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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die liirchenpolitik des Großen Aurfürsten

Voraussetzung für diese Eintracht keine volle Vereinigung in allen Lehren und
Glaubensartikeln, sondern weist auf den gemeinsamen Boden des Glaubens
hin, der es nicht nötig mache, "daß ein Theil den andern richtete, weniger
schmähete oder verdämmere." Er habe immer die Geistlichen beider Kon¬
sessionen zu dieser "liebreichen Verträglichkeit und in heiliger Schrift so hoch
rekommandirten Sanftmut" ermahnt, aber es könne "kein völliger Succeß
erwartet werden, im Fall nicht auch andre evangelische benachbarte Potentaten
ihren tllvologis ein Gleiches einschärften, insonderheit aber Ew. Liebden, als
welcher bekannter Respekten halber das größte Gewicht dazu zu geben
vermögen." Er fordert nun deu Kurfürsten von Sachsen auf, mit ein¬
zustehen gegen die äußerste Gefahr, "so uns von unsern gemeinen Feinden,
den Römisch - Katholischen bevorstehet," und weist hin auf den Charakter
der katholischen Religion, "an denen Orten, wo sie zuerst einbringet,
anfangs den Meister zu spielen und nachgehends alle, die sie als Ketzer
qualisiziren, herauszujagen und ohne Unterschied zu verfolgen." Das
werde durch unleugbare Proben, die er aufführt, "bestärket, dergestalt,
daß diejenigen, welche die Römischen anfangs zu karessiren geschienen, anders
nicht als des IIl^.8868 bcmoLouiiu, so ihm vom. I'ol^pluzmo offerirct ward,
nämlich (als) der letztere gefressen zu werden, davon tragen." Es läßt sich
nicht sagen, welche Bedeutung es für die christliche, vor allem für die deutsche
Welt gehabt Hütte, wem? das "freundvetterliche, sichere Vertrauen, welches
Friedrich Wilhelm hier zu Johann Georg so herzlich hegte und kundgab,
auch eine sichere Stätte gefunden hätte. Die fand es nicht, und wohl des¬
halb hat auch der Große Kurfürst seine Gegenmaßregeln nicht so zur
Ausführung gebracht, wie er es anfangs zu wollen schien. Aber bestärkt
wurde er durch das, was in Frankreich gegen die Evangelischen Unerhörtes
geschah -- und hinter Frankreich stand Rom --, in der Auffassung und Aus¬
übung seines Snmmepiskovats in allen seinen Besitzungen, und zwar über
Protestanten und Katholiken gleichmäßig, so weit es bei den Katholiken nicht
Sachen betraf, die int We"rin8 vonolavs gehören. Die Bestimmung des Grenz¬
gebietes, wo die innerkirchlichen Sachen, die 8xirit.uMg, und alles, was zum
oräo gehört, beginnen und wo sie endigen, die Festsetzung des ganzen zwischen
dein Staate und der Kirche streitigen Gebietes nahm er schlechterdings überall
in letzter Instanz für sich in Anspruch.

Die Kirchenpolitik dieses erleuchteten und starken Herrschers läßt sich also
in folgender Weise zusammenfassen: auf der einen Seite unbedingte Duldung für
jedes Neligionsbekenutnis, verbunden mit ehrlichen: Schutz, der jeder Glaubens¬
gemeinschaft gewährt wird, unter Festhaltung des protestantischen Charakters
seines Regiments, der allein solchen ehrlichen Schutz erlaubte-, sodann unbe¬
dingte Machtvollkommenheit des Staates gegenüber den Kirchen, soweit sie
als im Staate vorhandene öffentliche Korporationen dem öffentlichen Rechte


Die liirchenpolitik des Großen Aurfürsten

Voraussetzung für diese Eintracht keine volle Vereinigung in allen Lehren und
Glaubensartikeln, sondern weist auf den gemeinsamen Boden des Glaubens
hin, der es nicht nötig mache, „daß ein Theil den andern richtete, weniger
schmähete oder verdämmere." Er habe immer die Geistlichen beider Kon¬
sessionen zu dieser „liebreichen Verträglichkeit und in heiliger Schrift so hoch
rekommandirten Sanftmut" ermahnt, aber es könne „kein völliger Succeß
erwartet werden, im Fall nicht auch andre evangelische benachbarte Potentaten
ihren tllvologis ein Gleiches einschärften, insonderheit aber Ew. Liebden, als
welcher bekannter Respekten halber das größte Gewicht dazu zu geben
vermögen." Er fordert nun deu Kurfürsten von Sachsen auf, mit ein¬
zustehen gegen die äußerste Gefahr, „so uns von unsern gemeinen Feinden,
den Römisch - Katholischen bevorstehet," und weist hin auf den Charakter
der katholischen Religion, „an denen Orten, wo sie zuerst einbringet,
anfangs den Meister zu spielen und nachgehends alle, die sie als Ketzer
qualisiziren, herauszujagen und ohne Unterschied zu verfolgen." Das
werde durch unleugbare Proben, die er aufführt, „bestärket, dergestalt,
daß diejenigen, welche die Römischen anfangs zu karessiren geschienen, anders
nicht als des IIl^.8868 bcmoLouiiu, so ihm vom. I'ol^pluzmo offerirct ward,
nämlich (als) der letztere gefressen zu werden, davon tragen." Es läßt sich
nicht sagen, welche Bedeutung es für die christliche, vor allem für die deutsche
Welt gehabt Hütte, wem? das „freundvetterliche, sichere Vertrauen, welches
Friedrich Wilhelm hier zu Johann Georg so herzlich hegte und kundgab,
auch eine sichere Stätte gefunden hätte. Die fand es nicht, und wohl des¬
halb hat auch der Große Kurfürst seine Gegenmaßregeln nicht so zur
Ausführung gebracht, wie er es anfangs zu wollen schien. Aber bestärkt
wurde er durch das, was in Frankreich gegen die Evangelischen Unerhörtes
geschah — und hinter Frankreich stand Rom —, in der Auffassung und Aus¬
übung seines Snmmepiskovats in allen seinen Besitzungen, und zwar über
Protestanten und Katholiken gleichmäßig, so weit es bei den Katholiken nicht
Sachen betraf, die int We«rin8 vonolavs gehören. Die Bestimmung des Grenz¬
gebietes, wo die innerkirchlichen Sachen, die 8xirit.uMg, und alles, was zum
oräo gehört, beginnen und wo sie endigen, die Festsetzung des ganzen zwischen
dein Staate und der Kirche streitigen Gebietes nahm er schlechterdings überall
in letzter Instanz für sich in Anspruch.

Die Kirchenpolitik dieses erleuchteten und starken Herrschers läßt sich also
in folgender Weise zusammenfassen: auf der einen Seite unbedingte Duldung für
jedes Neligionsbekenutnis, verbunden mit ehrlichen: Schutz, der jeder Glaubens¬
gemeinschaft gewährt wird, unter Festhaltung des protestantischen Charakters
seines Regiments, der allein solchen ehrlichen Schutz erlaubte-, sodann unbe¬
dingte Machtvollkommenheit des Staates gegenüber den Kirchen, soweit sie
als im Staate vorhandene öffentliche Korporationen dem öffentlichen Rechte


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[0223] Die liirchenpolitik des Großen Aurfürsten Voraussetzung für diese Eintracht keine volle Vereinigung in allen Lehren und Glaubensartikeln, sondern weist auf den gemeinsamen Boden des Glaubens hin, der es nicht nötig mache, „daß ein Theil den andern richtete, weniger schmähete oder verdämmere." Er habe immer die Geistlichen beider Kon¬ sessionen zu dieser „liebreichen Verträglichkeit und in heiliger Schrift so hoch rekommandirten Sanftmut" ermahnt, aber es könne „kein völliger Succeß erwartet werden, im Fall nicht auch andre evangelische benachbarte Potentaten ihren tllvologis ein Gleiches einschärften, insonderheit aber Ew. Liebden, als welcher bekannter Respekten halber das größte Gewicht dazu zu geben vermögen." Er fordert nun deu Kurfürsten von Sachsen auf, mit ein¬ zustehen gegen die äußerste Gefahr, „so uns von unsern gemeinen Feinden, den Römisch - Katholischen bevorstehet," und weist hin auf den Charakter der katholischen Religion, „an denen Orten, wo sie zuerst einbringet, anfangs den Meister zu spielen und nachgehends alle, die sie als Ketzer qualisiziren, herauszujagen und ohne Unterschied zu verfolgen." Das werde durch unleugbare Proben, die er aufführt, „bestärket, dergestalt, daß diejenigen, welche die Römischen anfangs zu karessiren geschienen, anders nicht als des IIl^.8868 bcmoLouiiu, so ihm vom. I'ol^pluzmo offerirct ward, nämlich (als) der letztere gefressen zu werden, davon tragen." Es läßt sich nicht sagen, welche Bedeutung es für die christliche, vor allem für die deutsche Welt gehabt Hütte, wem? das „freundvetterliche, sichere Vertrauen, welches Friedrich Wilhelm hier zu Johann Georg so herzlich hegte und kundgab, auch eine sichere Stätte gefunden hätte. Die fand es nicht, und wohl des¬ halb hat auch der Große Kurfürst seine Gegenmaßregeln nicht so zur Ausführung gebracht, wie er es anfangs zu wollen schien. Aber bestärkt wurde er durch das, was in Frankreich gegen die Evangelischen Unerhörtes geschah — und hinter Frankreich stand Rom —, in der Auffassung und Aus¬ übung seines Snmmepiskovats in allen seinen Besitzungen, und zwar über Protestanten und Katholiken gleichmäßig, so weit es bei den Katholiken nicht Sachen betraf, die int We«rin8 vonolavs gehören. Die Bestimmung des Grenz¬ gebietes, wo die innerkirchlichen Sachen, die 8xirit.uMg, und alles, was zum oräo gehört, beginnen und wo sie endigen, die Festsetzung des ganzen zwischen dein Staate und der Kirche streitigen Gebietes nahm er schlechterdings überall in letzter Instanz für sich in Anspruch. Die Kirchenpolitik dieses erleuchteten und starken Herrschers läßt sich also in folgender Weise zusammenfassen: auf der einen Seite unbedingte Duldung für jedes Neligionsbekenutnis, verbunden mit ehrlichen: Schutz, der jeder Glaubens¬ gemeinschaft gewährt wird, unter Festhaltung des protestantischen Charakters seines Regiments, der allein solchen ehrlichen Schutz erlaubte-, sodann unbe¬ dingte Machtvollkommenheit des Staates gegenüber den Kirchen, soweit sie als im Staate vorhandene öffentliche Korporationen dem öffentlichen Rechte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/223>, abgerufen am 25.08.2024.