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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Uirchenpolitik des Großen Kurfürsten

Unterthanen zu kämpfen hatte, nie den gemeinsamen Boden verkannte, ans dein
die beiden großen evangelischen Bekenntnisse standen. Nichts lag ihm darum
mehr am Herzen, als beide Kirchen, die reformirte und die lutherische, als
von gleichem Wert und mit gleichem Recht anerkannt zu sehen. Seine In¬
struktion an die Fricdensgesaudten nach Osnabrück lautete dahin, daß sie darauf
sehen sollten, daß im Friedeusinstrument "aller Unterschied zwischen deu Luthe¬
rischen und Reformirten aufgehoben und ein für allemal deklarirt werde, daß
man in allen Punkten und Klauseln, die Religion anreichend, die Reformirten
unter dem Namen der Augsburgischen Konfessivnsverwandten verstanden haben
wolle," was denn auch durchgesetzt wurde. "Es war der erste Schritt--sagt
Max Lehmmin -- zur Union der beiden großen evangelischen Bekenntnisse."
Und so großen Wert legte er auf diese Konfessionsverwandtschaft, daß er sich
nicht nnr ausdrücklich zur Augustana und zur Apologie bekannte, sondern daß
er auch in seinem Testamente vom Jahre 1655 und in allen deu folgenden,
die er im Laufe der Jahre noch festsetzte, die Bestimmung ausnahm, daß seine
Erben und Nachfolger verbunden sein sollten, "von nun an bis zu ewigen
Tage" die Evangelischen sowohl reformirter als der also genannter lutherischer
Religion, bei dein freien Exereitio ihres Gottesdienstes, auch dem Genuß und
Besitz aller Kirchen und Schulen, Renten, Hebungen in allen und jeden
unsern Landen und Herrschaften ungehindert und nngesperrt zu manu-
teniren und zu schützen." Und so machte er denn nicht bloß in seinem landes¬
herrlichen Verhalten gegen die Angehörigen beider Bekenntnisse keinen Unter¬
schied, sondern anch in seiner auswärtigen Neligionspolitik trat er mit ganz
gleicher Energie für beide verwandte Bekenntnisse so entschieden ein, als ob er,
wie Ludwig XIV. sagte, "sich vor deu Augen von ganz Enropn als Protektor
der Evangelischen aufstellen wolle." Den Ruhm, Beschützer des Protestan¬
tismus zu sein, nahm er um so lieber vor jedem andern in Anspruch, als er
dabei sichere Erfolge erwarten durfte. Denn gegen unsichere, vermessene Unter¬
fangen war er bei allem Hochsinn doch durch einen kühlen, die Kräfte wägenden
Verstand behütet. Als Cromwell von ihm verlangte, darnach zu streben, daß
die .Kaiserkrone an ein andres Fürstenhaus käme, das den Protestanten einen
Schirmherrn ihrer Religion böte, lehnte er dieses verlockende Verlangen des
starren Puritaners ab. Das sei, meinte er, uicht Sache der Entscheidung
einer Kirche; nach deu im Reiche geltenden Grundgesetzen müsse man als
rechtlich beschlossen hinnehmen, was die Mehrheit der Kurfürsten für das ge¬
meine Wohl festsetze. Es sei im Interesse der Protestanten, lieber sichere, als
glänzende Pläne zu verfolgen, xotius, cjug.in 8p6<zi0sa LLtsui vousilig., und
nur das zu erstreben, "was die Verträge und die Heiligkeit der Eide nicht
verletze." Aus diesen Worten sehen wir, daß konfessionelle Rücksichten nicht
der letzte Beweggrund waren, der sein Handeln bestimmte. Freilich hatte er
persönlich eine so starke Abneigung gegen den Papismus, wie Cromwell; auch


Die Uirchenpolitik des Großen Kurfürsten

Unterthanen zu kämpfen hatte, nie den gemeinsamen Boden verkannte, ans dein
die beiden großen evangelischen Bekenntnisse standen. Nichts lag ihm darum
mehr am Herzen, als beide Kirchen, die reformirte und die lutherische, als
von gleichem Wert und mit gleichem Recht anerkannt zu sehen. Seine In¬
struktion an die Fricdensgesaudten nach Osnabrück lautete dahin, daß sie darauf
sehen sollten, daß im Friedeusinstrument „aller Unterschied zwischen deu Luthe¬
rischen und Reformirten aufgehoben und ein für allemal deklarirt werde, daß
man in allen Punkten und Klauseln, die Religion anreichend, die Reformirten
unter dem Namen der Augsburgischen Konfessivnsverwandten verstanden haben
wolle," was denn auch durchgesetzt wurde. „Es war der erste Schritt—sagt
Max Lehmmin — zur Union der beiden großen evangelischen Bekenntnisse."
Und so großen Wert legte er auf diese Konfessionsverwandtschaft, daß er sich
nicht nnr ausdrücklich zur Augustana und zur Apologie bekannte, sondern daß
er auch in seinem Testamente vom Jahre 1655 und in allen deu folgenden,
die er im Laufe der Jahre noch festsetzte, die Bestimmung ausnahm, daß seine
Erben und Nachfolger verbunden sein sollten, „von nun an bis zu ewigen
Tage» die Evangelischen sowohl reformirter als der also genannter lutherischer
Religion, bei dein freien Exereitio ihres Gottesdienstes, auch dem Genuß und
Besitz aller Kirchen und Schulen, Renten, Hebungen in allen und jeden
unsern Landen und Herrschaften ungehindert und nngesperrt zu manu-
teniren und zu schützen." Und so machte er denn nicht bloß in seinem landes¬
herrlichen Verhalten gegen die Angehörigen beider Bekenntnisse keinen Unter¬
schied, sondern anch in seiner auswärtigen Neligionspolitik trat er mit ganz
gleicher Energie für beide verwandte Bekenntnisse so entschieden ein, als ob er,
wie Ludwig XIV. sagte, „sich vor deu Augen von ganz Enropn als Protektor
der Evangelischen aufstellen wolle." Den Ruhm, Beschützer des Protestan¬
tismus zu sein, nahm er um so lieber vor jedem andern in Anspruch, als er
dabei sichere Erfolge erwarten durfte. Denn gegen unsichere, vermessene Unter¬
fangen war er bei allem Hochsinn doch durch einen kühlen, die Kräfte wägenden
Verstand behütet. Als Cromwell von ihm verlangte, darnach zu streben, daß
die .Kaiserkrone an ein andres Fürstenhaus käme, das den Protestanten einen
Schirmherrn ihrer Religion böte, lehnte er dieses verlockende Verlangen des
starren Puritaners ab. Das sei, meinte er, uicht Sache der Entscheidung
einer Kirche; nach deu im Reiche geltenden Grundgesetzen müsse man als
rechtlich beschlossen hinnehmen, was die Mehrheit der Kurfürsten für das ge¬
meine Wohl festsetze. Es sei im Interesse der Protestanten, lieber sichere, als
glänzende Pläne zu verfolgen, xotius, cjug.in 8p6<zi0sa LLtsui vousilig., und
nur das zu erstreben, „was die Verträge und die Heiligkeit der Eide nicht
verletze." Aus diesen Worten sehen wir, daß konfessionelle Rücksichten nicht
der letzte Beweggrund waren, der sein Handeln bestimmte. Freilich hatte er
persönlich eine so starke Abneigung gegen den Papismus, wie Cromwell; auch


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[0213] Die Uirchenpolitik des Großen Kurfürsten Unterthanen zu kämpfen hatte, nie den gemeinsamen Boden verkannte, ans dein die beiden großen evangelischen Bekenntnisse standen. Nichts lag ihm darum mehr am Herzen, als beide Kirchen, die reformirte und die lutherische, als von gleichem Wert und mit gleichem Recht anerkannt zu sehen. Seine In¬ struktion an die Fricdensgesaudten nach Osnabrück lautete dahin, daß sie darauf sehen sollten, daß im Friedeusinstrument „aller Unterschied zwischen deu Luthe¬ rischen und Reformirten aufgehoben und ein für allemal deklarirt werde, daß man in allen Punkten und Klauseln, die Religion anreichend, die Reformirten unter dem Namen der Augsburgischen Konfessivnsverwandten verstanden haben wolle," was denn auch durchgesetzt wurde. „Es war der erste Schritt—sagt Max Lehmmin — zur Union der beiden großen evangelischen Bekenntnisse." Und so großen Wert legte er auf diese Konfessionsverwandtschaft, daß er sich nicht nnr ausdrücklich zur Augustana und zur Apologie bekannte, sondern daß er auch in seinem Testamente vom Jahre 1655 und in allen deu folgenden, die er im Laufe der Jahre noch festsetzte, die Bestimmung ausnahm, daß seine Erben und Nachfolger verbunden sein sollten, „von nun an bis zu ewigen Tage» die Evangelischen sowohl reformirter als der also genannter lutherischer Religion, bei dein freien Exereitio ihres Gottesdienstes, auch dem Genuß und Besitz aller Kirchen und Schulen, Renten, Hebungen in allen und jeden unsern Landen und Herrschaften ungehindert und nngesperrt zu manu- teniren und zu schützen." Und so machte er denn nicht bloß in seinem landes¬ herrlichen Verhalten gegen die Angehörigen beider Bekenntnisse keinen Unter¬ schied, sondern anch in seiner auswärtigen Neligionspolitik trat er mit ganz gleicher Energie für beide verwandte Bekenntnisse so entschieden ein, als ob er, wie Ludwig XIV. sagte, „sich vor deu Augen von ganz Enropn als Protektor der Evangelischen aufstellen wolle." Den Ruhm, Beschützer des Protestan¬ tismus zu sein, nahm er um so lieber vor jedem andern in Anspruch, als er dabei sichere Erfolge erwarten durfte. Denn gegen unsichere, vermessene Unter¬ fangen war er bei allem Hochsinn doch durch einen kühlen, die Kräfte wägenden Verstand behütet. Als Cromwell von ihm verlangte, darnach zu streben, daß die .Kaiserkrone an ein andres Fürstenhaus käme, das den Protestanten einen Schirmherrn ihrer Religion böte, lehnte er dieses verlockende Verlangen des starren Puritaners ab. Das sei, meinte er, uicht Sache der Entscheidung einer Kirche; nach deu im Reiche geltenden Grundgesetzen müsse man als rechtlich beschlossen hinnehmen, was die Mehrheit der Kurfürsten für das ge¬ meine Wohl festsetze. Es sei im Interesse der Protestanten, lieber sichere, als glänzende Pläne zu verfolgen, xotius, cjug.in 8p6<zi0sa LLtsui vousilig., und nur das zu erstreben, „was die Verträge und die Heiligkeit der Eide nicht verletze." Aus diesen Worten sehen wir, daß konfessionelle Rücksichten nicht der letzte Beweggrund waren, der sein Handeln bestimmte. Freilich hatte er persönlich eine so starke Abneigung gegen den Papismus, wie Cromwell; auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/213>, abgerufen am 25.08.2024.