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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Ein topographischer Atlas von Leipzig

besitzt die Stadtbibliothek, den andern das Ratsarchiv. Ein dritter Abdruck
soll sich in Weimar befinden, weitere sind mir aber nicht bekannt geworden,
im Handel ist das Bild, wenigstens in den letzten zwanzig Jahren, nicht auf¬
getaucht. Fast ebenso verhält es sich mit den beiden großen Prospekten von
1595 und 1615. Der erste befindet sich in einem Exemplar im Besitz der
Leipziger Stadtbibliothek, ein zweites hat seit Jahren schon ein Leipziger
Antiquar in den Händen, der aber einen so hohen Preis dafür fordert, daß
er bis jetzt keinen Käufer gefunden hat; der zweite kam vor einigen Jahren
aus dem Privatbesitz eines Leipziger Antiquars, der ihn zusammengefaltet in
einem alten Folianten gefunden hatte, für den Preis von 100 Mark ebenfalls
an die Stadtbibliothek. Die vier Bilder aus den Calviuistcnuuruheu habe ich
vor einigen Jahren von einem Frankfurter Antiquar für 60 Mark gekauft;
bei dieser Gelegenheit erfuhr ich erst von dem Vorhandensein des vierten
Blattes, auch den kundigsten Sammlern waren immer nur drei bekannt ge¬
wesen. Von Christian Heckel und seineu vier malerischen Prospekten Leipzigs
von 1704 schreibt schon ein Dresdner Kupferstecher des vorigen Jahrhunderts,
Bontius, 1779 in einem Briefe an den Dresdner Akademiedirektvr Hagedorn:
"Die vier Prospekte von Leipzig allein haben ihn nnter den Künstlern unver¬
geßlich gemacht; kein Porträt, kein Abriß von einer Stadt kann ähnlicher sein
als die vier Prospekte." Die Kupferplatten kamen in den Besitz des bekannten
Amsterdamer Kunsthüudlers Peter Schenk, der dann seinen Namen hinein¬
stechen ließ. Die Schenkscheu Abdrücke aber, schreibt Bveitius, seien "lange
nicht so schön als die, welche im Anfange in Leipzig sind davon gemacht
worden, wovon ein Abdruck brüderlich eine" Dukaten wert." Heute fordern
Antiquare für alle vier Blätter 50 Mark und darüber. Bon den zwölf bunten
Ansichten von 1784 kommt Wohl ein oder das andre Blatt gelegentlich im
Handel vor, aber die vollständige Reihe ist mir nie begegnet; was ein Anti¬
quar dafür fordern würde, wenn er sie einmal in die Hände bekäme, wage ich
nicht zu vermuten. Diese Beispiele werden genügen, um ungefähr zu zeigen,
was ich mit dem Unternehmen dieses Atlas bezweckt habe, und welchen Sinn
es hätte, wenn jemand sagen wollte: Was helfen mir die Nachbildungen, ich
will die Originale haben!

Was den erläuternden Text betrifft, den ich den Bildern beigegeben habe,
so habe ich damit nicht eine zusammenhängende Entwicklungsgeschichte des
Leipziger Stadtbildes geben wollen, sondern nur der Reihenfolge der Bilder
nachgehend kurze Bemerkungen über das, was dargestellt ist, und, wo irgend
möglich, auch Nachweise über die Herkunft der Bilder, ihre Entstehungszeit,
ihre Verfertiger und ihr gegenseitiges Verhältnis. Über alle diese Dinge
hat in den Kreisen der Sammler und Händler bisher große Unklarheit ge¬
herrscht, fortwährend findet man in antiquarischen Verzeichnissen ungenügende
oder falsche Angaben. Um nur ein Beispiel anzuführen: von den vier


Ein topographischer Atlas von Leipzig

besitzt die Stadtbibliothek, den andern das Ratsarchiv. Ein dritter Abdruck
soll sich in Weimar befinden, weitere sind mir aber nicht bekannt geworden,
im Handel ist das Bild, wenigstens in den letzten zwanzig Jahren, nicht auf¬
getaucht. Fast ebenso verhält es sich mit den beiden großen Prospekten von
1595 und 1615. Der erste befindet sich in einem Exemplar im Besitz der
Leipziger Stadtbibliothek, ein zweites hat seit Jahren schon ein Leipziger
Antiquar in den Händen, der aber einen so hohen Preis dafür fordert, daß
er bis jetzt keinen Käufer gefunden hat; der zweite kam vor einigen Jahren
aus dem Privatbesitz eines Leipziger Antiquars, der ihn zusammengefaltet in
einem alten Folianten gefunden hatte, für den Preis von 100 Mark ebenfalls
an die Stadtbibliothek. Die vier Bilder aus den Calviuistcnuuruheu habe ich
vor einigen Jahren von einem Frankfurter Antiquar für 60 Mark gekauft;
bei dieser Gelegenheit erfuhr ich erst von dem Vorhandensein des vierten
Blattes, auch den kundigsten Sammlern waren immer nur drei bekannt ge¬
wesen. Von Christian Heckel und seineu vier malerischen Prospekten Leipzigs
von 1704 schreibt schon ein Dresdner Kupferstecher des vorigen Jahrhunderts,
Bontius, 1779 in einem Briefe an den Dresdner Akademiedirektvr Hagedorn:
„Die vier Prospekte von Leipzig allein haben ihn nnter den Künstlern unver¬
geßlich gemacht; kein Porträt, kein Abriß von einer Stadt kann ähnlicher sein
als die vier Prospekte." Die Kupferplatten kamen in den Besitz des bekannten
Amsterdamer Kunsthüudlers Peter Schenk, der dann seinen Namen hinein¬
stechen ließ. Die Schenkscheu Abdrücke aber, schreibt Bveitius, seien „lange
nicht so schön als die, welche im Anfange in Leipzig sind davon gemacht
worden, wovon ein Abdruck brüderlich eine» Dukaten wert." Heute fordern
Antiquare für alle vier Blätter 50 Mark und darüber. Bon den zwölf bunten
Ansichten von 1784 kommt Wohl ein oder das andre Blatt gelegentlich im
Handel vor, aber die vollständige Reihe ist mir nie begegnet; was ein Anti¬
quar dafür fordern würde, wenn er sie einmal in die Hände bekäme, wage ich
nicht zu vermuten. Diese Beispiele werden genügen, um ungefähr zu zeigen,
was ich mit dem Unternehmen dieses Atlas bezweckt habe, und welchen Sinn
es hätte, wenn jemand sagen wollte: Was helfen mir die Nachbildungen, ich
will die Originale haben!

Was den erläuternden Text betrifft, den ich den Bildern beigegeben habe,
so habe ich damit nicht eine zusammenhängende Entwicklungsgeschichte des
Leipziger Stadtbildes geben wollen, sondern nur der Reihenfolge der Bilder
nachgehend kurze Bemerkungen über das, was dargestellt ist, und, wo irgend
möglich, auch Nachweise über die Herkunft der Bilder, ihre Entstehungszeit,
ihre Verfertiger und ihr gegenseitiges Verhältnis. Über alle diese Dinge
hat in den Kreisen der Sammler und Händler bisher große Unklarheit ge¬
herrscht, fortwährend findet man in antiquarischen Verzeichnissen ungenügende
oder falsche Angaben. Um nur ein Beispiel anzuführen: von den vier


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[0229] Ein topographischer Atlas von Leipzig besitzt die Stadtbibliothek, den andern das Ratsarchiv. Ein dritter Abdruck soll sich in Weimar befinden, weitere sind mir aber nicht bekannt geworden, im Handel ist das Bild, wenigstens in den letzten zwanzig Jahren, nicht auf¬ getaucht. Fast ebenso verhält es sich mit den beiden großen Prospekten von 1595 und 1615. Der erste befindet sich in einem Exemplar im Besitz der Leipziger Stadtbibliothek, ein zweites hat seit Jahren schon ein Leipziger Antiquar in den Händen, der aber einen so hohen Preis dafür fordert, daß er bis jetzt keinen Käufer gefunden hat; der zweite kam vor einigen Jahren aus dem Privatbesitz eines Leipziger Antiquars, der ihn zusammengefaltet in einem alten Folianten gefunden hatte, für den Preis von 100 Mark ebenfalls an die Stadtbibliothek. Die vier Bilder aus den Calviuistcnuuruheu habe ich vor einigen Jahren von einem Frankfurter Antiquar für 60 Mark gekauft; bei dieser Gelegenheit erfuhr ich erst von dem Vorhandensein des vierten Blattes, auch den kundigsten Sammlern waren immer nur drei bekannt ge¬ wesen. Von Christian Heckel und seineu vier malerischen Prospekten Leipzigs von 1704 schreibt schon ein Dresdner Kupferstecher des vorigen Jahrhunderts, Bontius, 1779 in einem Briefe an den Dresdner Akademiedirektvr Hagedorn: „Die vier Prospekte von Leipzig allein haben ihn nnter den Künstlern unver¬ geßlich gemacht; kein Porträt, kein Abriß von einer Stadt kann ähnlicher sein als die vier Prospekte." Die Kupferplatten kamen in den Besitz des bekannten Amsterdamer Kunsthüudlers Peter Schenk, der dann seinen Namen hinein¬ stechen ließ. Die Schenkscheu Abdrücke aber, schreibt Bveitius, seien „lange nicht so schön als die, welche im Anfange in Leipzig sind davon gemacht worden, wovon ein Abdruck brüderlich eine» Dukaten wert." Heute fordern Antiquare für alle vier Blätter 50 Mark und darüber. Bon den zwölf bunten Ansichten von 1784 kommt Wohl ein oder das andre Blatt gelegentlich im Handel vor, aber die vollständige Reihe ist mir nie begegnet; was ein Anti¬ quar dafür fordern würde, wenn er sie einmal in die Hände bekäme, wage ich nicht zu vermuten. Diese Beispiele werden genügen, um ungefähr zu zeigen, was ich mit dem Unternehmen dieses Atlas bezweckt habe, und welchen Sinn es hätte, wenn jemand sagen wollte: Was helfen mir die Nachbildungen, ich will die Originale haben! Was den erläuternden Text betrifft, den ich den Bildern beigegeben habe, so habe ich damit nicht eine zusammenhängende Entwicklungsgeschichte des Leipziger Stadtbildes geben wollen, sondern nur der Reihenfolge der Bilder nachgehend kurze Bemerkungen über das, was dargestellt ist, und, wo irgend möglich, auch Nachweise über die Herkunft der Bilder, ihre Entstehungszeit, ihre Verfertiger und ihr gegenseitiges Verhältnis. Über alle diese Dinge hat in den Kreisen der Sammler und Händler bisher große Unklarheit ge¬ herrscht, fortwährend findet man in antiquarischen Verzeichnissen ungenügende oder falsche Angaben. Um nur ein Beispiel anzuführen: von den vier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/229>, abgerufen am 23.07.2024.