Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.John Lothrop Motley man wird sich überzeugen, daß Florenz ganz eingehüllt in einem Kreis vieler Desto unsympathischer ist ihm Paris, es übt "einen bedrückenden Einfluß" John Lothrop Motley man wird sich überzeugen, daß Florenz ganz eingehüllt in einem Kreis vieler Desto unsympathischer ist ihm Paris, es übt „einen bedrückenden Einfluß" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209392"/> <fw type="header" place="top"> John Lothrop Motley</fw><lb/> <p xml:id="ID_457" prev="#ID_456"> man wird sich überzeugen, daß Florenz ganz eingehüllt in einem Kreis vieler<lb/> kleiner Flvrenze liegt."</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> Desto unsympathischer ist ihm Paris, es übt „einen bedrückenden Einfluß"<lb/> auf ihn aus — zum Teil wohl, weil das damalige Paris seine Signatur<lb/> durch das zweite Kaiserreich erhielt. Denn der gründliche Widerwille gegen<lb/> Louis Napoleon (den Kaisertitel und Kaisernamen versagt er ihm beharrlich)<lb/> kommt bei jeder Gelegenheit zum Ausbruch, und der hat etwas Erquickendes,<lb/> wenn man sich erinnert, wie in den fünfziger und sechziger Jahren fast die<lb/> ganze Welt den Mann vom 2. Dezember anbetete. Bei den berühmten lang¬<lb/> weiligen Stadtvierteln, durch die Herr Haußmann Paris „verschönert" hat,<lb/> füllt ihm ein, was man wohl in Boston sagen würde, wenn die Verwaltung<lb/> der Stadt und die Negierung von Massachusetts auf solche Art „den armen<lb/> Leuten Arbeit verschaffen" wollten, d. h. ungeheure Auleheu aufnehmen, um<lb/> einen Palast für den Gouverneur zu bauen, die Stadt niederzulegen und an<lb/> ihrer Stelle neue achtstöckige Granitpaläste aufführen zu lassen, in denen für<lb/> Wohnungen und Läden der kleinen Handels- und Gewerbsleute kein Platz<lb/> wäre. Nach dem Züricher Frieden spricht er seinen Unwillen darüber aus,<lb/> daß „die Völker des seuropäischenj Festlandes aus Feigheit oder Trägheit dem<lb/> gefährlichsten Übelthäter, der jemals die Macht usurpirte, verstattet haben, sie<lb/> alle zu täuschen, lahmzulegen und dnrch Furcht um den Verstand zu bringen."<lb/> Das Vertrauen des ganzen italienischen Volkes sei ebenso unglaublich wie<lb/> rührend gewesen „und hätte jeden Mann in seiner Stellung zum Helden<lb/> machen müssen, wenn er nur einen Funken von Großmut in sich trug,"<lb/> während er zuerst die Empörung schürte und zum Ausbruche brachte, um<lb/> dann seine Verbündeten im Stiche zu lassen. In eben so bitterm Tone be¬<lb/> spricht er 1862 und 1863 die ..moralische" Unterstützung, die Frankreich und<lb/> England den aufständischen Polen angedeihen lassen, die sie anch den ameri¬<lb/> kanischen Sklavenhaltern angetragen hatten. „Es wird wieder ein großes<lb/> Gerede über Freiheit und freie Verfassungen geben Vonseiten jenes Apostels<lb/> der Freiheit und Zivilisation, Louis Napoleon." Bei Ausbruch des deutschen<lb/> Krieges glaubt auch er an eine Verschwörung Preußens und Italiens ,,mit<lb/> den: Fürsten der Finsternis, der es zeitweise geeignet findet, in Gestalt eines<lb/> Herrschers von Frankreich zu erscheinen und in den Tuilerien zu wohnen";<lb/> er sieht keinen Gewinn für die Menschheit in der Zertrümmerung Österreichs<lb/> und seiner Verteilung „unter die drei Verschwörer." Um so größer ist dann<lb/> seine Befriedigung darüber, „wie köstlich dein Monsieur Louis Napoleon mit¬<lb/> gespielt worden," daß er in den großen Umwälzungen von 1866 nur eine<lb/> Null gewesen und nun bald die Leute in ihm den Charlatan und unleidlichen<lb/> Störenfried erkennen würden, dessen stetes Augenmerk es gewesen sei, die Ein¬<lb/> heit Italiens und die Einheit Deutschlands zu verhindern und die amerikanische<lb/> Union zu sprengen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0159]
John Lothrop Motley
man wird sich überzeugen, daß Florenz ganz eingehüllt in einem Kreis vieler
kleiner Flvrenze liegt."
Desto unsympathischer ist ihm Paris, es übt „einen bedrückenden Einfluß"
auf ihn aus — zum Teil wohl, weil das damalige Paris seine Signatur
durch das zweite Kaiserreich erhielt. Denn der gründliche Widerwille gegen
Louis Napoleon (den Kaisertitel und Kaisernamen versagt er ihm beharrlich)
kommt bei jeder Gelegenheit zum Ausbruch, und der hat etwas Erquickendes,
wenn man sich erinnert, wie in den fünfziger und sechziger Jahren fast die
ganze Welt den Mann vom 2. Dezember anbetete. Bei den berühmten lang¬
weiligen Stadtvierteln, durch die Herr Haußmann Paris „verschönert" hat,
füllt ihm ein, was man wohl in Boston sagen würde, wenn die Verwaltung
der Stadt und die Negierung von Massachusetts auf solche Art „den armen
Leuten Arbeit verschaffen" wollten, d. h. ungeheure Auleheu aufnehmen, um
einen Palast für den Gouverneur zu bauen, die Stadt niederzulegen und an
ihrer Stelle neue achtstöckige Granitpaläste aufführen zu lassen, in denen für
Wohnungen und Läden der kleinen Handels- und Gewerbsleute kein Platz
wäre. Nach dem Züricher Frieden spricht er seinen Unwillen darüber aus,
daß „die Völker des seuropäischenj Festlandes aus Feigheit oder Trägheit dem
gefährlichsten Übelthäter, der jemals die Macht usurpirte, verstattet haben, sie
alle zu täuschen, lahmzulegen und dnrch Furcht um den Verstand zu bringen."
Das Vertrauen des ganzen italienischen Volkes sei ebenso unglaublich wie
rührend gewesen „und hätte jeden Mann in seiner Stellung zum Helden
machen müssen, wenn er nur einen Funken von Großmut in sich trug,"
während er zuerst die Empörung schürte und zum Ausbruche brachte, um
dann seine Verbündeten im Stiche zu lassen. In eben so bitterm Tone be¬
spricht er 1862 und 1863 die ..moralische" Unterstützung, die Frankreich und
England den aufständischen Polen angedeihen lassen, die sie anch den ameri¬
kanischen Sklavenhaltern angetragen hatten. „Es wird wieder ein großes
Gerede über Freiheit und freie Verfassungen geben Vonseiten jenes Apostels
der Freiheit und Zivilisation, Louis Napoleon." Bei Ausbruch des deutschen
Krieges glaubt auch er an eine Verschwörung Preußens und Italiens ,,mit
den: Fürsten der Finsternis, der es zeitweise geeignet findet, in Gestalt eines
Herrschers von Frankreich zu erscheinen und in den Tuilerien zu wohnen";
er sieht keinen Gewinn für die Menschheit in der Zertrümmerung Österreichs
und seiner Verteilung „unter die drei Verschwörer." Um so größer ist dann
seine Befriedigung darüber, „wie köstlich dein Monsieur Louis Napoleon mit¬
gespielt worden," daß er in den großen Umwälzungen von 1866 nur eine
Null gewesen und nun bald die Leute in ihm den Charlatan und unleidlichen
Störenfried erkennen würden, dessen stetes Augenmerk es gewesen sei, die Ein¬
heit Italiens und die Einheit Deutschlands zu verhindern und die amerikanische
Union zu sprengen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |