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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Rechberg wiederholt Dnveyrrier d'Hauzaune und Rehberg u. dergl. in., was
doch hätte vermieden werden können.

Achtzehnjährig bezog Motley, aus Massachusetts gebürtig, die Universität
Göttingen, und die Briefe von dort wie ans Berlin und vou einer halb¬
jährigen Reise durch Sachsen, Osterreich, Frankreich, Italien behandeln vor¬
wiegend das, was dem jungen Amerikaner fremd und sonderbar erschien: das
deutsche Studentenleben, die mangelhaften Verkehrsverhältnisse in damaliger
Zeit, das Phlegma der deutschen Postillone u. dergl. in. In Dresden besucht
er Tieck, Gastein ist zu seiner Zeit noch ein primitives Dorf (auch Hehn faud
1879 die Einrichtungen noch "bäurisch," hingegen die Preise auf der Hohe
der komfortabelsten Badeorte, jetzt reiht sich eine Mietkaserne an die andre!);
mit viel Humor wird eine Besteigung des Ätna geschildert. Dann beschäftigt
er sich in Boston schriftstellerisch, läßt zwei Romane erscheinen, faßt den Plan,
die Geschichte des Unabhängigkeitskampses der Niederländer zu schreiben, ge¬
winnt jedoch die Überzeugung, das; dies ohne Benutzung der europäischen
Archive und Bibliotheken unmöglich sei. Eine Episode bildet seine Anwesen¬
heit -- Thätigkeit wird man kaum sagen köunen -- als Legationssekretär in
Petersburg 1841 bis 1842. Er liefert von dort abwechselnd seiner Frau und
seiner Mutter sehr umständliche Berichte über das Hofzeremvniell n. dergl. in.,
und nimmt in sein Tagebuch auf, was er über Verfassung, Heerwesen, Wohl¬
thätigkeitsanstalten n, s. w. in Erfahrung bringen kann.

Das nächste Jahrzehnt ist seinen historischen Arbeiten gewidmet. Er
gräbt mit größter Ausdauer in deu Archiven im Haag und in London uach,
zieht sich vou Zeit zu Zeit an einen andern Ort zurück, um in Ruhe das
angesammelte Material zu verarbeite" (z. B. Dresden, Florenz), und hat große
Sorgen wegen der Kostspieligkeit seines Unternehmens und der geringen Aus¬
sicht auf Absatz. Der Buchhändler Murrny in London, um den er empfohlen
worden war, lehnte den Verlag des ersten Werkes (liiss ot' ddo Dutvll lie-
nublio) ab, was er nachträglich sehr bedauerte und durch glänzende Hono-
rirung der 4Il"lor/ ot' tuo rciutvä l^vtlitzrlauäs gut zu machen suchte. Der
Erfolg des erster" Werkes machte Motley in London einigermaßen zum Löwen
des Tages. Er wußte sich vor Einladungen kaum zu retten und konnte nur
mit Mühe zwischen Frühstücke", Diuuers, Routs u. s. w. Zeit für die Biblio¬
thek des Britischen Museums gewinnen. Der Gebrauch, schon zum wirklichen
Frühstück (bröiMÄst,, nicht llmollöcm) Gäste zu bitten, hat nicht seinen Bei¬
fall; "wenigstens mir ist es verhaßt, schon frühmorgens mit Leuten zu sprechen,
mit denen ich nicht intim bin. Braucht man schon im gewöhnlichen Ver¬
kehr ein paar Gläser Champagner, um die Oberfläche aufzutauen, so muß
freilich, wenn mau Thee aus dieses Eis gießt, ein sehr schwacher Aufguß ent¬
stehe", und daß Gäste lustig werden sollen über Znckerbrezeln, kann uur eine
arge Täuschung sein." Gelegentlich reizt auch das Einerlei der clinugr partie^


Rechberg wiederholt Dnveyrrier d'Hauzaune und Rehberg u. dergl. in., was
doch hätte vermieden werden können.

Achtzehnjährig bezog Motley, aus Massachusetts gebürtig, die Universität
Göttingen, und die Briefe von dort wie ans Berlin und vou einer halb¬
jährigen Reise durch Sachsen, Osterreich, Frankreich, Italien behandeln vor¬
wiegend das, was dem jungen Amerikaner fremd und sonderbar erschien: das
deutsche Studentenleben, die mangelhaften Verkehrsverhältnisse in damaliger
Zeit, das Phlegma der deutschen Postillone u. dergl. in. In Dresden besucht
er Tieck, Gastein ist zu seiner Zeit noch ein primitives Dorf (auch Hehn faud
1879 die Einrichtungen noch „bäurisch," hingegen die Preise auf der Hohe
der komfortabelsten Badeorte, jetzt reiht sich eine Mietkaserne an die andre!);
mit viel Humor wird eine Besteigung des Ätna geschildert. Dann beschäftigt
er sich in Boston schriftstellerisch, läßt zwei Romane erscheinen, faßt den Plan,
die Geschichte des Unabhängigkeitskampses der Niederländer zu schreiben, ge¬
winnt jedoch die Überzeugung, das; dies ohne Benutzung der europäischen
Archive und Bibliotheken unmöglich sei. Eine Episode bildet seine Anwesen¬
heit — Thätigkeit wird man kaum sagen köunen — als Legationssekretär in
Petersburg 1841 bis 1842. Er liefert von dort abwechselnd seiner Frau und
seiner Mutter sehr umständliche Berichte über das Hofzeremvniell n. dergl. in.,
und nimmt in sein Tagebuch auf, was er über Verfassung, Heerwesen, Wohl¬
thätigkeitsanstalten n, s. w. in Erfahrung bringen kann.

Das nächste Jahrzehnt ist seinen historischen Arbeiten gewidmet. Er
gräbt mit größter Ausdauer in deu Archiven im Haag und in London uach,
zieht sich vou Zeit zu Zeit an einen andern Ort zurück, um in Ruhe das
angesammelte Material zu verarbeite» (z. B. Dresden, Florenz), und hat große
Sorgen wegen der Kostspieligkeit seines Unternehmens und der geringen Aus¬
sicht auf Absatz. Der Buchhändler Murrny in London, um den er empfohlen
worden war, lehnte den Verlag des ersten Werkes (liiss ot' ddo Dutvll lie-
nublio) ab, was er nachträglich sehr bedauerte und durch glänzende Hono-
rirung der 4Il«lor/ ot' tuo rciutvä l^vtlitzrlauäs gut zu machen suchte. Der
Erfolg des erster» Werkes machte Motley in London einigermaßen zum Löwen
des Tages. Er wußte sich vor Einladungen kaum zu retten und konnte nur
mit Mühe zwischen Frühstücke«, Diuuers, Routs u. s. w. Zeit für die Biblio¬
thek des Britischen Museums gewinnen. Der Gebrauch, schon zum wirklichen
Frühstück (bröiMÄst,, nicht llmollöcm) Gäste zu bitten, hat nicht seinen Bei¬
fall; „wenigstens mir ist es verhaßt, schon frühmorgens mit Leuten zu sprechen,
mit denen ich nicht intim bin. Braucht man schon im gewöhnlichen Ver¬
kehr ein paar Gläser Champagner, um die Oberfläche aufzutauen, so muß
freilich, wenn mau Thee aus dieses Eis gießt, ein sehr schwacher Aufguß ent¬
stehe«, und daß Gäste lustig werden sollen über Znckerbrezeln, kann uur eine
arge Täuschung sein." Gelegentlich reizt auch das Einerlei der clinugr partie^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/156>, abgerufen am 23.07.2024.