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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

Wünschte er in seinem politischen Testament vom Jahre 1667, daß in seinen
rein evangelischen Provinzen "solche Abgötterei und Greuel (römisch-katholische
Religionsübung) von den Nachkommen niemals möge gesehen werden." Er
schreibt: "Einem Katholischen sich auch zu vertrauen ist nimmermehr ratsam;
denn sie selber in öffentlichen Schriften gesetzet haben, daß den Ketzern, wie
sie uns nennen, kein Glaube zu halten sei. Weil sie nun vermeinen, daß sie
uns keinen Glauben zu halte" schuldig sein, wie können wir denn solchen
Leuten trauen, die uns keine Treue zu halten vermeinen schuldig zu sein."
Und dennoch, so tief die Anhänglichkeit an sein reformirtes Bekenntnis bei
ihm wurzelte, und so mächtig die ganze Zeit die Evangelischen zum gemein¬
samen Kampf gegen die Papisten aufzurufen schien, wenn Pufendorf schreibt:
"Wie es beim Kurfürsten feststand, seinen Unterthnneu, ohne einen Unterschied
der Religion halber zu machen, mit gleicher Huld zu begegnen, so konnte er
es nicht ertragen, daß irgend einer allein wegen seiner Religionsübung unter¬
drückt werde," so galt dieser Grundsatz dem Kurfürsten auch deu Katholiken
gegenüber. Was die pu-w einem jeden gönnen, das soll treu gehalten iverdeu,
"dabei muß mau die Katholischen schützen." In dem Entwürfe "zur Erwer¬
bung Schlesiens" wird verlangt, daß den Katholischen von vornherein ver¬
sprochen werde, sie bei ihrer Religion frei zu lassen. Es ist eben in diesem
großen Herrscher eine ganz moderne Anschauung, wie sie uns sonst keine
Herrschergestalt aus jener Zeit bietet. Wie er sieht, daß das Wohl seines
Landes das Bündnis mit Schweden aufzugeben und sich an Polen anzuschließen
erfordert, thut er es auch auf die Gefahr hin, daß allzu eifrige Glaubens¬
genossen an ihm irre werden und wie Cromwell meinen, er stehe in Gefahr,
sich dein Papsttum zu ergeben. Davon war aber der glaubensstarke Mann
so weit entfernt, daß er den Polen, die ihn nnter der Bedingung des Über¬
trittes zur katholischen Kirche im Jahre 1668 zum König wühlen wollten, zur
Antwort gab, unter dieser Bedingung wolle er nicht einmal die Kaiserkrone,
no 1i.onmng.in iMcleun. uoroouur, die Polen würden selbst keine Achtung vor
ihm haben, wenn er Gott nicht die Treue hielte und den Vorteil über das
gute Gewissen setze, si Dvv lulvin Jana 8prot>L8S g>o öiuvluuumtum u,mes von-
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wiederholte, eine Krone sei wohl einer Messe wert, antwortete er: "Meine
Religion, darin ich meiner Seligkeit versichert bin, um einer Krone willen zu
verlassen, werde ich in Ewigkeit nicht thun." Wenige Jahrzehnte später dachte
eiir andrer Kurfürst des deutschen Reiches anders und gab sein Erstlingsrecht
als Schutzherr der evangelischen Kirche für den Flitterstaat der polnischen
Krone mit leichtem Herzen und ohne alle Rücksicht auf seine durchweg pro¬
testantischen deutschen Lande dahin.

Wenn aber Friedrich Wilhelm auch deu Katholiken Duldung gewährte,
wie er es that, so war es nicht, weil sein Protestantisches Herz aufgehört hätte,


Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

Wünschte er in seinem politischen Testament vom Jahre 1667, daß in seinen
rein evangelischen Provinzen „solche Abgötterei und Greuel (römisch-katholische
Religionsübung) von den Nachkommen niemals möge gesehen werden." Er
schreibt: „Einem Katholischen sich auch zu vertrauen ist nimmermehr ratsam;
denn sie selber in öffentlichen Schriften gesetzet haben, daß den Ketzern, wie
sie uns nennen, kein Glaube zu halten sei. Weil sie nun vermeinen, daß sie
uns keinen Glauben zu halte» schuldig sein, wie können wir denn solchen
Leuten trauen, die uns keine Treue zu halten vermeinen schuldig zu sein."
Und dennoch, so tief die Anhänglichkeit an sein reformirtes Bekenntnis bei
ihm wurzelte, und so mächtig die ganze Zeit die Evangelischen zum gemein¬
samen Kampf gegen die Papisten aufzurufen schien, wenn Pufendorf schreibt:
„Wie es beim Kurfürsten feststand, seinen Unterthnneu, ohne einen Unterschied
der Religion halber zu machen, mit gleicher Huld zu begegnen, so konnte er
es nicht ertragen, daß irgend einer allein wegen seiner Religionsübung unter¬
drückt werde," so galt dieser Grundsatz dem Kurfürsten auch deu Katholiken
gegenüber. Was die pu-w einem jeden gönnen, das soll treu gehalten iverdeu,
„dabei muß mau die Katholischen schützen." In dem Entwürfe „zur Erwer¬
bung Schlesiens" wird verlangt, daß den Katholischen von vornherein ver¬
sprochen werde, sie bei ihrer Religion frei zu lassen. Es ist eben in diesem
großen Herrscher eine ganz moderne Anschauung, wie sie uns sonst keine
Herrschergestalt aus jener Zeit bietet. Wie er sieht, daß das Wohl seines
Landes das Bündnis mit Schweden aufzugeben und sich an Polen anzuschließen
erfordert, thut er es auch auf die Gefahr hin, daß allzu eifrige Glaubens¬
genossen an ihm irre werden und wie Cromwell meinen, er stehe in Gefahr,
sich dein Papsttum zu ergeben. Davon war aber der glaubensstarke Mann
so weit entfernt, daß er den Polen, die ihn nnter der Bedingung des Über¬
trittes zur katholischen Kirche im Jahre 1668 zum König wühlen wollten, zur
Antwort gab, unter dieser Bedingung wolle er nicht einmal die Kaiserkrone,
no 1i.onmng.in iMcleun. uoroouur, die Polen würden selbst keine Achtung vor
ihm haben, wenn er Gott nicht die Treue hielte und den Vorteil über das
gute Gewissen setze, si Dvv lulvin Jana 8prot>L8S g>o öiuvluuumtum u,mes von-
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wiederholte, eine Krone sei wohl einer Messe wert, antwortete er: „Meine
Religion, darin ich meiner Seligkeit versichert bin, um einer Krone willen zu
verlassen, werde ich in Ewigkeit nicht thun." Wenige Jahrzehnte später dachte
eiir andrer Kurfürst des deutschen Reiches anders und gab sein Erstlingsrecht
als Schutzherr der evangelischen Kirche für den Flitterstaat der polnischen
Krone mit leichtem Herzen und ohne alle Rücksicht auf seine durchweg pro¬
testantischen deutschen Lande dahin.

Wenn aber Friedrich Wilhelm auch deu Katholiken Duldung gewährte,
wie er es that, so war es nicht, weil sein Protestantisches Herz aufgehört hätte,


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[0214] Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten Wünschte er in seinem politischen Testament vom Jahre 1667, daß in seinen rein evangelischen Provinzen „solche Abgötterei und Greuel (römisch-katholische Religionsübung) von den Nachkommen niemals möge gesehen werden." Er schreibt: „Einem Katholischen sich auch zu vertrauen ist nimmermehr ratsam; denn sie selber in öffentlichen Schriften gesetzet haben, daß den Ketzern, wie sie uns nennen, kein Glaube zu halten sei. Weil sie nun vermeinen, daß sie uns keinen Glauben zu halte» schuldig sein, wie können wir denn solchen Leuten trauen, die uns keine Treue zu halten vermeinen schuldig zu sein." Und dennoch, so tief die Anhänglichkeit an sein reformirtes Bekenntnis bei ihm wurzelte, und so mächtig die ganze Zeit die Evangelischen zum gemein¬ samen Kampf gegen die Papisten aufzurufen schien, wenn Pufendorf schreibt: „Wie es beim Kurfürsten feststand, seinen Unterthnneu, ohne einen Unterschied der Religion halber zu machen, mit gleicher Huld zu begegnen, so konnte er es nicht ertragen, daß irgend einer allein wegen seiner Religionsübung unter¬ drückt werde," so galt dieser Grundsatz dem Kurfürsten auch deu Katholiken gegenüber. Was die pu-w einem jeden gönnen, das soll treu gehalten iverdeu, „dabei muß mau die Katholischen schützen." In dem Entwürfe „zur Erwer¬ bung Schlesiens" wird verlangt, daß den Katholischen von vornherein ver¬ sprochen werde, sie bei ihrer Religion frei zu lassen. Es ist eben in diesem großen Herrscher eine ganz moderne Anschauung, wie sie uns sonst keine Herrschergestalt aus jener Zeit bietet. Wie er sieht, daß das Wohl seines Landes das Bündnis mit Schweden aufzugeben und sich an Polen anzuschließen erfordert, thut er es auch auf die Gefahr hin, daß allzu eifrige Glaubens¬ genossen an ihm irre werden und wie Cromwell meinen, er stehe in Gefahr, sich dein Papsttum zu ergeben. Davon war aber der glaubensstarke Mann so weit entfernt, daß er den Polen, die ihn nnter der Bedingung des Über¬ trittes zur katholischen Kirche im Jahre 1668 zum König wühlen wollten, zur Antwort gab, unter dieser Bedingung wolle er nicht einmal die Kaiserkrone, no 1i.onmng.in iMcleun. uoroouur, die Polen würden selbst keine Achtung vor ihm haben, wenn er Gott nicht die Treue hielte und den Vorteil über das gute Gewissen setze, si Dvv lulvin Jana 8prot>L8S g>o öiuvluuumtum u,mes von- 8Li<zutiÄ.in liaduissö -u'Z'emol'. Und als man ihm das Wort Heinrichs IV. wiederholte, eine Krone sei wohl einer Messe wert, antwortete er: „Meine Religion, darin ich meiner Seligkeit versichert bin, um einer Krone willen zu verlassen, werde ich in Ewigkeit nicht thun." Wenige Jahrzehnte später dachte eiir andrer Kurfürst des deutschen Reiches anders und gab sein Erstlingsrecht als Schutzherr der evangelischen Kirche für den Flitterstaat der polnischen Krone mit leichtem Herzen und ohne alle Rücksicht auf seine durchweg pro¬ testantischen deutschen Lande dahin. Wenn aber Friedrich Wilhelm auch deu Katholiken Duldung gewährte, wie er es that, so war es nicht, weil sein Protestantisches Herz aufgehört hätte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/214>, abgerufen am 23.07.2024.