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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

sie auf die Friedhofsmauer setzten -- gegenüber solchem jesuitischen Fanatismus
war der Kurfürst ganz berechtigt, wenn er auch auf seinem Mnchtgebiet durch
Edikt vom 7. September 1661 beanspruchte, daß die katholische Geistlichkeit
auch in geistlichen Sachen (denn was gehört für den römischen Klerus nicht
alles unter die geistlichen Sachen"?) ihn als Ordinarius anzuerkennen
habe, und daß er die alte vorreformatorische Verordnung wieder aufleben ließ,
daß diejenigen Geistlichen, welche Dekrete auswärtiger Herrschaften (d. h. päpst¬
liche und erzbischöfliche) nachsuchen oder ausführen, mit Amtsentsetzung oder
mit Erkrankung in Säcken bedroht werden. Sie sollen gewärtig sein, daß sie
,,alsofort als Rebellen mit Steckung in die Säcke und Werfung auf das
Wasser audern zum abscheulichen Exempel beleget und aus dem Wege geräumet
werden sollen." Als dem fanatischen Wolfgang Wilhelm der fanatischere
Philipp Wilhelm 1663 in der Pfalzgrafenwürde gefolgt war und alle Evan¬
gelischen, die sich nach dein Jahre 1650 in Düsseldorf niedergelassen hatten,
von da vertrieb, antwortete der Kurfürst mit Ausweisung der Kapuziner aus
Kleve, einer Maßregel, die er "ein von Mir wider Willen zur Hand genommenes
Gegenmittel" nennt. Anderseits macht er seinem Statthalter zur Pflicht, be¬
gründeten Beschwerden der katholischen Geistlichkeit abzuhelfen; denn er wolle
nicht jemanden "i'ösxLvw r6ki"'louis in einigem Wege widerrechtlich beschweren."
Er ließ also in seinem Machtbereich die römischen Geistlichen bei ihren her¬
gebrachten Zeremonien, Statuten und Ordnungen, hinderte sie auch nicht am
Besuch ihrer Konvente innerhalb seiner Lande; auswärtige Konvente aber
wollte er nur mit Bewilligung seiner Negierung von ihnen besucht haben.
Auch die Visitation von Klöstern und Kirchen sollte nnr im Beisein eines kur¬
fürstlichen Abgeordneten geschehen, damit nichts vorgenommen würde, was der
landesfürstlichen Jurisdiktion und Hoheit nachteilig sei. Denn auch die geist¬
liche Jurisdiktion (Rechtsprechung über die Geistlichen durch Geistliche) werde
mir ,,allein durch freiwillige Permissivn aus habender landesfürstlicher Macht
prseario xvr psrMiuis 6ve.is8M8ti<ZÄS verübet." Nur wenn bei diesen Visitationen
die L0N8UI-A so"zlWiÄ8t,i<zg, (Lehre und geistlichen Wandel betreffend) vorge¬
nommen würden, solle sich der kurfürstliche Abgeordnete abseutiren. Später
wurde festgestellt, daß, wenn die Visitation von einheimischen Geistlichen vor¬
genommen würde, dann die Beaufsichtigung wegfallen sollte, jedoch sollten sie
sich auch dann nicht "in die dem Landesfürsten zustehenden Mi-isclivt.i0ng.kia
einmischen." Das Aufsichtsrecht des Staates galt auch in diesem Falle als
selbstverständlich, wie in allen andern, wo es darauf ankam, die Unterthanen
gegen klerikale Vergewaltigung zu schützen, durch die das friedliche Zusammen¬
leben zwischen Protestanten und Katholiken gestört würde. Wenn dieser Friede,
was damals gerade so gut wie heute vorkam, von der katholischen Geistlichkeit
oder den Mönchen gestört wurde, so befahl er, "diese, je nachdem sie aus
unbesonnenen Religionseifer oder aus bösem Vorsatz gehandelt haben, anzusehen


Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

sie auf die Friedhofsmauer setzten — gegenüber solchem jesuitischen Fanatismus
war der Kurfürst ganz berechtigt, wenn er auch auf seinem Mnchtgebiet durch
Edikt vom 7. September 1661 beanspruchte, daß die katholische Geistlichkeit
auch in geistlichen Sachen (denn was gehört für den römischen Klerus nicht
alles unter die geistlichen Sachen"?) ihn als Ordinarius anzuerkennen
habe, und daß er die alte vorreformatorische Verordnung wieder aufleben ließ,
daß diejenigen Geistlichen, welche Dekrete auswärtiger Herrschaften (d. h. päpst¬
liche und erzbischöfliche) nachsuchen oder ausführen, mit Amtsentsetzung oder
mit Erkrankung in Säcken bedroht werden. Sie sollen gewärtig sein, daß sie
,,alsofort als Rebellen mit Steckung in die Säcke und Werfung auf das
Wasser audern zum abscheulichen Exempel beleget und aus dem Wege geräumet
werden sollen." Als dem fanatischen Wolfgang Wilhelm der fanatischere
Philipp Wilhelm 1663 in der Pfalzgrafenwürde gefolgt war und alle Evan¬
gelischen, die sich nach dein Jahre 1650 in Düsseldorf niedergelassen hatten,
von da vertrieb, antwortete der Kurfürst mit Ausweisung der Kapuziner aus
Kleve, einer Maßregel, die er „ein von Mir wider Willen zur Hand genommenes
Gegenmittel" nennt. Anderseits macht er seinem Statthalter zur Pflicht, be¬
gründeten Beschwerden der katholischen Geistlichkeit abzuhelfen; denn er wolle
nicht jemanden „i'ösxLvw r6ki«'louis in einigem Wege widerrechtlich beschweren."
Er ließ also in seinem Machtbereich die römischen Geistlichen bei ihren her¬
gebrachten Zeremonien, Statuten und Ordnungen, hinderte sie auch nicht am
Besuch ihrer Konvente innerhalb seiner Lande; auswärtige Konvente aber
wollte er nur mit Bewilligung seiner Negierung von ihnen besucht haben.
Auch die Visitation von Klöstern und Kirchen sollte nnr im Beisein eines kur¬
fürstlichen Abgeordneten geschehen, damit nichts vorgenommen würde, was der
landesfürstlichen Jurisdiktion und Hoheit nachteilig sei. Denn auch die geist¬
liche Jurisdiktion (Rechtsprechung über die Geistlichen durch Geistliche) werde
mir ,,allein durch freiwillige Permissivn aus habender landesfürstlicher Macht
prseario xvr psrMiuis 6ve.is8M8ti<ZÄS verübet." Nur wenn bei diesen Visitationen
die L0N8UI-A so«zlWiÄ8t,i<zg, (Lehre und geistlichen Wandel betreffend) vorge¬
nommen würden, solle sich der kurfürstliche Abgeordnete abseutiren. Später
wurde festgestellt, daß, wenn die Visitation von einheimischen Geistlichen vor¬
genommen würde, dann die Beaufsichtigung wegfallen sollte, jedoch sollten sie
sich auch dann nicht „in die dem Landesfürsten zustehenden Mi-isclivt.i0ng.kia
einmischen." Das Aufsichtsrecht des Staates galt auch in diesem Falle als
selbstverständlich, wie in allen andern, wo es darauf ankam, die Unterthanen
gegen klerikale Vergewaltigung zu schützen, durch die das friedliche Zusammen¬
leben zwischen Protestanten und Katholiken gestört würde. Wenn dieser Friede,
was damals gerade so gut wie heute vorkam, von der katholischen Geistlichkeit
oder den Mönchen gestört wurde, so befahl er, „diese, je nachdem sie aus
unbesonnenen Religionseifer oder aus bösem Vorsatz gehandelt haben, anzusehen


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[0219] Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten sie auf die Friedhofsmauer setzten — gegenüber solchem jesuitischen Fanatismus war der Kurfürst ganz berechtigt, wenn er auch auf seinem Mnchtgebiet durch Edikt vom 7. September 1661 beanspruchte, daß die katholische Geistlichkeit auch in geistlichen Sachen (denn was gehört für den römischen Klerus nicht alles unter die geistlichen Sachen"?) ihn als Ordinarius anzuerkennen habe, und daß er die alte vorreformatorische Verordnung wieder aufleben ließ, daß diejenigen Geistlichen, welche Dekrete auswärtiger Herrschaften (d. h. päpst¬ liche und erzbischöfliche) nachsuchen oder ausführen, mit Amtsentsetzung oder mit Erkrankung in Säcken bedroht werden. Sie sollen gewärtig sein, daß sie ,,alsofort als Rebellen mit Steckung in die Säcke und Werfung auf das Wasser audern zum abscheulichen Exempel beleget und aus dem Wege geräumet werden sollen." Als dem fanatischen Wolfgang Wilhelm der fanatischere Philipp Wilhelm 1663 in der Pfalzgrafenwürde gefolgt war und alle Evan¬ gelischen, die sich nach dein Jahre 1650 in Düsseldorf niedergelassen hatten, von da vertrieb, antwortete der Kurfürst mit Ausweisung der Kapuziner aus Kleve, einer Maßregel, die er „ein von Mir wider Willen zur Hand genommenes Gegenmittel" nennt. Anderseits macht er seinem Statthalter zur Pflicht, be¬ gründeten Beschwerden der katholischen Geistlichkeit abzuhelfen; denn er wolle nicht jemanden „i'ösxLvw r6ki«'louis in einigem Wege widerrechtlich beschweren." Er ließ also in seinem Machtbereich die römischen Geistlichen bei ihren her¬ gebrachten Zeremonien, Statuten und Ordnungen, hinderte sie auch nicht am Besuch ihrer Konvente innerhalb seiner Lande; auswärtige Konvente aber wollte er nur mit Bewilligung seiner Negierung von ihnen besucht haben. Auch die Visitation von Klöstern und Kirchen sollte nnr im Beisein eines kur¬ fürstlichen Abgeordneten geschehen, damit nichts vorgenommen würde, was der landesfürstlichen Jurisdiktion und Hoheit nachteilig sei. Denn auch die geist¬ liche Jurisdiktion (Rechtsprechung über die Geistlichen durch Geistliche) werde mir ,,allein durch freiwillige Permissivn aus habender landesfürstlicher Macht prseario xvr psrMiuis 6ve.is8M8ti<ZÄS verübet." Nur wenn bei diesen Visitationen die L0N8UI-A so«zlWiÄ8t,i<zg, (Lehre und geistlichen Wandel betreffend) vorge¬ nommen würden, solle sich der kurfürstliche Abgeordnete abseutiren. Später wurde festgestellt, daß, wenn die Visitation von einheimischen Geistlichen vor¬ genommen würde, dann die Beaufsichtigung wegfallen sollte, jedoch sollten sie sich auch dann nicht „in die dem Landesfürsten zustehenden Mi-isclivt.i0ng.kia einmischen." Das Aufsichtsrecht des Staates galt auch in diesem Falle als selbstverständlich, wie in allen andern, wo es darauf ankam, die Unterthanen gegen klerikale Vergewaltigung zu schützen, durch die das friedliche Zusammen¬ leben zwischen Protestanten und Katholiken gestört würde. Wenn dieser Friede, was damals gerade so gut wie heute vorkam, von der katholischen Geistlichkeit oder den Mönchen gestört wurde, so befahl er, „diese, je nachdem sie aus unbesonnenen Religionseifer oder aus bösem Vorsatz gehandelt haben, anzusehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/219>, abgerufen am 23.07.2024.