Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Rirchenpolilik des Großen Kurfürsten

Kirchen achtend, errichten wollte, ohne etwas "aufdringen und in dieser An¬
gelegenheit verfügen und bestimmen zu wollen, was nicht in der Einigkeit der
Herzen seine Wurzeln und Lebenskräfte" habe, daß er sich dafür mit Recht
auf das Beispiel des großen Ahnen berufe" dürfte.

Wenn der Große Kurfürst ein treuer und aufrichtiger Bekenner der refor-
mirten Lehre war, der auch seiner Gemahlin zur Pflicht machte, seine Kinder
"in der wahren christlichen reformirten Lehre" zu erziehen, so war er doch
weit davon entfernt, in den Andersgläubigen Teufelsanbeter zu sehen, wie es
die lutherischen Zionswächter seiner Hauptstadt oder die fauntischeu Oberhof¬
prediger des benachbarte" Sachsens ebenso grimmig als die katholisch-jesuitischen
Seligmacher der Habsburger lehrten und predigten. Diese Duldsamkeit war
ein Erbteil vorzüglich jenes Ahnen, der 1613 den Ritus der reformirten Kirche
annahm, Johann Sigismunds. Der Schritt Johann Sigismunds war in der That
ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung gewesen, so wenig es ihm auch
selbst gerade zum Bewußtsein gekommen sein mag. Denn die reformirte Kirche
war von Anfang an nach ihrer innerkirchlichen Stellung die duldsamere,
geneigt, die Unterscheidnngslehren zurückzustellen und im Gegensatz zur luthe¬
rischen den gemeinsamen religiösen Grund und Boden zu betonen. Die luthe¬
rische Kirche, wie sie sich in der Konkordieuforinel verfestigt und versteift hatte,
war darum auch nicht imstande, eine weitherzige Kirchenpolitik zu gestatten.
Das hat sich in dein Lande gezeigt, wo man Vonseiten der Dynastie am
eifrigsten ein fanatisches Luthertum Pflegte, freilich um bald darauf den
Papismus ebenso eifrig zu pflegen, in Sachsen. Man kann wohl sagen:
hätte das Haus Brandenburg dieselbe Kirchenpolitik verfolgt wie das Haus
Sachsen Albertinischer Linie, es hätte sich ebenso wie dieses um seine Zukunft
und um die Rolle einer Großmacht gebracht. Denn das Verharren ans dem
fanatisch lutherischen Standpunkte der Konkvrdienfvrmel "hätte in einem kon¬
fessionell gemischten Lande, wie Deutschland es nun einmal war, nichts andres
bedeutet, als die Unmöglichkeit weiterer Erwerbungen im großen Stile, Verzicht
auf die dereinstige Rolle einer Großmacht." Gerade der Charakter der
Duldung zog mit dem Übertritt Johann Sigismunds auch in deu Hohen-
zollcrnschen Staat ein zu eiuer Zeit, wo man in der ganzen Welt noch keine
Duldung kannte. Er selbst freilich, Johann Sigismund, wollte von der Papst¬
kirche wenigstens ebenfalls nichts wissen; er nannte die Päpstlichen in dein
Religivnsedikt von 1614, das er infolge seines Übertritts erließ, "unsre (der
Lutherischen und der Reformirten) allgemeinen Feinde"; er wollte gerade dnrch
seinen Übertritt auch noch das abstellen, was "etwa von papistischer Super-
stition in Kirchen und Schulen noch übrig geblieben ist." Aber es war doch
trotz dieser scharfen persönlichen Stellung des Kurfürsten gegen die päpstliche
Kirche, die ihm auch mich seinem Übertritt den Wunsch eingab, Lutherische und
Reformirte ihre Glaubeusuuterschiede aufgeben und gemeinsame Gegnerschaft


Die Rirchenpolilik des Großen Kurfürsten

Kirchen achtend, errichten wollte, ohne etwas „aufdringen und in dieser An¬
gelegenheit verfügen und bestimmen zu wollen, was nicht in der Einigkeit der
Herzen seine Wurzeln und Lebenskräfte" habe, daß er sich dafür mit Recht
auf das Beispiel des großen Ahnen berufe» dürfte.

Wenn der Große Kurfürst ein treuer und aufrichtiger Bekenner der refor-
mirten Lehre war, der auch seiner Gemahlin zur Pflicht machte, seine Kinder
„in der wahren christlichen reformirten Lehre" zu erziehen, so war er doch
weit davon entfernt, in den Andersgläubigen Teufelsanbeter zu sehen, wie es
die lutherischen Zionswächter seiner Hauptstadt oder die fauntischeu Oberhof¬
prediger des benachbarte» Sachsens ebenso grimmig als die katholisch-jesuitischen
Seligmacher der Habsburger lehrten und predigten. Diese Duldsamkeit war
ein Erbteil vorzüglich jenes Ahnen, der 1613 den Ritus der reformirten Kirche
annahm, Johann Sigismunds. Der Schritt Johann Sigismunds war in der That
ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung gewesen, so wenig es ihm auch
selbst gerade zum Bewußtsein gekommen sein mag. Denn die reformirte Kirche
war von Anfang an nach ihrer innerkirchlichen Stellung die duldsamere,
geneigt, die Unterscheidnngslehren zurückzustellen und im Gegensatz zur luthe¬
rischen den gemeinsamen religiösen Grund und Boden zu betonen. Die luthe¬
rische Kirche, wie sie sich in der Konkordieuforinel verfestigt und versteift hatte,
war darum auch nicht imstande, eine weitherzige Kirchenpolitik zu gestatten.
Das hat sich in dein Lande gezeigt, wo man Vonseiten der Dynastie am
eifrigsten ein fanatisches Luthertum Pflegte, freilich um bald darauf den
Papismus ebenso eifrig zu pflegen, in Sachsen. Man kann wohl sagen:
hätte das Haus Brandenburg dieselbe Kirchenpolitik verfolgt wie das Haus
Sachsen Albertinischer Linie, es hätte sich ebenso wie dieses um seine Zukunft
und um die Rolle einer Großmacht gebracht. Denn das Verharren ans dem
fanatisch lutherischen Standpunkte der Konkvrdienfvrmel „hätte in einem kon¬
fessionell gemischten Lande, wie Deutschland es nun einmal war, nichts andres
bedeutet, als die Unmöglichkeit weiterer Erwerbungen im großen Stile, Verzicht
auf die dereinstige Rolle einer Großmacht." Gerade der Charakter der
Duldung zog mit dem Übertritt Johann Sigismunds auch in deu Hohen-
zollcrnschen Staat ein zu eiuer Zeit, wo man in der ganzen Welt noch keine
Duldung kannte. Er selbst freilich, Johann Sigismund, wollte von der Papst¬
kirche wenigstens ebenfalls nichts wissen; er nannte die Päpstlichen in dein
Religivnsedikt von 1614, das er infolge seines Übertritts erließ, „unsre (der
Lutherischen und der Reformirten) allgemeinen Feinde"; er wollte gerade dnrch
seinen Übertritt auch noch das abstellen, was „etwa von papistischer Super-
stition in Kirchen und Schulen noch übrig geblieben ist." Aber es war doch
trotz dieser scharfen persönlichen Stellung des Kurfürsten gegen die päpstliche
Kirche, die ihm auch mich seinem Übertritt den Wunsch eingab, Lutherische und
Reformirte ihre Glaubeusuuterschiede aufgeben und gemeinsame Gegnerschaft


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209441"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Rirchenpolilik des Großen Kurfürsten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_604" prev="#ID_603"> Kirchen achtend, errichten wollte, ohne etwas &#x201E;aufdringen und in dieser An¬<lb/>
gelegenheit verfügen und bestimmen zu wollen, was nicht in der Einigkeit der<lb/>
Herzen seine Wurzeln und Lebenskräfte" habe, daß er sich dafür mit Recht<lb/>
auf das Beispiel des großen Ahnen berufe» dürfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605" next="#ID_606"> Wenn der Große Kurfürst ein treuer und aufrichtiger Bekenner der refor-<lb/>
mirten Lehre war, der auch seiner Gemahlin zur Pflicht machte, seine Kinder<lb/>
&#x201E;in der wahren christlichen reformirten Lehre" zu erziehen, so war er doch<lb/>
weit davon entfernt, in den Andersgläubigen Teufelsanbeter zu sehen, wie es<lb/>
die lutherischen Zionswächter seiner Hauptstadt oder die fauntischeu Oberhof¬<lb/>
prediger des benachbarte» Sachsens ebenso grimmig als die katholisch-jesuitischen<lb/>
Seligmacher der Habsburger lehrten und predigten. Diese Duldsamkeit war<lb/>
ein Erbteil vorzüglich jenes Ahnen, der 1613 den Ritus der reformirten Kirche<lb/>
annahm, Johann Sigismunds. Der Schritt Johann Sigismunds war in der That<lb/>
ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung gewesen, so wenig es ihm auch<lb/>
selbst gerade zum Bewußtsein gekommen sein mag. Denn die reformirte Kirche<lb/>
war von Anfang an nach ihrer innerkirchlichen Stellung die duldsamere,<lb/>
geneigt, die Unterscheidnngslehren zurückzustellen und im Gegensatz zur luthe¬<lb/>
rischen den gemeinsamen religiösen Grund und Boden zu betonen. Die luthe¬<lb/>
rische Kirche, wie sie sich in der Konkordieuforinel verfestigt und versteift hatte,<lb/>
war darum auch nicht imstande, eine weitherzige Kirchenpolitik zu gestatten.<lb/>
Das hat sich in dein Lande gezeigt, wo man Vonseiten der Dynastie am<lb/>
eifrigsten ein fanatisches Luthertum Pflegte, freilich um bald darauf den<lb/>
Papismus ebenso eifrig zu pflegen, in Sachsen. Man kann wohl sagen:<lb/>
hätte das Haus Brandenburg dieselbe Kirchenpolitik verfolgt wie das Haus<lb/>
Sachsen Albertinischer Linie, es hätte sich ebenso wie dieses um seine Zukunft<lb/>
und um die Rolle einer Großmacht gebracht. Denn das Verharren ans dem<lb/>
fanatisch lutherischen Standpunkte der Konkvrdienfvrmel &#x201E;hätte in einem kon¬<lb/>
fessionell gemischten Lande, wie Deutschland es nun einmal war, nichts andres<lb/>
bedeutet, als die Unmöglichkeit weiterer Erwerbungen im großen Stile, Verzicht<lb/>
auf die dereinstige Rolle einer Großmacht." Gerade der Charakter der<lb/>
Duldung zog mit dem Übertritt Johann Sigismunds auch in deu Hohen-<lb/>
zollcrnschen Staat ein zu eiuer Zeit, wo man in der ganzen Welt noch keine<lb/>
Duldung kannte. Er selbst freilich, Johann Sigismund, wollte von der Papst¬<lb/>
kirche wenigstens ebenfalls nichts wissen; er nannte die Päpstlichen in dein<lb/>
Religivnsedikt von 1614, das er infolge seines Übertritts erließ, &#x201E;unsre (der<lb/>
Lutherischen und der Reformirten) allgemeinen Feinde"; er wollte gerade dnrch<lb/>
seinen Übertritt auch noch das abstellen, was &#x201E;etwa von papistischer Super-<lb/>
stition in Kirchen und Schulen noch übrig geblieben ist." Aber es war doch<lb/>
trotz dieser scharfen persönlichen Stellung des Kurfürsten gegen die päpstliche<lb/>
Kirche, die ihm auch mich seinem Übertritt den Wunsch eingab, Lutherische und<lb/>
Reformirte ihre Glaubeusuuterschiede aufgeben und gemeinsame Gegnerschaft</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] Die Rirchenpolilik des Großen Kurfürsten Kirchen achtend, errichten wollte, ohne etwas „aufdringen und in dieser An¬ gelegenheit verfügen und bestimmen zu wollen, was nicht in der Einigkeit der Herzen seine Wurzeln und Lebenskräfte" habe, daß er sich dafür mit Recht auf das Beispiel des großen Ahnen berufe» dürfte. Wenn der Große Kurfürst ein treuer und aufrichtiger Bekenner der refor- mirten Lehre war, der auch seiner Gemahlin zur Pflicht machte, seine Kinder „in der wahren christlichen reformirten Lehre" zu erziehen, so war er doch weit davon entfernt, in den Andersgläubigen Teufelsanbeter zu sehen, wie es die lutherischen Zionswächter seiner Hauptstadt oder die fauntischeu Oberhof¬ prediger des benachbarte» Sachsens ebenso grimmig als die katholisch-jesuitischen Seligmacher der Habsburger lehrten und predigten. Diese Duldsamkeit war ein Erbteil vorzüglich jenes Ahnen, der 1613 den Ritus der reformirten Kirche annahm, Johann Sigismunds. Der Schritt Johann Sigismunds war in der That ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung gewesen, so wenig es ihm auch selbst gerade zum Bewußtsein gekommen sein mag. Denn die reformirte Kirche war von Anfang an nach ihrer innerkirchlichen Stellung die duldsamere, geneigt, die Unterscheidnngslehren zurückzustellen und im Gegensatz zur luthe¬ rischen den gemeinsamen religiösen Grund und Boden zu betonen. Die luthe¬ rische Kirche, wie sie sich in der Konkordieuforinel verfestigt und versteift hatte, war darum auch nicht imstande, eine weitherzige Kirchenpolitik zu gestatten. Das hat sich in dein Lande gezeigt, wo man Vonseiten der Dynastie am eifrigsten ein fanatisches Luthertum Pflegte, freilich um bald darauf den Papismus ebenso eifrig zu pflegen, in Sachsen. Man kann wohl sagen: hätte das Haus Brandenburg dieselbe Kirchenpolitik verfolgt wie das Haus Sachsen Albertinischer Linie, es hätte sich ebenso wie dieses um seine Zukunft und um die Rolle einer Großmacht gebracht. Denn das Verharren ans dem fanatisch lutherischen Standpunkte der Konkvrdienfvrmel „hätte in einem kon¬ fessionell gemischten Lande, wie Deutschland es nun einmal war, nichts andres bedeutet, als die Unmöglichkeit weiterer Erwerbungen im großen Stile, Verzicht auf die dereinstige Rolle einer Großmacht." Gerade der Charakter der Duldung zog mit dem Übertritt Johann Sigismunds auch in deu Hohen- zollcrnschen Staat ein zu eiuer Zeit, wo man in der ganzen Welt noch keine Duldung kannte. Er selbst freilich, Johann Sigismund, wollte von der Papst¬ kirche wenigstens ebenfalls nichts wissen; er nannte die Päpstlichen in dein Religivnsedikt von 1614, das er infolge seines Übertritts erließ, „unsre (der Lutherischen und der Reformirten) allgemeinen Feinde"; er wollte gerade dnrch seinen Übertritt auch noch das abstellen, was „etwa von papistischer Super- stition in Kirchen und Schulen noch übrig geblieben ist." Aber es war doch trotz dieser scharfen persönlichen Stellung des Kurfürsten gegen die päpstliche Kirche, die ihm auch mich seinem Übertritt den Wunsch eingab, Lutherische und Reformirte ihre Glaubeusuuterschiede aufgeben und gemeinsame Gegnerschaft

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/208>, abgerufen am 23.07.2024.