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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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<Lin topographischer Atlas von Leipzig

Die einzelnen Tafeln sind im Atlas natürlich nach der Zeitfolge geordnet.
Den Anfang macht die älteste Abbildung der Stadt, von der wir überhaupt
Kunde haben, der große Holzschnitt, der -- aus der Vogelschau -- die Be¬
lagerung Leipzigs im schmalkaldischen Kriege durch den Kurfürsten Johann
Friedrich im Jannnr 1547 zeigt. Das Bild wurde, wie sich urkundlich nach¬
weisen läßt, unmittelbar nach deu Ereignissen in Leipzig gezeichnet und in
Holz geschnitten. Das Original (47: 111 Cur.) ist schon im siebzehnten Jahr¬
hundert in Hortleders "Teutschen Krieg" stark verkleinert in einem Kupferstich
nachgebildet worden, der in antiquarischen Katalogen oft für ein Original aus¬
gegeben wird; von dem großen Holzschnitt weiß man gewöhnlich nichts,
da er im Handel nie vorkommt. Auch in neuerer Zeit ist er mehreremale,
ebenfalls stark verkleinert, nachgebildet worden. Eine Nachbildung von der
Größe wie in unserm Atlas ist aber noch nirgends geboten worden; sie vermag
das Original vollständig zu ersetzen. Das Bild ist, abgesehen von dem ge¬
schichtlichen Ereignis, das es illustrirt, auch als bloßes Stadtbild von un¬
schätzbarem Werte, denn es zeigt noch ganz das mittelalterliche Leipzig mit
seinen Mauern und Mauertürmen (dein Hcnkersturm, der Landskrvne u, f. w.),
mit dem alten kleinen Rathaus am Markte, das dann 1556 durch den Neubau
HieronvMns Lotters ersetzt wurde, mit der alten kleinen Pleißenburg, in der
1519 die Disputation zwischen Luther und Eck stattgefunden hatte, n. s. w.

Nicht minder wertvoll ist eine Reihe von vier Blättern aus den Jahren
1591 bis 1593, die ebenfalls geschichtlichen Ereignissen ihre Entstehung ver¬
danken: den Kämpfen gegen die Cnlviuisten in Sachsen. Das erste zeigt die
Verhaftung eines ealvinistischen Predigers der Thomaskirche und seine Ab¬
führung dnrch die Vnrggasse nach der Pleißenburg; das zweite den Vorgang,
wie der Turmknvpf der Nikolaikirche abgenommen wird, der in der That
damals, nachdem man ihn kurz zuvor erst neu aufgesetzt hatte, wieder herunter¬
geholt wurde, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, es lagen calvinistischc
Schriften darin; das dritte den Aufruhr gegen die Ccilvinisten im Mai 1593.
bei dem eilte Anzahl Calvinisteuhäuser zerstört und geplündert wurden; das
vierte die Hinrichtung der vier Rädelsführer dieses Aufruhrs auf dem Markt-
Platze. Auch diese vier Blätter sind die ältesten erhaltenen Abbildungen der
betreffenden Stadtteile und Gebäude.

An zwei weitere große Vvgelschanansichten von 1595 und 1615 reihen
sich dann ein paar höchst interessante Prospekte von 1628, Nachbildungen von
Federzeichnungen des kurfürstlich sächsischen Landbaumeisters Dilich, die zu einer
großen Sammlung sächsischer Städteansichten gehören, welche Dilich nach der
Natur gezeichnet hatte, um darnach Wandgemälde in den kurfürstlichen
Schlössern auszuführen. Die Originale sind im Besitz der königlichen öffentlichen
Bibliothek in Dresden. Dann folgen eine Reihe Bclagernngsszeneu aus dem
dreißigjährigen Kriege und der erste Stadtplan von 1665 mit den im Laufe


<Lin topographischer Atlas von Leipzig

Die einzelnen Tafeln sind im Atlas natürlich nach der Zeitfolge geordnet.
Den Anfang macht die älteste Abbildung der Stadt, von der wir überhaupt
Kunde haben, der große Holzschnitt, der — aus der Vogelschau — die Be¬
lagerung Leipzigs im schmalkaldischen Kriege durch den Kurfürsten Johann
Friedrich im Jannnr 1547 zeigt. Das Bild wurde, wie sich urkundlich nach¬
weisen läßt, unmittelbar nach deu Ereignissen in Leipzig gezeichnet und in
Holz geschnitten. Das Original (47: 111 Cur.) ist schon im siebzehnten Jahr¬
hundert in Hortleders „Teutschen Krieg" stark verkleinert in einem Kupferstich
nachgebildet worden, der in antiquarischen Katalogen oft für ein Original aus¬
gegeben wird; von dem großen Holzschnitt weiß man gewöhnlich nichts,
da er im Handel nie vorkommt. Auch in neuerer Zeit ist er mehreremale,
ebenfalls stark verkleinert, nachgebildet worden. Eine Nachbildung von der
Größe wie in unserm Atlas ist aber noch nirgends geboten worden; sie vermag
das Original vollständig zu ersetzen. Das Bild ist, abgesehen von dem ge¬
schichtlichen Ereignis, das es illustrirt, auch als bloßes Stadtbild von un¬
schätzbarem Werte, denn es zeigt noch ganz das mittelalterliche Leipzig mit
seinen Mauern und Mauertürmen (dein Hcnkersturm, der Landskrvne u, f. w.),
mit dem alten kleinen Rathaus am Markte, das dann 1556 durch den Neubau
HieronvMns Lotters ersetzt wurde, mit der alten kleinen Pleißenburg, in der
1519 die Disputation zwischen Luther und Eck stattgefunden hatte, n. s. w.

Nicht minder wertvoll ist eine Reihe von vier Blättern aus den Jahren
1591 bis 1593, die ebenfalls geschichtlichen Ereignissen ihre Entstehung ver¬
danken: den Kämpfen gegen die Cnlviuisten in Sachsen. Das erste zeigt die
Verhaftung eines ealvinistischen Predigers der Thomaskirche und seine Ab¬
führung dnrch die Vnrggasse nach der Pleißenburg; das zweite den Vorgang,
wie der Turmknvpf der Nikolaikirche abgenommen wird, der in der That
damals, nachdem man ihn kurz zuvor erst neu aufgesetzt hatte, wieder herunter¬
geholt wurde, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, es lagen calvinistischc
Schriften darin; das dritte den Aufruhr gegen die Ccilvinisten im Mai 1593.
bei dem eilte Anzahl Calvinisteuhäuser zerstört und geplündert wurden; das
vierte die Hinrichtung der vier Rädelsführer dieses Aufruhrs auf dem Markt-
Platze. Auch diese vier Blätter sind die ältesten erhaltenen Abbildungen der
betreffenden Stadtteile und Gebäude.

An zwei weitere große Vvgelschanansichten von 1595 und 1615 reihen
sich dann ein paar höchst interessante Prospekte von 1628, Nachbildungen von
Federzeichnungen des kurfürstlich sächsischen Landbaumeisters Dilich, die zu einer
großen Sammlung sächsischer Städteansichten gehören, welche Dilich nach der
Natur gezeichnet hatte, um darnach Wandgemälde in den kurfürstlichen
Schlössern auszuführen. Die Originale sind im Besitz der königlichen öffentlichen
Bibliothek in Dresden. Dann folgen eine Reihe Bclagernngsszeneu aus dem
dreißigjährigen Kriege und der erste Stadtplan von 1665 mit den im Laufe


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[0227] <Lin topographischer Atlas von Leipzig Die einzelnen Tafeln sind im Atlas natürlich nach der Zeitfolge geordnet. Den Anfang macht die älteste Abbildung der Stadt, von der wir überhaupt Kunde haben, der große Holzschnitt, der — aus der Vogelschau — die Be¬ lagerung Leipzigs im schmalkaldischen Kriege durch den Kurfürsten Johann Friedrich im Jannnr 1547 zeigt. Das Bild wurde, wie sich urkundlich nach¬ weisen läßt, unmittelbar nach deu Ereignissen in Leipzig gezeichnet und in Holz geschnitten. Das Original (47: 111 Cur.) ist schon im siebzehnten Jahr¬ hundert in Hortleders „Teutschen Krieg" stark verkleinert in einem Kupferstich nachgebildet worden, der in antiquarischen Katalogen oft für ein Original aus¬ gegeben wird; von dem großen Holzschnitt weiß man gewöhnlich nichts, da er im Handel nie vorkommt. Auch in neuerer Zeit ist er mehreremale, ebenfalls stark verkleinert, nachgebildet worden. Eine Nachbildung von der Größe wie in unserm Atlas ist aber noch nirgends geboten worden; sie vermag das Original vollständig zu ersetzen. Das Bild ist, abgesehen von dem ge¬ schichtlichen Ereignis, das es illustrirt, auch als bloßes Stadtbild von un¬ schätzbarem Werte, denn es zeigt noch ganz das mittelalterliche Leipzig mit seinen Mauern und Mauertürmen (dein Hcnkersturm, der Landskrvne u, f. w.), mit dem alten kleinen Rathaus am Markte, das dann 1556 durch den Neubau HieronvMns Lotters ersetzt wurde, mit der alten kleinen Pleißenburg, in der 1519 die Disputation zwischen Luther und Eck stattgefunden hatte, n. s. w. Nicht minder wertvoll ist eine Reihe von vier Blättern aus den Jahren 1591 bis 1593, die ebenfalls geschichtlichen Ereignissen ihre Entstehung ver¬ danken: den Kämpfen gegen die Cnlviuisten in Sachsen. Das erste zeigt die Verhaftung eines ealvinistischen Predigers der Thomaskirche und seine Ab¬ führung dnrch die Vnrggasse nach der Pleißenburg; das zweite den Vorgang, wie der Turmknvpf der Nikolaikirche abgenommen wird, der in der That damals, nachdem man ihn kurz zuvor erst neu aufgesetzt hatte, wieder herunter¬ geholt wurde, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, es lagen calvinistischc Schriften darin; das dritte den Aufruhr gegen die Ccilvinisten im Mai 1593. bei dem eilte Anzahl Calvinisteuhäuser zerstört und geplündert wurden; das vierte die Hinrichtung der vier Rädelsführer dieses Aufruhrs auf dem Markt- Platze. Auch diese vier Blätter sind die ältesten erhaltenen Abbildungen der betreffenden Stadtteile und Gebäude. An zwei weitere große Vvgelschanansichten von 1595 und 1615 reihen sich dann ein paar höchst interessante Prospekte von 1628, Nachbildungen von Federzeichnungen des kurfürstlich sächsischen Landbaumeisters Dilich, die zu einer großen Sammlung sächsischer Städteansichten gehören, welche Dilich nach der Natur gezeichnet hatte, um darnach Wandgemälde in den kurfürstlichen Schlössern auszuführen. Die Originale sind im Besitz der königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden. Dann folgen eine Reihe Bclagernngsszeneu aus dem dreißigjährigen Kriege und der erste Stadtplan von 1665 mit den im Laufe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/227>, abgerufen am 23.07.2024.