Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Neue Lyrik reifsten Dichtungen ist, soll einen Cyklus von Liebesgedichten aus seinen jungen
Das atmet doch Tiroler Luft! Das Büchlein bringt nun drei Gruppen von
So hat er denn auch den echten Jdyllenton treffen können. Mit ausgezeich- Grenzboten I 1891 29
Neue Lyrik reifsten Dichtungen ist, soll einen Cyklus von Liebesgedichten aus seinen jungen
Das atmet doch Tiroler Luft! Das Büchlein bringt nun drei Gruppen von
So hat er denn auch den echten Jdyllenton treffen können. Mit ausgezeich- Grenzboten I 1891 29
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209466"/> <fw type="header" place="top"> Neue Lyrik</fw><lb/> <p xml:id="ID_650" prev="#ID_649"> reifsten Dichtungen ist, soll einen Cyklus von Liebesgedichten aus seinen jungen<lb/> Jahren einleiten. Im Texte selbst erfahren wir das, wo der Dichter sagt:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l> Ach, wie thut sich dus Thal so sonnig, indem ich die Lieder<lb/> Sammle und ordne an dich, wieder im Geiste mir auf!<lb/> Nah aus rauschendem Wald lockt munter das Zwitschern der Meise,<lb/> Lustiges Jauchzen ertönt hoch von den Almen herab,<lb/> Friede ringsum! kein Ton aus dem lauten GeHader der Menschen<lb/> Dringt in des einsamen Thals liebliche Stille herauf.<lb/> Wenig Gesellschaft giebts; harmlose Geschöpfe begnügen<lb/> Nur mit den Freuden sich gern, welche Natur hier gewährt.<lb/> Alternde Mütterchen ruhen im Grase, die stützende Krücke<lb/> Neben sich niedergelegt, tief in die fröstelnde Brust<lb/> Atmend die sonnige Luft, Veteranen mit goldenen Kreuzer<lb/> Vorn an der Brust, Rotbarts tapfre Genossen dereinst,<lb/> Stehen gesellt im Gesprnchsaustnusch der erlebten Gefahren<lb/> Anno neun. Ein Kaplan murmelt dabei fein Brevier.<lb/> Jngend ist auch dabei.<lb/></l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_651"> Das atmet doch Tiroler Luft! Das Büchlein bringt nun drei Gruppen von<lb/> Gedichten: Liebeslieder, Idyllen, vermischte Gedichte. Der Schwerpunkt der<lb/> Sammlung liegt in den Idyllen. Bei aller Thätigkeit in der Öffentlichkeit<lb/> war Schultern doch wesentlich Privatmann. Zu Hanse, in seinen vier Wänden,<lb/> in den Zimmern, wo er geboren wurde, wo seine eignen Kinder zur Welt<lb/> kamen und nun auch schon die Enkelchen erschienen, da war es ihm am<lb/> wohlsten zu Mute. Aus einer alten Adelsfamilie stammend, bewahrte er sich<lb/> eine tiefe Pietät für die Vergangenheit. In seinem Schlafgemach hingen die<lb/> Bilder seiner tüchtigen Vorfahren, deren blanker Ehrenschild ihn mit Stolz<lb/> erfüllte. Er hing an jeden: Stück des alten Hauses, das ihn an die glück¬<lb/> liche, sorgenfreie Knabenzeit erinnerte. Aber er hatte auch das Vermögen,<lb/> diese enge kleine Welt »ub «xe<zi«z iUZt«zrQitg.ti8 zu schauen. Er war wirklich<lb/> eine dichterische Natur. Er preist die Poesie als die liebevolle Hingebung an<lb/> andre, mag sie auch nicht durch Gegenliebe belohnt werden. Denn:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Wie Cäsar nennt bezwungen<lb/> Der Dichter, was er sieht;<lb/> Im Herzen ists errungen,<lb/> Geschaffen neu im Lied.<lb/> Drauf blühet ihm zum Lohne,<lb/> Wohin er immer zieh,<lb/> Liebens und Lebens Krone,<lb/> Das Glück der Poesie.<lb/></l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_652" next="#ID_653"> So hat er denn auch den echten Jdyllenton treffen können. Mit ausgezeich-<lb/> neter Kleinmalerei führt er uns in den länger,: Gedichten „Notkelchens Neu¬<lb/> jahrsbetrachtungen," „Die alte Diele," „Im Schlafgemach" u. a. in. in die<lb/> Familienstube ein. Er knüpft an die unscheinbarste Kleinigkeit an und erhebt</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1891 29</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0233]
Neue Lyrik
reifsten Dichtungen ist, soll einen Cyklus von Liebesgedichten aus seinen jungen
Jahren einleiten. Im Texte selbst erfahren wir das, wo der Dichter sagt:
Ach, wie thut sich dus Thal so sonnig, indem ich die Lieder
Sammle und ordne an dich, wieder im Geiste mir auf!
Nah aus rauschendem Wald lockt munter das Zwitschern der Meise,
Lustiges Jauchzen ertönt hoch von den Almen herab,
Friede ringsum! kein Ton aus dem lauten GeHader der Menschen
Dringt in des einsamen Thals liebliche Stille herauf.
Wenig Gesellschaft giebts; harmlose Geschöpfe begnügen
Nur mit den Freuden sich gern, welche Natur hier gewährt.
Alternde Mütterchen ruhen im Grase, die stützende Krücke
Neben sich niedergelegt, tief in die fröstelnde Brust
Atmend die sonnige Luft, Veteranen mit goldenen Kreuzer
Vorn an der Brust, Rotbarts tapfre Genossen dereinst,
Stehen gesellt im Gesprnchsaustnusch der erlebten Gefahren
Anno neun. Ein Kaplan murmelt dabei fein Brevier.
Jngend ist auch dabei.
Das atmet doch Tiroler Luft! Das Büchlein bringt nun drei Gruppen von
Gedichten: Liebeslieder, Idyllen, vermischte Gedichte. Der Schwerpunkt der
Sammlung liegt in den Idyllen. Bei aller Thätigkeit in der Öffentlichkeit
war Schultern doch wesentlich Privatmann. Zu Hanse, in seinen vier Wänden,
in den Zimmern, wo er geboren wurde, wo seine eignen Kinder zur Welt
kamen und nun auch schon die Enkelchen erschienen, da war es ihm am
wohlsten zu Mute. Aus einer alten Adelsfamilie stammend, bewahrte er sich
eine tiefe Pietät für die Vergangenheit. In seinem Schlafgemach hingen die
Bilder seiner tüchtigen Vorfahren, deren blanker Ehrenschild ihn mit Stolz
erfüllte. Er hing an jeden: Stück des alten Hauses, das ihn an die glück¬
liche, sorgenfreie Knabenzeit erinnerte. Aber er hatte auch das Vermögen,
diese enge kleine Welt »ub «xe<zi«z iUZt«zrQitg.ti8 zu schauen. Er war wirklich
eine dichterische Natur. Er preist die Poesie als die liebevolle Hingebung an
andre, mag sie auch nicht durch Gegenliebe belohnt werden. Denn:
Wie Cäsar nennt bezwungen
Der Dichter, was er sieht;
Im Herzen ists errungen,
Geschaffen neu im Lied.
Drauf blühet ihm zum Lohne,
Wohin er immer zieh,
Liebens und Lebens Krone,
Das Glück der Poesie.
So hat er denn auch den echten Jdyllenton treffen können. Mit ausgezeich-
neter Kleinmalerei führt er uns in den länger,: Gedichten „Notkelchens Neu¬
jahrsbetrachtungen," „Die alte Diele," „Im Schlafgemach" u. a. in. in die
Familienstube ein. Er knüpft an die unscheinbarste Kleinigkeit an und erhebt
Grenzboten I 1891 29
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |