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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Zur Ehrenrettung Ernst Theodor !vnde!in Hoffmanns

daß dieser gerade einer der nunmehrigen Denunzianten war. Warf man dein
deutschen Bunde vor, daß seine Mitglieder den Krieg auf eigne Hand hätten
anfangen wollen, so antwortete Hoffmann, daß ja dann die Einzelnen schon
1809 mit Schilt hätten ausziehen können. Er behauptete, daß sie es im
Gegenteil vertrauensvoll den Staatsmännern und Generalen hätten überlassen
wolle", den richtigen Augenblick der Volkserhebung zu bestimmen. Das habe
Gueiseimu und habe Scharnhorst gewußt. Durch diese sei wahrscheinlich auch
der König einmal von dem Bestehen des Bundes unterrichtet worden. Die
Mitglieder hätten sich für das Lühvwsche Freikorps aufgespart, das eine
Schöpfung des Bundes sei. Als Schöpfer des Lützowschen Freikorps dürfe
aber Jahr mit seinen Freunden nicht angeklagt werden, weil der König diese
Freischar ausdrücklich unter seine regulären Truppe" eingestellt habe.

Im Jahre 1812 löste sich der deutsche Bund ans. Das Buudesbuch ver¬
schwand. Es ist nicht gewiß, ob es in einer eisernen .Kiste beim "düstern Keller"
an der Hasenheide vergraben wurde oder nicht. Der düstere Keller, wie es
scheint, damals ein angesehener und behaglicher Fuhrmauusgasthof vor dem
Hallischen Thore, wo mich die von Vvrnemann plattdeutsch besungenen Berliner
DvunerstagSmahlzeiteu stnttfaudeu, war die Stammkneipe der Turnlehrer und
Bundesbrüder. Das Verschwinden des Bnndesbuches in einem eisernen Kasten
war so gut als erwiesen. Die Denunzianten schlössen auch hieraus auf Hoch¬
verrat. Warum aber, sagt Hoffmann, sollte denn das Bundesbuch den Fran¬
zosen in die Hände fallen, als sie nach Rußland gingen?

Hier stehen wir an der Quelle der volkstümlichen Bewegung von 1813.
Es ist natürlich nicht richtig, daß Jahr im Jahre 1809 mit Schill (einem
ganz ausgezeichneten Strategen, weit über Lützow) wesentlich noch nicht einig
gewesen sein soll. Er war im Gegenteil schon seit 1806 wie el" spanischer
Gnerillero mit zwei Dolchen im Gewände umhergezogen. Dennoch hatte er von
Anfang an als Ziel eine allgemeinere Volkserhebung vor Augen. Zuerst in
den: Bundesbuche und dann in der eisernen Vnndeslade befand sich, wenn auch
vielleicht kein Tropfen demokratischen Oich, so doch unter allen Umständen der
Sauerteig, ohne den nachher die allgemeine Volkserhebung, zu der es Theodor
Körners und der andern Lützower bedürfte, nicht hätte aufgehen können. Es
geschah nicht ohne diesen volkstümlichen Sauerteig, daß die Bewegung von
1813 und 1815 so kostbar bereitet wurde.

Dies alles^hat Hoffmann in seinem Berichte der unmittelbar unter den
Minister von Schnclmann gestellten Jmmediatnntersuchungskvmmissivn zuerst
erkannt und sehr rein dargestellt. So antwortete mir denn Max Duncker, be¬
kanntlich einer der vorzüglichsten Kenner der preußischen Geschichte, als ich ihn
im Jahre 185)5 auf einem Spaziergnnge nach der steinernen Nenne bei Hasserode
fragte, ob er dies damals von mir dem Druck übergebe"? Hoffmannsche Akten¬
stück genau durchgelesen habe: "Das Ding ist monumental." Max Duncker


Zur Ehrenrettung Ernst Theodor !vnde!in Hoffmanns

daß dieser gerade einer der nunmehrigen Denunzianten war. Warf man dein
deutschen Bunde vor, daß seine Mitglieder den Krieg auf eigne Hand hätten
anfangen wollen, so antwortete Hoffmann, daß ja dann die Einzelnen schon
1809 mit Schilt hätten ausziehen können. Er behauptete, daß sie es im
Gegenteil vertrauensvoll den Staatsmännern und Generalen hätten überlassen
wolle», den richtigen Augenblick der Volkserhebung zu bestimmen. Das habe
Gueiseimu und habe Scharnhorst gewußt. Durch diese sei wahrscheinlich auch
der König einmal von dem Bestehen des Bundes unterrichtet worden. Die
Mitglieder hätten sich für das Lühvwsche Freikorps aufgespart, das eine
Schöpfung des Bundes sei. Als Schöpfer des Lützowschen Freikorps dürfe
aber Jahr mit seinen Freunden nicht angeklagt werden, weil der König diese
Freischar ausdrücklich unter seine regulären Truppe» eingestellt habe.

Im Jahre 1812 löste sich der deutsche Bund ans. Das Buudesbuch ver¬
schwand. Es ist nicht gewiß, ob es in einer eisernen .Kiste beim „düstern Keller"
an der Hasenheide vergraben wurde oder nicht. Der düstere Keller, wie es
scheint, damals ein angesehener und behaglicher Fuhrmauusgasthof vor dem
Hallischen Thore, wo mich die von Vvrnemann plattdeutsch besungenen Berliner
DvunerstagSmahlzeiteu stnttfaudeu, war die Stammkneipe der Turnlehrer und
Bundesbrüder. Das Verschwinden des Bnndesbuches in einem eisernen Kasten
war so gut als erwiesen. Die Denunzianten schlössen auch hieraus auf Hoch¬
verrat. Warum aber, sagt Hoffmann, sollte denn das Bundesbuch den Fran¬
zosen in die Hände fallen, als sie nach Rußland gingen?

Hier stehen wir an der Quelle der volkstümlichen Bewegung von 1813.
Es ist natürlich nicht richtig, daß Jahr im Jahre 1809 mit Schill (einem
ganz ausgezeichneten Strategen, weit über Lützow) wesentlich noch nicht einig
gewesen sein soll. Er war im Gegenteil schon seit 1806 wie el» spanischer
Gnerillero mit zwei Dolchen im Gewände umhergezogen. Dennoch hatte er von
Anfang an als Ziel eine allgemeinere Volkserhebung vor Augen. Zuerst in
den: Bundesbuche und dann in der eisernen Vnndeslade befand sich, wenn auch
vielleicht kein Tropfen demokratischen Oich, so doch unter allen Umständen der
Sauerteig, ohne den nachher die allgemeine Volkserhebung, zu der es Theodor
Körners und der andern Lützower bedürfte, nicht hätte aufgehen können. Es
geschah nicht ohne diesen volkstümlichen Sauerteig, daß die Bewegung von
1813 und 1815 so kostbar bereitet wurde.

Dies alles^hat Hoffmann in seinem Berichte der unmittelbar unter den
Minister von Schnclmann gestellten Jmmediatnntersuchungskvmmissivn zuerst
erkannt und sehr rein dargestellt. So antwortete mir denn Max Duncker, be¬
kanntlich einer der vorzüglichsten Kenner der preußischen Geschichte, als ich ihn
im Jahre 185)5 auf einem Spaziergnnge nach der steinernen Nenne bei Hasserode
fragte, ob er dies damals von mir dem Druck übergebe»? Hoffmannsche Akten¬
stück genau durchgelesen habe: „Das Ding ist monumental." Max Duncker


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[0134] Zur Ehrenrettung Ernst Theodor !vnde!in Hoffmanns daß dieser gerade einer der nunmehrigen Denunzianten war. Warf man dein deutschen Bunde vor, daß seine Mitglieder den Krieg auf eigne Hand hätten anfangen wollen, so antwortete Hoffmann, daß ja dann die Einzelnen schon 1809 mit Schilt hätten ausziehen können. Er behauptete, daß sie es im Gegenteil vertrauensvoll den Staatsmännern und Generalen hätten überlassen wolle», den richtigen Augenblick der Volkserhebung zu bestimmen. Das habe Gueiseimu und habe Scharnhorst gewußt. Durch diese sei wahrscheinlich auch der König einmal von dem Bestehen des Bundes unterrichtet worden. Die Mitglieder hätten sich für das Lühvwsche Freikorps aufgespart, das eine Schöpfung des Bundes sei. Als Schöpfer des Lützowschen Freikorps dürfe aber Jahr mit seinen Freunden nicht angeklagt werden, weil der König diese Freischar ausdrücklich unter seine regulären Truppe» eingestellt habe. Im Jahre 1812 löste sich der deutsche Bund ans. Das Buudesbuch ver¬ schwand. Es ist nicht gewiß, ob es in einer eisernen .Kiste beim „düstern Keller" an der Hasenheide vergraben wurde oder nicht. Der düstere Keller, wie es scheint, damals ein angesehener und behaglicher Fuhrmauusgasthof vor dem Hallischen Thore, wo mich die von Vvrnemann plattdeutsch besungenen Berliner DvunerstagSmahlzeiteu stnttfaudeu, war die Stammkneipe der Turnlehrer und Bundesbrüder. Das Verschwinden des Bnndesbuches in einem eisernen Kasten war so gut als erwiesen. Die Denunzianten schlössen auch hieraus auf Hoch¬ verrat. Warum aber, sagt Hoffmann, sollte denn das Bundesbuch den Fran¬ zosen in die Hände fallen, als sie nach Rußland gingen? Hier stehen wir an der Quelle der volkstümlichen Bewegung von 1813. Es ist natürlich nicht richtig, daß Jahr im Jahre 1809 mit Schill (einem ganz ausgezeichneten Strategen, weit über Lützow) wesentlich noch nicht einig gewesen sein soll. Er war im Gegenteil schon seit 1806 wie el» spanischer Gnerillero mit zwei Dolchen im Gewände umhergezogen. Dennoch hatte er von Anfang an als Ziel eine allgemeinere Volkserhebung vor Augen. Zuerst in den: Bundesbuche und dann in der eisernen Vnndeslade befand sich, wenn auch vielleicht kein Tropfen demokratischen Oich, so doch unter allen Umständen der Sauerteig, ohne den nachher die allgemeine Volkserhebung, zu der es Theodor Körners und der andern Lützower bedürfte, nicht hätte aufgehen können. Es geschah nicht ohne diesen volkstümlichen Sauerteig, daß die Bewegung von 1813 und 1815 so kostbar bereitet wurde. Dies alles^hat Hoffmann in seinem Berichte der unmittelbar unter den Minister von Schnclmann gestellten Jmmediatnntersuchungskvmmissivn zuerst erkannt und sehr rein dargestellt. So antwortete mir denn Max Duncker, be¬ kanntlich einer der vorzüglichsten Kenner der preußischen Geschichte, als ich ihn im Jahre 185)5 auf einem Spaziergnnge nach der steinernen Nenne bei Hasserode fragte, ob er dies damals von mir dem Druck übergebe»? Hoffmannsche Akten¬ stück genau durchgelesen habe: „Das Ding ist monumental." Max Duncker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/134>, abgerufen am 25.08.2024.