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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Airchenpolitik dos Großen Kurfürsten

c>in schärfsten von allen der Kurfürst Albrecht Achilles, der mit fester Hemd
die Grenzlinien zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt zog, so weit es die
Einsicht jenes Zeitalters gestattete. Er wußte, daß das ?rin<ziviiK odst-i
nirgends mehr zu beachten sei, als gegenüber der geistlichen Gewalt. "Sie
würden uns bald gedielten, daß all unser Obrikeit Jr were (ihnen wäre);
darumb dem gemeinen Sprichworte nach: prinoipiis od8w." Seine Stellung
zum Klerus, den er zwang, in weltlichen Dingen auch der weltlichen Obrigkeit
zu gehorchen, zeigt von der höchsten staatsmännischen Begabung dieses kraft¬
vollen Fürsten. "Man muß -- schreibt er -- die Pfaffen penntig machen
(bändigen), es geschehe durch Lieb oder durch Leid; sie wurden sunst zu hals-
starck." Als er durch sein kühnes Auftreten über sich den Varu und über
sein Land das Interdikt herbeigezogen hatte, antwortete er seinem Amtmanne
Heinrich von Aufseß, auf dessen Klage, daß die Geistlichen nicht begraben lassen
wollten: "Mau muß sich des Teufels weren mit dem heiligen Kreuze. Wie
that Sebastian v. Seckendorf, da ein Sterb war zu Kulmbach und der Bischof
Interdikt einlegte? Er ließ die Toten dem Pfarrherrn ins Haus tragen.
Wollte er den Gestank nit leiden, und die nachfolgende Besorgnis, so mußte
er sie wohl begraben lassen." Aber für eine sichere Abgrenzung beider,
der staatlichen und der kirchlichen Kompetenz, war die Zeit doch noch nicht
da. Derselbe Kurfürst, der ungehorsamen Geistlichen die Zehnten entzog, und
den, weil er seine Geistlichen wie jeden andern Unterthan besteuern wollte, eine
Schmähschrift einen Sohn des Teufels, Vorläufer des Antichrists und andern
Pharao nannte, "der da verfolgt das Volk Gottes." derselbe Kurfürst trat
auch wieder 1461 für den Papst gegen Friedrich von der Pfalz, den Führer
der Opposition, in die Schranken, ließ sich die Besoldung der Weltgeistlichen
angelegen sein und schob, als er zum erstenmale wieder in seine fränkische
Heimat ziehen wollte, die Reise auf, "weil wir selbst zu voran mit XXX oder
XL pferrdt zum heiligen Blut (nach Wilsnack) wallen wollen." Erst die
Reformation konnte die Grenzen zwischen staatlicher und kirchlicher Macht
genauer ziehen, nachdem sie einerseits den Begriff der Kirche dahin festgestellt
hatte, daß sie sei "die Gemeinschaft der Gläubigen, in welcher das Evangelium
recht gelehrt und die Sakramente recht verwaltet werden," anderseits den Staat
mit allem weltlichen Regiment und mit allen seinen weltlichen Ordnungen
selbst als vorm oxsra ohl anerkennt: 6s rgdus civilibus ctoesnt, privat Is^
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Kirche, durch den sich die Hohenzollern das Bistum thatsächlich schon
vor der Reformation in weltlichen Dingen so weit zu unterwerfen gewußt
hatten, daß der gesamte Klerus in den brandenburgischen Landen in
größerer Abhängigkeit von der fürstlichen Gewalt war, als sonst irgendwo,
konnte doch erst in dauerndes und sicheres Recht verwandelt werden,
nachdem grundsätzlich die kirchliche Macht in die ihr zukommenden Schranken


Die Airchenpolitik dos Großen Kurfürsten

c>in schärfsten von allen der Kurfürst Albrecht Achilles, der mit fester Hemd
die Grenzlinien zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt zog, so weit es die
Einsicht jenes Zeitalters gestattete. Er wußte, daß das ?rin<ziviiK odst-i
nirgends mehr zu beachten sei, als gegenüber der geistlichen Gewalt. „Sie
würden uns bald gedielten, daß all unser Obrikeit Jr were (ihnen wäre);
darumb dem gemeinen Sprichworte nach: prinoipiis od8w." Seine Stellung
zum Klerus, den er zwang, in weltlichen Dingen auch der weltlichen Obrigkeit
zu gehorchen, zeigt von der höchsten staatsmännischen Begabung dieses kraft¬
vollen Fürsten. „Man muß — schreibt er — die Pfaffen penntig machen
(bändigen), es geschehe durch Lieb oder durch Leid; sie wurden sunst zu hals-
starck." Als er durch sein kühnes Auftreten über sich den Varu und über
sein Land das Interdikt herbeigezogen hatte, antwortete er seinem Amtmanne
Heinrich von Aufseß, auf dessen Klage, daß die Geistlichen nicht begraben lassen
wollten: „Mau muß sich des Teufels weren mit dem heiligen Kreuze. Wie
that Sebastian v. Seckendorf, da ein Sterb war zu Kulmbach und der Bischof
Interdikt einlegte? Er ließ die Toten dem Pfarrherrn ins Haus tragen.
Wollte er den Gestank nit leiden, und die nachfolgende Besorgnis, so mußte
er sie wohl begraben lassen." Aber für eine sichere Abgrenzung beider,
der staatlichen und der kirchlichen Kompetenz, war die Zeit doch noch nicht
da. Derselbe Kurfürst, der ungehorsamen Geistlichen die Zehnten entzog, und
den, weil er seine Geistlichen wie jeden andern Unterthan besteuern wollte, eine
Schmähschrift einen Sohn des Teufels, Vorläufer des Antichrists und andern
Pharao nannte, „der da verfolgt das Volk Gottes." derselbe Kurfürst trat
auch wieder 1461 für den Papst gegen Friedrich von der Pfalz, den Führer
der Opposition, in die Schranken, ließ sich die Besoldung der Weltgeistlichen
angelegen sein und schob, als er zum erstenmale wieder in seine fränkische
Heimat ziehen wollte, die Reise auf, „weil wir selbst zu voran mit XXX oder
XL pferrdt zum heiligen Blut (nach Wilsnack) wallen wollen." Erst die
Reformation konnte die Grenzen zwischen staatlicher und kirchlicher Macht
genauer ziehen, nachdem sie einerseits den Begriff der Kirche dahin festgestellt
hatte, daß sie sei „die Gemeinschaft der Gläubigen, in welcher das Evangelium
recht gelehrt und die Sakramente recht verwaltet werden," anderseits den Staat
mit allem weltlichen Regiment und mit allen seinen weltlichen Ordnungen
selbst als vorm oxsra ohl anerkennt: 6s rgdus civilibus ctoesnt, privat Is^
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Kirche, durch den sich die Hohenzollern das Bistum thatsächlich schon
vor der Reformation in weltlichen Dingen so weit zu unterwerfen gewußt
hatten, daß der gesamte Klerus in den brandenburgischen Landen in
größerer Abhängigkeit von der fürstlichen Gewalt war, als sonst irgendwo,
konnte doch erst in dauerndes und sicheres Recht verwandelt werden,
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[0210] Die Airchenpolitik dos Großen Kurfürsten c>in schärfsten von allen der Kurfürst Albrecht Achilles, der mit fester Hemd die Grenzlinien zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt zog, so weit es die Einsicht jenes Zeitalters gestattete. Er wußte, daß das ?rin<ziviiK odst-i nirgends mehr zu beachten sei, als gegenüber der geistlichen Gewalt. „Sie würden uns bald gedielten, daß all unser Obrikeit Jr were (ihnen wäre); darumb dem gemeinen Sprichworte nach: prinoipiis od8w." Seine Stellung zum Klerus, den er zwang, in weltlichen Dingen auch der weltlichen Obrigkeit zu gehorchen, zeigt von der höchsten staatsmännischen Begabung dieses kraft¬ vollen Fürsten. „Man muß — schreibt er — die Pfaffen penntig machen (bändigen), es geschehe durch Lieb oder durch Leid; sie wurden sunst zu hals- starck." Als er durch sein kühnes Auftreten über sich den Varu und über sein Land das Interdikt herbeigezogen hatte, antwortete er seinem Amtmanne Heinrich von Aufseß, auf dessen Klage, daß die Geistlichen nicht begraben lassen wollten: „Mau muß sich des Teufels weren mit dem heiligen Kreuze. Wie that Sebastian v. Seckendorf, da ein Sterb war zu Kulmbach und der Bischof Interdikt einlegte? Er ließ die Toten dem Pfarrherrn ins Haus tragen. Wollte er den Gestank nit leiden, und die nachfolgende Besorgnis, so mußte er sie wohl begraben lassen." Aber für eine sichere Abgrenzung beider, der staatlichen und der kirchlichen Kompetenz, war die Zeit doch noch nicht da. Derselbe Kurfürst, der ungehorsamen Geistlichen die Zehnten entzog, und den, weil er seine Geistlichen wie jeden andern Unterthan besteuern wollte, eine Schmähschrift einen Sohn des Teufels, Vorläufer des Antichrists und andern Pharao nannte, „der da verfolgt das Volk Gottes." derselbe Kurfürst trat auch wieder 1461 für den Papst gegen Friedrich von der Pfalz, den Führer der Opposition, in die Schranken, ließ sich die Besoldung der Weltgeistlichen angelegen sein und schob, als er zum erstenmale wieder in seine fränkische Heimat ziehen wollte, die Reise auf, „weil wir selbst zu voran mit XXX oder XL pferrdt zum heiligen Blut (nach Wilsnack) wallen wollen." Erst die Reformation konnte die Grenzen zwischen staatlicher und kirchlicher Macht genauer ziehen, nachdem sie einerseits den Begriff der Kirche dahin festgestellt hatte, daß sie sei „die Gemeinschaft der Gläubigen, in welcher das Evangelium recht gelehrt und die Sakramente recht verwaltet werden," anderseits den Staat mit allem weltlichen Regiment und mit allen seinen weltlichen Ordnungen selbst als vorm oxsra ohl anerkennt: 6s rgdus civilibus ctoesnt, privat Is^ n- inno orclinMonkZ «ziviles sint borg, oxsrg, voi. Der große Einfluß auf die Kirche, durch den sich die Hohenzollern das Bistum thatsächlich schon vor der Reformation in weltlichen Dingen so weit zu unterwerfen gewußt hatten, daß der gesamte Klerus in den brandenburgischen Landen in größerer Abhängigkeit von der fürstlichen Gewalt war, als sonst irgendwo, konnte doch erst in dauerndes und sicheres Recht verwandelt werden, nachdem grundsätzlich die kirchliche Macht in die ihr zukommenden Schranken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/210>, abgerufen am 23.07.2024.