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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Georg Theodor Loch

UM eine ihnen so gefährliche Reformthätigkeit im Keime zu ersticken. Dies
gelang. Am 18. März 1886 erhielt Cons einen unerbetenen Urlaub und den
Auftrag, die Leitung des Postsparkassennmtes sofort einem mit der Verwaltung
interimistisch betrauten Beamten zu übergeben. "Mit der Stellvertretung Cochs,
heißt es bei Dehn, wurde eine Persönlichkeit beauftragt, die neun Monate
später wegen Stellenvermittlungskorrnptivn pensionirt werden mußte. Unter
diesen Umständen konnte Cons als gewissenhafter Mann für die scheinbar
vorübergehende Stellvertretung die Verantwortlichkeit nicht tragen und sah sich
genötigt, seine Entlassung einzureichen." Er schied ohne irgend welche Ehren
oder Auszeichnungen und erhielt anstatt der Pension eine Abfindungssumme,
"die zu nennen Staat und Volk von Osterreich beleidigen würde." Die ihm
in Aussicht gestellte Tantieme vom Reingewinn ist ihm nicht ausgezahlt
worden. Seine Enthebung wurde in einem Tone mitgeteilt, die vermuten
ließ, daß auf seiner Amtsführung ein Makel hafte, und beeinflußte Blätter
haben sich nicht entgehen lassen, dieser Meinung durch offne oder versteckte
Anschuldigungen Nahrung zu geben. Dagegen soll der Kaiser persönlich ihm
Zufriedenheit und Vertrauen zu erkennen gegeben haben. Daß er durch die
Bankiers gestürzt worden sei, sprach ein Börsenblatt offen ans.

Die Darstellung Dehns, der wir hier gefolgt sind, hat fühlbare Lücken,
die auszufüllen wenigstens zum Teil nicht in des Verfassers Macht liegen
niochte. Es ist doch kaum ernst zu nehmen, daß der Finanzminister als Vor-
wand für sein Drängen auf Entfernung Cochs den Verlust benutzt habe, den
der Staat an ^ Stempelgebühren erleiden würde durch die Erweiterung des
Wirkungskreises der Postsparkasse. Der Verfasser bringt auch mit der Ent¬
lassung Cochs den Rücktritt des Handelsministers Pluv in Verbindung. Da
wäre es doch von Wichtigkeit, zu erfahren, ob die damals allgemein gegen
Pluv erhobenen Anschuldigungen ebenfalls unbegründet gewesen sind, ob etwa
der Minister weichen mußte, weil er sich nicht herbeilassen wollte, einen so
tüchtigen Mann zu entlassen, oder inwiefern sonst der Sturz beider zusammen¬
gehangen hat. Bezeichnend ist allerdings, daß nach Pinvs und Cochs Ent¬
lassung die Bestimmung getroffen wurde, daß die Gelder der Postsparkasse
"im Einvernehmen mit dein Finanzministerium" angelegt werden sollen, sodaß
die Vermittlung der Privatbanken in Anspruch genommen werden muß, wenn
der Finanzminister dies für wünschenswert hält. Oder wie ein Abgeordneter,
I)r. Pnttai, sich ausdrückte, "die Finanzverwnltung soll die Bankinstitute be¬
stimmen, von welchen man die Wechsel annimmt, welche ein Geschenk aus dem
Volksvermögen erhalten, welche den billigen Eskompte in der Postsparkasse
bekommen, um einen teuern Eskompte wieder auszugeben"; die Gesetznovelle
sei "ein Versuch, das Geld, das deu Sparpfennig der Bevölkerung darstellt,
wieder dem großen Bankenkapital dienstbar zu machen, welches zum großen
Teile die Börsenspekulationen macht, welches die Beteiligungen an die Presse


Gr.mzbotm I 1891. S
Georg Theodor Loch

UM eine ihnen so gefährliche Reformthätigkeit im Keime zu ersticken. Dies
gelang. Am 18. März 1886 erhielt Cons einen unerbetenen Urlaub und den
Auftrag, die Leitung des Postsparkassennmtes sofort einem mit der Verwaltung
interimistisch betrauten Beamten zu übergeben. „Mit der Stellvertretung Cochs,
heißt es bei Dehn, wurde eine Persönlichkeit beauftragt, die neun Monate
später wegen Stellenvermittlungskorrnptivn pensionirt werden mußte. Unter
diesen Umständen konnte Cons als gewissenhafter Mann für die scheinbar
vorübergehende Stellvertretung die Verantwortlichkeit nicht tragen und sah sich
genötigt, seine Entlassung einzureichen." Er schied ohne irgend welche Ehren
oder Auszeichnungen und erhielt anstatt der Pension eine Abfindungssumme,
„die zu nennen Staat und Volk von Osterreich beleidigen würde." Die ihm
in Aussicht gestellte Tantieme vom Reingewinn ist ihm nicht ausgezahlt
worden. Seine Enthebung wurde in einem Tone mitgeteilt, die vermuten
ließ, daß auf seiner Amtsführung ein Makel hafte, und beeinflußte Blätter
haben sich nicht entgehen lassen, dieser Meinung durch offne oder versteckte
Anschuldigungen Nahrung zu geben. Dagegen soll der Kaiser persönlich ihm
Zufriedenheit und Vertrauen zu erkennen gegeben haben. Daß er durch die
Bankiers gestürzt worden sei, sprach ein Börsenblatt offen ans.

Die Darstellung Dehns, der wir hier gefolgt sind, hat fühlbare Lücken,
die auszufüllen wenigstens zum Teil nicht in des Verfassers Macht liegen
niochte. Es ist doch kaum ernst zu nehmen, daß der Finanzminister als Vor-
wand für sein Drängen auf Entfernung Cochs den Verlust benutzt habe, den
der Staat an ^ Stempelgebühren erleiden würde durch die Erweiterung des
Wirkungskreises der Postsparkasse. Der Verfasser bringt auch mit der Ent¬
lassung Cochs den Rücktritt des Handelsministers Pluv in Verbindung. Da
wäre es doch von Wichtigkeit, zu erfahren, ob die damals allgemein gegen
Pluv erhobenen Anschuldigungen ebenfalls unbegründet gewesen sind, ob etwa
der Minister weichen mußte, weil er sich nicht herbeilassen wollte, einen so
tüchtigen Mann zu entlassen, oder inwiefern sonst der Sturz beider zusammen¬
gehangen hat. Bezeichnend ist allerdings, daß nach Pinvs und Cochs Ent¬
lassung die Bestimmung getroffen wurde, daß die Gelder der Postsparkasse
„im Einvernehmen mit dein Finanzministerium" angelegt werden sollen, sodaß
die Vermittlung der Privatbanken in Anspruch genommen werden muß, wenn
der Finanzminister dies für wünschenswert hält. Oder wie ein Abgeordneter,
I)r. Pnttai, sich ausdrückte, „die Finanzverwnltung soll die Bankinstitute be¬
stimmen, von welchen man die Wechsel annimmt, welche ein Geschenk aus dem
Volksvermögen erhalten, welche den billigen Eskompte in der Postsparkasse
bekommen, um einen teuern Eskompte wieder auszugeben"; die Gesetznovelle
sei „ein Versuch, das Geld, das deu Sparpfennig der Bevölkerung darstellt,
wieder dem großen Bankenkapital dienstbar zu machen, welches zum großen
Teile die Börsenspekulationen macht, welches die Beteiligungen an die Presse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/17>, abgerufen am 23.07.2024.