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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Seefischerei von Neufundland

Meere wurden die einheimischen Fischer von den Franzosen ganz widerrechtlich
verdrängt und fortgewiesen, und dieses Benehmen mußte um so mehr aufreizen,
als in Wirklichkeit seit Jahrzehnten schon die Franzosen ihr Fischereirecht gar¬
nicht mehr an der French-Shore, sondern auf den Bänken ausüben, auch ihre
Fische auf Se. Pierre trocknen.

Bei England fanden die Beschwerden der Neufundländer nur eine kühle
Aufnahme, und so war es nicht zu verwundern, daß man schließlich auf Neu¬
fundland 1886 zu dem Gegenmittel griff, die Ausfuhr und damit auch den
Verkauf der sogenannten doötts, des zum Fischfange notwendigen Köders, durch
Parlamentsbeschluß zu verbieten. Freilich fanden die Franzosen, die hier¬
durch hauptsächlich getroffen wurden, Ersatz auf ihren eignen Besitzungen,
ein Teil aber wendete sich zu dem allerdings ihnen nicht zugestandenen Hum-
mernfange, was natürlich wieder zu Gegenklagen der Neufundländer Anlaß
gab und auch zu offenen Gewaltthätigkeiten auf dem Meere führte, wodurch
diese Angelegenheit wieder einmal Gegenstand der noch schwebenden Verhand¬
lungen zwischen London und Paris wurde. Heute scheinen nun diese zu einem
guten Ende sichren zu wollen, da die öffentliche Meinung beider Länder auf
einen Ausgleich gerichtet zu sein scheint, der nach dem Vorschlage des fran¬
zösischen Abgeordneten Deloncle für seinen Verzicht auf jene ominösen Privi¬
legien nebst einer Entschädigung der Fischerbevölkerung der Bretagne und
Normandie eine Gebietsvergütung in Afrika, den Engländern oder besser den
Neufundländern aber den unbeschränkten Besitz ihrer Fischereigründe und Küsten
bringen soll. Besonders England ist stets gern zu einem Ausgleich bereit
gewesen, der bisher nur immer an der Zähigkeit Frankreichs scheiterte. Nun
stehen aber selbst hervorragende französische Zeitungen auf Seiten der Feinde
des Neufuudlandprivilegs, und ist es wohl interessant, diesen Ausführungen
zu folgen, in denen nachzuweisen versucht wird, daß Frankreich bei dem Auf¬
geben seines Privilegs stets nur der gewinnende Teil sein könne.

Schon seit dein Anfange der fünfziger Jahre mußte sich die Gesetzgebung
mit der französischen Fischerei auf den Neufuudlandbänken eingehend befassen,
um durch allerhand Staatsbeihilfen diese ganze Industrie an: Leben zu erhalten.
Denn das ist jn eben das Eigentümliche bei dieser Frage, daß man in Frank¬
reich bisher selbst ohne thatsächlichen Nutzen immer starr an dem alten Pri¬
vileg festgehalten hat. Jn dem Gesetze vom 22. Juli 1851 wurde nämlich
zur Hebung der sinkenden Fischerei eine Anzahl von Vergünstigungen fest¬
gestellt. Erstlich wurden die bei der Kavitänsprüfnng verlangten Kenntnisse
auf ein fast leichtsinnig niedriges Maß beschränkt, ferner erhielt jeder Voot-
ausrüster für jeden festengagirten Matrosen 30 bis 35 Franks Prämie unter
dem Titel einer xonr I'ürmomLnt. Auch das Salz wurde abgabenfrei
geliefert, und besonders wurde die Ausfuhr von französischer Ware durch eine
Prämie von 12, Ill oder 20 Franks auf deu Meterzentner direkt oder indirekt


Die Seefischerei von Neufundland

Meere wurden die einheimischen Fischer von den Franzosen ganz widerrechtlich
verdrängt und fortgewiesen, und dieses Benehmen mußte um so mehr aufreizen,
als in Wirklichkeit seit Jahrzehnten schon die Franzosen ihr Fischereirecht gar¬
nicht mehr an der French-Shore, sondern auf den Bänken ausüben, auch ihre
Fische auf Se. Pierre trocknen.

Bei England fanden die Beschwerden der Neufundländer nur eine kühle
Aufnahme, und so war es nicht zu verwundern, daß man schließlich auf Neu¬
fundland 1886 zu dem Gegenmittel griff, die Ausfuhr und damit auch den
Verkauf der sogenannten doötts, des zum Fischfange notwendigen Köders, durch
Parlamentsbeschluß zu verbieten. Freilich fanden die Franzosen, die hier¬
durch hauptsächlich getroffen wurden, Ersatz auf ihren eignen Besitzungen,
ein Teil aber wendete sich zu dem allerdings ihnen nicht zugestandenen Hum-
mernfange, was natürlich wieder zu Gegenklagen der Neufundländer Anlaß
gab und auch zu offenen Gewaltthätigkeiten auf dem Meere führte, wodurch
diese Angelegenheit wieder einmal Gegenstand der noch schwebenden Verhand¬
lungen zwischen London und Paris wurde. Heute scheinen nun diese zu einem
guten Ende sichren zu wollen, da die öffentliche Meinung beider Länder auf
einen Ausgleich gerichtet zu sein scheint, der nach dem Vorschlage des fran¬
zösischen Abgeordneten Deloncle für seinen Verzicht auf jene ominösen Privi¬
legien nebst einer Entschädigung der Fischerbevölkerung der Bretagne und
Normandie eine Gebietsvergütung in Afrika, den Engländern oder besser den
Neufundländern aber den unbeschränkten Besitz ihrer Fischereigründe und Küsten
bringen soll. Besonders England ist stets gern zu einem Ausgleich bereit
gewesen, der bisher nur immer an der Zähigkeit Frankreichs scheiterte. Nun
stehen aber selbst hervorragende französische Zeitungen auf Seiten der Feinde
des Neufuudlandprivilegs, und ist es wohl interessant, diesen Ausführungen
zu folgen, in denen nachzuweisen versucht wird, daß Frankreich bei dem Auf¬
geben seines Privilegs stets nur der gewinnende Teil sein könne.

Schon seit dein Anfange der fünfziger Jahre mußte sich die Gesetzgebung
mit der französischen Fischerei auf den Neufuudlandbänken eingehend befassen,
um durch allerhand Staatsbeihilfen diese ganze Industrie an: Leben zu erhalten.
Denn das ist jn eben das Eigentümliche bei dieser Frage, daß man in Frank¬
reich bisher selbst ohne thatsächlichen Nutzen immer starr an dem alten Pri¬
vileg festgehalten hat. Jn dem Gesetze vom 22. Juli 1851 wurde nämlich
zur Hebung der sinkenden Fischerei eine Anzahl von Vergünstigungen fest¬
gestellt. Erstlich wurden die bei der Kavitänsprüfnng verlangten Kenntnisse
auf ein fast leichtsinnig niedriges Maß beschränkt, ferner erhielt jeder Voot-
ausrüster für jeden festengagirten Matrosen 30 bis 35 Franks Prämie unter
dem Titel einer xonr I'ürmomLnt. Auch das Salz wurde abgabenfrei
geliefert, und besonders wurde die Ausfuhr von französischer Ware durch eine
Prämie von 12, Ill oder 20 Franks auf deu Meterzentner direkt oder indirekt


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[0197] Die Seefischerei von Neufundland Meere wurden die einheimischen Fischer von den Franzosen ganz widerrechtlich verdrängt und fortgewiesen, und dieses Benehmen mußte um so mehr aufreizen, als in Wirklichkeit seit Jahrzehnten schon die Franzosen ihr Fischereirecht gar¬ nicht mehr an der French-Shore, sondern auf den Bänken ausüben, auch ihre Fische auf Se. Pierre trocknen. Bei England fanden die Beschwerden der Neufundländer nur eine kühle Aufnahme, und so war es nicht zu verwundern, daß man schließlich auf Neu¬ fundland 1886 zu dem Gegenmittel griff, die Ausfuhr und damit auch den Verkauf der sogenannten doötts, des zum Fischfange notwendigen Köders, durch Parlamentsbeschluß zu verbieten. Freilich fanden die Franzosen, die hier¬ durch hauptsächlich getroffen wurden, Ersatz auf ihren eignen Besitzungen, ein Teil aber wendete sich zu dem allerdings ihnen nicht zugestandenen Hum- mernfange, was natürlich wieder zu Gegenklagen der Neufundländer Anlaß gab und auch zu offenen Gewaltthätigkeiten auf dem Meere führte, wodurch diese Angelegenheit wieder einmal Gegenstand der noch schwebenden Verhand¬ lungen zwischen London und Paris wurde. Heute scheinen nun diese zu einem guten Ende sichren zu wollen, da die öffentliche Meinung beider Länder auf einen Ausgleich gerichtet zu sein scheint, der nach dem Vorschlage des fran¬ zösischen Abgeordneten Deloncle für seinen Verzicht auf jene ominösen Privi¬ legien nebst einer Entschädigung der Fischerbevölkerung der Bretagne und Normandie eine Gebietsvergütung in Afrika, den Engländern oder besser den Neufundländern aber den unbeschränkten Besitz ihrer Fischereigründe und Küsten bringen soll. Besonders England ist stets gern zu einem Ausgleich bereit gewesen, der bisher nur immer an der Zähigkeit Frankreichs scheiterte. Nun stehen aber selbst hervorragende französische Zeitungen auf Seiten der Feinde des Neufuudlandprivilegs, und ist es wohl interessant, diesen Ausführungen zu folgen, in denen nachzuweisen versucht wird, daß Frankreich bei dem Auf¬ geben seines Privilegs stets nur der gewinnende Teil sein könne. Schon seit dein Anfange der fünfziger Jahre mußte sich die Gesetzgebung mit der französischen Fischerei auf den Neufuudlandbänken eingehend befassen, um durch allerhand Staatsbeihilfen diese ganze Industrie an: Leben zu erhalten. Denn das ist jn eben das Eigentümliche bei dieser Frage, daß man in Frank¬ reich bisher selbst ohne thatsächlichen Nutzen immer starr an dem alten Pri¬ vileg festgehalten hat. Jn dem Gesetze vom 22. Juli 1851 wurde nämlich zur Hebung der sinkenden Fischerei eine Anzahl von Vergünstigungen fest¬ gestellt. Erstlich wurden die bei der Kavitänsprüfnng verlangten Kenntnisse auf ein fast leichtsinnig niedriges Maß beschränkt, ferner erhielt jeder Voot- ausrüster für jeden festengagirten Matrosen 30 bis 35 Franks Prämie unter dem Titel einer xonr I'ürmomLnt. Auch das Salz wurde abgabenfrei geliefert, und besonders wurde die Ausfuhr von französischer Ware durch eine Prämie von 12, Ill oder 20 Franks auf deu Meterzentner direkt oder indirekt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/197>, abgerufen am 23.07.2024.