Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Ehrenrettung Lrust Theodor Wilhelm Hoffmmms

Wollte damit sagen, daß wir ohne diese einsichtsvolle Arbeit eines Zeitgenossen
schon damals den Ursprung der demagogischen Untersuchungen aus den Frei¬
heitskriegen gar uicht mehr würden begreifen können.

Während es erwiesen ist, daß das Vnndesbnch vorhanden war, ist es
zweifelhaft geblieben, ob bei der Aufnahme in den Bund ein Eid geschworen
wurde. Die spätern Denunzianten haben auch dies behauptet. Einer fügte
sogar hinzu, daß durch den Eid der, der am Bunde zum Verräter würde, mit
dem Tode bedroht worden sei. Die andern ehemaligen Mitglieder des deutschen
Bundes, nunmehr vornehme Beamte und keineswegs mit Jahr im Gefängnis,
behaupteten, daß kein Eid geschworen worden sei. Einer aber, Wolf Feuer¬
stein, schloß sich insofern den Denunzianten an, als er zu Protokoll gab, ein
Eid sei allerdings geleistet worden. Dies war deshalb für Jahr belastend,
weil nun auch die Bedrohung mit dem Tode noch als möglich gedacht werden
konnte, bei der jeder an Jahr als das über Leben und Tod gebietende Ober¬
haupt einer Loge gedacht hatte. Hoffmann fagte daher, diese Aussage Wolf
Feuersteins hätte gar uicht zu Protokoll genommen werden dürfen ohne die
Bemerkung, daß man sich mit Wolf Feuerstein darüber verständigt habe, an
welche unerläßliche Formen jeder Eid gebunden sei.

Hoffmann sah offenbar die Tragweite dessen, was Feuerstein zu Protokoll
gegeben hatte, voraus. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß
Feuersteins ungünstiges Urteil über Jahr auf dessen spätern Freund Gervinus
und durch Gervinus ans Treitschke übergegangen ist. Von einer knorrigen
Eiche sind gewöhnlich auch einige krumme Wurzeln über der Erde zu sehen.
Will man nun aber ringsumher die Wurzeln von Erde entblößen, so wird
der ganze Baum dadurch untergraben. Das hat Wolf Feuerstein beim alten
Jahr gethan, aber Gervinus und Treitschke sind der Wahrheit uicht näher
gekommen.

Ich gebe zu, daß das Urteil der Turner und auch das meines Freundes
Euler über Jahr etwas zu günstig ist. Seine Charakterzeichnung durch Hoff¬
mann ist die allein richtige. Wenn er einige unbegründete Ausreden Zahns
in seinen Bericht aufgenommen hat, um ihm nicht ohne Grund zu schaden, so
handelt es sich um die Vorurteile einer politisch noch unreifen Zeit und um
Nebendinge. 'Hoffmanns krystallheller Bericht über die Jahnsche Untersuchung
ist ein wertvoller Veitrag zur Geschichte der Freiheitskriege und der erste
glückliche kulturhistorische Versuch des neunzehnten Jahrhunderts.

Was Hoffmann selbst anlangt, so hatte er schon nach der Schlacht bei
Dresden die Hoffnung ausgesprochen, daß es ihm vielleicht vergönnt sein
werde, sich noch zu etwas Ordentlichem emporzuarbeiten. Mau kaun diese
Worte allerdings darauf beziehen, daß seine ganze Thätigkeit als Roman-
schreiber erst nach der Dresdner Zeit anfängt. Wenn ich aber die ganze Zeit
seiner Thätigkeit als Romanschreiber von 1814 bis 1822 dnrch das Jahr 1818,


Zur Ehrenrettung Lrust Theodor Wilhelm Hoffmmms

Wollte damit sagen, daß wir ohne diese einsichtsvolle Arbeit eines Zeitgenossen
schon damals den Ursprung der demagogischen Untersuchungen aus den Frei¬
heitskriegen gar uicht mehr würden begreifen können.

Während es erwiesen ist, daß das Vnndesbnch vorhanden war, ist es
zweifelhaft geblieben, ob bei der Aufnahme in den Bund ein Eid geschworen
wurde. Die spätern Denunzianten haben auch dies behauptet. Einer fügte
sogar hinzu, daß durch den Eid der, der am Bunde zum Verräter würde, mit
dem Tode bedroht worden sei. Die andern ehemaligen Mitglieder des deutschen
Bundes, nunmehr vornehme Beamte und keineswegs mit Jahr im Gefängnis,
behaupteten, daß kein Eid geschworen worden sei. Einer aber, Wolf Feuer¬
stein, schloß sich insofern den Denunzianten an, als er zu Protokoll gab, ein
Eid sei allerdings geleistet worden. Dies war deshalb für Jahr belastend,
weil nun auch die Bedrohung mit dem Tode noch als möglich gedacht werden
konnte, bei der jeder an Jahr als das über Leben und Tod gebietende Ober¬
haupt einer Loge gedacht hatte. Hoffmann fagte daher, diese Aussage Wolf
Feuersteins hätte gar uicht zu Protokoll genommen werden dürfen ohne die
Bemerkung, daß man sich mit Wolf Feuerstein darüber verständigt habe, an
welche unerläßliche Formen jeder Eid gebunden sei.

Hoffmann sah offenbar die Tragweite dessen, was Feuerstein zu Protokoll
gegeben hatte, voraus. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß
Feuersteins ungünstiges Urteil über Jahr auf dessen spätern Freund Gervinus
und durch Gervinus ans Treitschke übergegangen ist. Von einer knorrigen
Eiche sind gewöhnlich auch einige krumme Wurzeln über der Erde zu sehen.
Will man nun aber ringsumher die Wurzeln von Erde entblößen, so wird
der ganze Baum dadurch untergraben. Das hat Wolf Feuerstein beim alten
Jahr gethan, aber Gervinus und Treitschke sind der Wahrheit uicht näher
gekommen.

Ich gebe zu, daß das Urteil der Turner und auch das meines Freundes
Euler über Jahr etwas zu günstig ist. Seine Charakterzeichnung durch Hoff¬
mann ist die allein richtige. Wenn er einige unbegründete Ausreden Zahns
in seinen Bericht aufgenommen hat, um ihm nicht ohne Grund zu schaden, so
handelt es sich um die Vorurteile einer politisch noch unreifen Zeit und um
Nebendinge. 'Hoffmanns krystallheller Bericht über die Jahnsche Untersuchung
ist ein wertvoller Veitrag zur Geschichte der Freiheitskriege und der erste
glückliche kulturhistorische Versuch des neunzehnten Jahrhunderts.

Was Hoffmann selbst anlangt, so hatte er schon nach der Schlacht bei
Dresden die Hoffnung ausgesprochen, daß es ihm vielleicht vergönnt sein
werde, sich noch zu etwas Ordentlichem emporzuarbeiten. Mau kaun diese
Worte allerdings darauf beziehen, daß seine ganze Thätigkeit als Roman-
schreiber erst nach der Dresdner Zeit anfängt. Wenn ich aber die ganze Zeit
seiner Thätigkeit als Romanschreiber von 1814 bis 1822 dnrch das Jahr 1818,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209368"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Ehrenrettung Lrust Theodor Wilhelm Hoffmmms</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_381" prev="#ID_380"> Wollte damit sagen, daß wir ohne diese einsichtsvolle Arbeit eines Zeitgenossen<lb/>
schon damals den Ursprung der demagogischen Untersuchungen aus den Frei¬<lb/>
heitskriegen gar uicht mehr würden begreifen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_382"> Während es erwiesen ist, daß das Vnndesbnch vorhanden war, ist es<lb/>
zweifelhaft geblieben, ob bei der Aufnahme in den Bund ein Eid geschworen<lb/>
wurde. Die spätern Denunzianten haben auch dies behauptet. Einer fügte<lb/>
sogar hinzu, daß durch den Eid der, der am Bunde zum Verräter würde, mit<lb/>
dem Tode bedroht worden sei. Die andern ehemaligen Mitglieder des deutschen<lb/>
Bundes, nunmehr vornehme Beamte und keineswegs mit Jahr im Gefängnis,<lb/>
behaupteten, daß kein Eid geschworen worden sei. Einer aber, Wolf Feuer¬<lb/>
stein, schloß sich insofern den Denunzianten an, als er zu Protokoll gab, ein<lb/>
Eid sei allerdings geleistet worden. Dies war deshalb für Jahr belastend,<lb/>
weil nun auch die Bedrohung mit dem Tode noch als möglich gedacht werden<lb/>
konnte, bei der jeder an Jahr als das über Leben und Tod gebietende Ober¬<lb/>
haupt einer Loge gedacht hatte. Hoffmann fagte daher, diese Aussage Wolf<lb/>
Feuersteins hätte gar uicht zu Protokoll genommen werden dürfen ohne die<lb/>
Bemerkung, daß man sich mit Wolf Feuerstein darüber verständigt habe, an<lb/>
welche unerläßliche Formen jeder Eid gebunden sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_383"> Hoffmann sah offenbar die Tragweite dessen, was Feuerstein zu Protokoll<lb/>
gegeben hatte, voraus. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß<lb/>
Feuersteins ungünstiges Urteil über Jahr auf dessen spätern Freund Gervinus<lb/>
und durch Gervinus ans Treitschke übergegangen ist. Von einer knorrigen<lb/>
Eiche sind gewöhnlich auch einige krumme Wurzeln über der Erde zu sehen.<lb/>
Will man nun aber ringsumher die Wurzeln von Erde entblößen, so wird<lb/>
der ganze Baum dadurch untergraben. Das hat Wolf Feuerstein beim alten<lb/>
Jahr gethan, aber Gervinus und Treitschke sind der Wahrheit uicht näher<lb/>
gekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_384"> Ich gebe zu, daß das Urteil der Turner und auch das meines Freundes<lb/>
Euler über Jahr etwas zu günstig ist. Seine Charakterzeichnung durch Hoff¬<lb/>
mann ist die allein richtige. Wenn er einige unbegründete Ausreden Zahns<lb/>
in seinen Bericht aufgenommen hat, um ihm nicht ohne Grund zu schaden, so<lb/>
handelt es sich um die Vorurteile einer politisch noch unreifen Zeit und um<lb/>
Nebendinge. 'Hoffmanns krystallheller Bericht über die Jahnsche Untersuchung<lb/>
ist ein wertvoller Veitrag zur Geschichte der Freiheitskriege und der erste<lb/>
glückliche kulturhistorische Versuch des neunzehnten Jahrhunderts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_385" next="#ID_386"> Was Hoffmann selbst anlangt, so hatte er schon nach der Schlacht bei<lb/>
Dresden die Hoffnung ausgesprochen, daß es ihm vielleicht vergönnt sein<lb/>
werde, sich noch zu etwas Ordentlichem emporzuarbeiten. Mau kaun diese<lb/>
Worte allerdings darauf beziehen, daß seine ganze Thätigkeit als Roman-<lb/>
schreiber erst nach der Dresdner Zeit anfängt. Wenn ich aber die ganze Zeit<lb/>
seiner Thätigkeit als Romanschreiber von 1814 bis 1822 dnrch das Jahr 1818,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Zur Ehrenrettung Lrust Theodor Wilhelm Hoffmmms Wollte damit sagen, daß wir ohne diese einsichtsvolle Arbeit eines Zeitgenossen schon damals den Ursprung der demagogischen Untersuchungen aus den Frei¬ heitskriegen gar uicht mehr würden begreifen können. Während es erwiesen ist, daß das Vnndesbnch vorhanden war, ist es zweifelhaft geblieben, ob bei der Aufnahme in den Bund ein Eid geschworen wurde. Die spätern Denunzianten haben auch dies behauptet. Einer fügte sogar hinzu, daß durch den Eid der, der am Bunde zum Verräter würde, mit dem Tode bedroht worden sei. Die andern ehemaligen Mitglieder des deutschen Bundes, nunmehr vornehme Beamte und keineswegs mit Jahr im Gefängnis, behaupteten, daß kein Eid geschworen worden sei. Einer aber, Wolf Feuer¬ stein, schloß sich insofern den Denunzianten an, als er zu Protokoll gab, ein Eid sei allerdings geleistet worden. Dies war deshalb für Jahr belastend, weil nun auch die Bedrohung mit dem Tode noch als möglich gedacht werden konnte, bei der jeder an Jahr als das über Leben und Tod gebietende Ober¬ haupt einer Loge gedacht hatte. Hoffmann fagte daher, diese Aussage Wolf Feuersteins hätte gar uicht zu Protokoll genommen werden dürfen ohne die Bemerkung, daß man sich mit Wolf Feuerstein darüber verständigt habe, an welche unerläßliche Formen jeder Eid gebunden sei. Hoffmann sah offenbar die Tragweite dessen, was Feuerstein zu Protokoll gegeben hatte, voraus. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß Feuersteins ungünstiges Urteil über Jahr auf dessen spätern Freund Gervinus und durch Gervinus ans Treitschke übergegangen ist. Von einer knorrigen Eiche sind gewöhnlich auch einige krumme Wurzeln über der Erde zu sehen. Will man nun aber ringsumher die Wurzeln von Erde entblößen, so wird der ganze Baum dadurch untergraben. Das hat Wolf Feuerstein beim alten Jahr gethan, aber Gervinus und Treitschke sind der Wahrheit uicht näher gekommen. Ich gebe zu, daß das Urteil der Turner und auch das meines Freundes Euler über Jahr etwas zu günstig ist. Seine Charakterzeichnung durch Hoff¬ mann ist die allein richtige. Wenn er einige unbegründete Ausreden Zahns in seinen Bericht aufgenommen hat, um ihm nicht ohne Grund zu schaden, so handelt es sich um die Vorurteile einer politisch noch unreifen Zeit und um Nebendinge. 'Hoffmanns krystallheller Bericht über die Jahnsche Untersuchung ist ein wertvoller Veitrag zur Geschichte der Freiheitskriege und der erste glückliche kulturhistorische Versuch des neunzehnten Jahrhunderts. Was Hoffmann selbst anlangt, so hatte er schon nach der Schlacht bei Dresden die Hoffnung ausgesprochen, daß es ihm vielleicht vergönnt sein werde, sich noch zu etwas Ordentlichem emporzuarbeiten. Mau kaun diese Worte allerdings darauf beziehen, daß seine ganze Thätigkeit als Roman- schreiber erst nach der Dresdner Zeit anfängt. Wenn ich aber die ganze Zeit seiner Thätigkeit als Romanschreiber von 1814 bis 1822 dnrch das Jahr 1818,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/135>, abgerufen am 23.07.2024.