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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Bauernbefreiung in Preußen

Waren, wenn auch mit geringem Erfolg. Das Gesamtergebnis der königlichen
Fürsorge, um das vorauszunehmen, war: daß der Bauernschutz in dein an¬
gegebnen Sinne gelang, daß die Dienstbarkeit der Domäuenbmiern gemildert
wurde, daß aber irgendwelche Besserung der Lage der ritterschaftlichen Bauern
gegen den entschlossene" Widerstand des Adels und der mit diesem verbündeten
Bureaukratie nicht durchzusetzen war und hier alles beim Alten blieb. Die
düstern Bilder aus dem. Bauernleben, die Knapp von Seite 67 ab bringt,
entstammen der Zeit um 1800, und von den Adelsbauern in Pommern be¬
richtet die pommersche Regierung 1809 an das Ministerium des Innern:
"Wenn man die Nutzungen, welche die Herrschaft von den Bauerngütern be¬
zieht, mit den Nutzungen vergleicht, welche die Inhaber der Stelle davon
beziehen, so ist in der Regel nichts gewisser, als daß die Herrschaften den
größten Anteil an den Produkten der Höfe haben, die Inhaber derselben aber
uur als Dienstboten, welche mit einem kärglichen Deputate ausgestattet werden,
zu betrachte" sind."

Die ersten Befreiungsversuche fallen in die Zeit^ Friedrichs I. In dem
Bericht über die von ihm bestellte Komuussionsarbeit heißt es, die Freilassung
der Unterthanen sei zu rate", teils wegen der zu erwartenden Loskanfgelder,
teils auch weil die Leibeigenschaft "unter Christen billigmichtistattfinden sollte."
Dazu kam dann uoch, daß die ritterschaftlichen wie die Domänenbanern scharen¬
weise nach Polen zu fliehe" anfingen, wie 1708 aus Preußen, 1718 aus
Pommern berichtet wird. Friedrich Wilhelm I. nahm sich der pommerschen
und preußischen Bauern, die er wenigstens so weit heben wollte, daß sie leben
könnten wie die Bauern in der Kurmark, so eifrig an, daß die Entschädigungs¬
gelder für ihn in den Hintergrund traten. "Die Behörden müssen ihn, den
sonst so haushälterischer Herrscher, stets erinnern, daß er nicht alles "gar
umbsonst" weggehe." Friedrich der Große^setzte auf geräuschlosere Weise mehr
durch als sein Vater; er sicherte den Vanernkindern das väterliche Erbe und
hob das Recht des Domänenpächters ans, die Söhne und Töchter der Bauern
zwangsweise in sein Gesinde einzustellen. Mit seinen weitergehenden hoch¬
fliegenden Plänen freilich drang der große König nicht durch. Im Jahre 1763
diktirte er zu Kolberg dem dort angestellten Finanzrat von Brenckenhoff die
merkwürdigen Worte: "Sollen absolut und ohne das geringste Räsonniren
alle Leibeigenschaften von Stund an gänzlich abgeschaffet werden." Aber in
demselben Jahre dürfen sich die pommerschen Stände rühmen: "Das Hof¬
gericht nimmt keine Klagen der Bauern an, sondern weist dieselbe" an ihre
Erbobrigkciten zurück." Das heißt, der Bauer ist rechtlos; sein Herr ist zu¬
gleich sein einziger Richter. Und dabei bleibt es vorläufig; "die uubeschrünkte
Monarchie sieht sich an Händen und Füßen gebunden durch die Kollegien."

Die französische Revolution und das Unglück von Jena waren notwendig,
um eine Lage herbeizuführen, in der alle Rücksicht auf Sonderinteressen bei-


Die Bauernbefreiung in Preußen

Waren, wenn auch mit geringem Erfolg. Das Gesamtergebnis der königlichen
Fürsorge, um das vorauszunehmen, war: daß der Bauernschutz in dein an¬
gegebnen Sinne gelang, daß die Dienstbarkeit der Domäuenbmiern gemildert
wurde, daß aber irgendwelche Besserung der Lage der ritterschaftlichen Bauern
gegen den entschlossene» Widerstand des Adels und der mit diesem verbündeten
Bureaukratie nicht durchzusetzen war und hier alles beim Alten blieb. Die
düstern Bilder aus dem. Bauernleben, die Knapp von Seite 67 ab bringt,
entstammen der Zeit um 1800, und von den Adelsbauern in Pommern be¬
richtet die pommersche Regierung 1809 an das Ministerium des Innern:
„Wenn man die Nutzungen, welche die Herrschaft von den Bauerngütern be¬
zieht, mit den Nutzungen vergleicht, welche die Inhaber der Stelle davon
beziehen, so ist in der Regel nichts gewisser, als daß die Herrschaften den
größten Anteil an den Produkten der Höfe haben, die Inhaber derselben aber
uur als Dienstboten, welche mit einem kärglichen Deputate ausgestattet werden,
zu betrachte« sind."

Die ersten Befreiungsversuche fallen in die Zeit^ Friedrichs I. In dem
Bericht über die von ihm bestellte Komuussionsarbeit heißt es, die Freilassung
der Unterthanen sei zu rate», teils wegen der zu erwartenden Loskanfgelder,
teils auch weil die Leibeigenschaft „unter Christen billigmichtistattfinden sollte."
Dazu kam dann uoch, daß die ritterschaftlichen wie die Domänenbanern scharen¬
weise nach Polen zu fliehe« anfingen, wie 1708 aus Preußen, 1718 aus
Pommern berichtet wird. Friedrich Wilhelm I. nahm sich der pommerschen
und preußischen Bauern, die er wenigstens so weit heben wollte, daß sie leben
könnten wie die Bauern in der Kurmark, so eifrig an, daß die Entschädigungs¬
gelder für ihn in den Hintergrund traten. „Die Behörden müssen ihn, den
sonst so haushälterischer Herrscher, stets erinnern, daß er nicht alles »gar
umbsonst« weggehe." Friedrich der Große^setzte auf geräuschlosere Weise mehr
durch als sein Vater; er sicherte den Vanernkindern das väterliche Erbe und
hob das Recht des Domänenpächters ans, die Söhne und Töchter der Bauern
zwangsweise in sein Gesinde einzustellen. Mit seinen weitergehenden hoch¬
fliegenden Plänen freilich drang der große König nicht durch. Im Jahre 1763
diktirte er zu Kolberg dem dort angestellten Finanzrat von Brenckenhoff die
merkwürdigen Worte: „Sollen absolut und ohne das geringste Räsonniren
alle Leibeigenschaften von Stund an gänzlich abgeschaffet werden." Aber in
demselben Jahre dürfen sich die pommerschen Stände rühmen: „Das Hof¬
gericht nimmt keine Klagen der Bauern an, sondern weist dieselbe» an ihre
Erbobrigkciten zurück." Das heißt, der Bauer ist rechtlos; sein Herr ist zu¬
gleich sein einziger Richter. Und dabei bleibt es vorläufig; „die uubeschrünkte
Monarchie sieht sich an Händen und Füßen gebunden durch die Kollegien."

Die französische Revolution und das Unglück von Jena waren notwendig,
um eine Lage herbeizuführen, in der alle Rücksicht auf Sonderinteressen bei-


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[0123] Die Bauernbefreiung in Preußen Waren, wenn auch mit geringem Erfolg. Das Gesamtergebnis der königlichen Fürsorge, um das vorauszunehmen, war: daß der Bauernschutz in dein an¬ gegebnen Sinne gelang, daß die Dienstbarkeit der Domäuenbmiern gemildert wurde, daß aber irgendwelche Besserung der Lage der ritterschaftlichen Bauern gegen den entschlossene» Widerstand des Adels und der mit diesem verbündeten Bureaukratie nicht durchzusetzen war und hier alles beim Alten blieb. Die düstern Bilder aus dem. Bauernleben, die Knapp von Seite 67 ab bringt, entstammen der Zeit um 1800, und von den Adelsbauern in Pommern be¬ richtet die pommersche Regierung 1809 an das Ministerium des Innern: „Wenn man die Nutzungen, welche die Herrschaft von den Bauerngütern be¬ zieht, mit den Nutzungen vergleicht, welche die Inhaber der Stelle davon beziehen, so ist in der Regel nichts gewisser, als daß die Herrschaften den größten Anteil an den Produkten der Höfe haben, die Inhaber derselben aber uur als Dienstboten, welche mit einem kärglichen Deputate ausgestattet werden, zu betrachte« sind." Die ersten Befreiungsversuche fallen in die Zeit^ Friedrichs I. In dem Bericht über die von ihm bestellte Komuussionsarbeit heißt es, die Freilassung der Unterthanen sei zu rate», teils wegen der zu erwartenden Loskanfgelder, teils auch weil die Leibeigenschaft „unter Christen billigmichtistattfinden sollte." Dazu kam dann uoch, daß die ritterschaftlichen wie die Domänenbanern scharen¬ weise nach Polen zu fliehe« anfingen, wie 1708 aus Preußen, 1718 aus Pommern berichtet wird. Friedrich Wilhelm I. nahm sich der pommerschen und preußischen Bauern, die er wenigstens so weit heben wollte, daß sie leben könnten wie die Bauern in der Kurmark, so eifrig an, daß die Entschädigungs¬ gelder für ihn in den Hintergrund traten. „Die Behörden müssen ihn, den sonst so haushälterischer Herrscher, stets erinnern, daß er nicht alles »gar umbsonst« weggehe." Friedrich der Große^setzte auf geräuschlosere Weise mehr durch als sein Vater; er sicherte den Vanernkindern das väterliche Erbe und hob das Recht des Domänenpächters ans, die Söhne und Töchter der Bauern zwangsweise in sein Gesinde einzustellen. Mit seinen weitergehenden hoch¬ fliegenden Plänen freilich drang der große König nicht durch. Im Jahre 1763 diktirte er zu Kolberg dem dort angestellten Finanzrat von Brenckenhoff die merkwürdigen Worte: „Sollen absolut und ohne das geringste Räsonniren alle Leibeigenschaften von Stund an gänzlich abgeschaffet werden." Aber in demselben Jahre dürfen sich die pommerschen Stände rühmen: „Das Hof¬ gericht nimmt keine Klagen der Bauern an, sondern weist dieselbe» an ihre Erbobrigkciten zurück." Das heißt, der Bauer ist rechtlos; sein Herr ist zu¬ gleich sein einziger Richter. Und dabei bleibt es vorläufig; „die uubeschrünkte Monarchie sieht sich an Händen und Füßen gebunden durch die Kollegien." Die französische Revolution und das Unglück von Jena waren notwendig, um eine Lage herbeizuführen, in der alle Rücksicht auf Sonderinteressen bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/123>, abgerufen am 25.08.2024.