Nubelscheine heute zahlreicher sind als im Jahre
1881, so folgt daraus, daß jeuer Mas nicht nur nicht erfüllt worden ist,
sondern daß in geradem Gegensatz zu dem Geist, in dem er erlassen wurde,
eine Vermehrung des Papiergeldes stattgefunden hat. Ebenso hat die russische
Regierung, wie es scheint, endgiltig den Plan aufgegeben, der zu Anfang der
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