Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Der Zusainmcnschlilß aller Grdmlugspartei>,'n Aber solche Zweifel können doch nur erhoben werden, um sofort ver¬ Dieselben Kräfte, die den nationalen Gedanken gepflegt, verbreitet und Doch es sind nicht bloß unbestimmte Vermutungen und Hoffnungen auf Die Bewegung, die aufräumen wird mit den Parteien einer vergangenen Und wie sie selbst die negative Seite der Bewegung ist, so ist jeder Sieg, Der Zusainmcnschlilß aller Grdmlugspartei>,'n Aber solche Zweifel können doch nur erhoben werden, um sofort ver¬ Dieselben Kräfte, die den nationalen Gedanken gepflegt, verbreitet und Doch es sind nicht bloß unbestimmte Vermutungen und Hoffnungen auf Die Bewegung, die aufräumen wird mit den Parteien einer vergangenen Und wie sie selbst die negative Seite der Bewegung ist, so ist jeder Sieg, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209344"/> <fw type="header" place="top"> Der Zusainmcnschlilß aller Grdmlugspartei>,'n</fw><lb/> <p xml:id="ID_298"> Aber solche Zweifel können doch nur erhoben werden, um sofort ver¬<lb/> worfen zu werden. Ein Volk, das nach jahrhundertelanger Verkümmerung<lb/> und Zersplitterung in beispiellosem Siegeslaufe die Sehnsucht seiner Vorfahren,<lb/> den nationalen Einheitsstaat, errichtet hat, das eben noch in lebendiger<lb/> Schaffenskraft ihn politisch befestigt und ausgebaut hat, das kann und wird<lb/> zwar nach solchen Erfolgen Zeiten vorübergehender Erschlaffung haben, aber<lb/> dem Tode geweiht ist es sicherlich noch nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_299"> Dieselben Kräfte, die den nationalen Gedanken gepflegt, verbreitet und<lb/> zum Siege geführt haben, die werden auch, früher oder später zu dem Bewußt¬<lb/> sein ihrer neuen Pflichten kommend, den sozialen Gedanken ergreifen und ihm<lb/> mit deutscher Treue, Gewissenhaftigkeit und Thatkraft zum Siege verhelfen;<lb/> und, wie im rechten Augenblicke der Mann erstand, der alle auf das natio¬<lb/> nale Ziel hinstrebenden Kräfte zusammenfassend, den Einheitsgedanken ver¬<lb/> wirklichte, so wird auch — denn Männer allein machen die Geschichte — der<lb/> gewaltige Reformator kommen, der unsrer Sehnsucht nach einer Besserung<lb/> der sozialen und sittlichen Zustände die bestimmte Richtung, den hier und<lb/> dort verzettelten Kräften die einheitliche Leitung giebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_300"> Doch es sind nicht bloß unbestimmte Vermutungen und Hoffnungen auf<lb/> eine bessere Zukunft, die wir hegen; schon in der Gegenwart wird der Tiefer¬<lb/> blickende die Keime der Entwicklung leicht erkennen können, die zum Zusammen¬<lb/> schluß aller wahrhaft staatserhaltenden Elemente führt.</p><lb/> <p xml:id="ID_301"> Die Bewegung, die aufräumen wird mit den Parteien einer vergangenen<lb/> Zeit und dahinbrausen wird wie ein klärender Gewittersturm, wird nicht bloß<lb/> kommen, weil sie kommen muß, sie ist schon in ihren ersten Ansätzen da. Was<lb/> ist denn die Sozialdemokratie anders, als die Kehrseite jener Bewegung?<lb/> Wenn wir von ihrem revolutionären Charakter absehen, ist sie ja schon inso¬<lb/> fern eine jener neuen Parteien, als sie bereits die sozialen Aufgaben in den<lb/> Mittelpunkt ihres Programmes gestellt hat. Weiser als manche Parteien, die<lb/> sich unendlich über sie erhaben dünken, wird sie in dieser Beziehung den realen<lb/> Bedürfnissen der Gegenwart gerecht, und hierin liegt, zumal bei der Schwäche<lb/> der Gegenbewegung, ihr gewaltiger Zauber. ^</p><lb/> <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Und wie sie selbst die negative Seite der Bewegung ist, so ist jeder Sieg,<lb/> den sie ersieht, zugleich auch eine Förderung der die alten Parteien umbildenden<lb/> Gegenbewegung, so ist sie Miterzeugerin der Gegenbewegung. Je mehr die<lb/> Sozialdemokratie vordringt, desto dringender wird die soziale Frage, desto mehr<lb/> treten die politischen hinter den sozialen Aufgaben zurück, desto größer wird<lb/> die Notwendigkeit, die kleinlichen Parteiinteressen zu verlassen und aus den<lb/> verschiednen Parteilagern zur Bildung der sozialmonarchischen Partei zusammen¬<lb/> zutreten. Das erscheint uns so naturgemäß, so tief in den Ereignissen und<lb/> Bedürfnissen der Gegenwart begründet zu sein, daß wir es nicht verstehen<lb/> können, wie dieser Gedankengang nicht schon mehr Eingang gefunden hat in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
Der Zusainmcnschlilß aller Grdmlugspartei>,'n
Aber solche Zweifel können doch nur erhoben werden, um sofort ver¬
worfen zu werden. Ein Volk, das nach jahrhundertelanger Verkümmerung
und Zersplitterung in beispiellosem Siegeslaufe die Sehnsucht seiner Vorfahren,
den nationalen Einheitsstaat, errichtet hat, das eben noch in lebendiger
Schaffenskraft ihn politisch befestigt und ausgebaut hat, das kann und wird
zwar nach solchen Erfolgen Zeiten vorübergehender Erschlaffung haben, aber
dem Tode geweiht ist es sicherlich noch nicht.
Dieselben Kräfte, die den nationalen Gedanken gepflegt, verbreitet und
zum Siege geführt haben, die werden auch, früher oder später zu dem Bewußt¬
sein ihrer neuen Pflichten kommend, den sozialen Gedanken ergreifen und ihm
mit deutscher Treue, Gewissenhaftigkeit und Thatkraft zum Siege verhelfen;
und, wie im rechten Augenblicke der Mann erstand, der alle auf das natio¬
nale Ziel hinstrebenden Kräfte zusammenfassend, den Einheitsgedanken ver¬
wirklichte, so wird auch — denn Männer allein machen die Geschichte — der
gewaltige Reformator kommen, der unsrer Sehnsucht nach einer Besserung
der sozialen und sittlichen Zustände die bestimmte Richtung, den hier und
dort verzettelten Kräften die einheitliche Leitung giebt.
Doch es sind nicht bloß unbestimmte Vermutungen und Hoffnungen auf
eine bessere Zukunft, die wir hegen; schon in der Gegenwart wird der Tiefer¬
blickende die Keime der Entwicklung leicht erkennen können, die zum Zusammen¬
schluß aller wahrhaft staatserhaltenden Elemente führt.
Die Bewegung, die aufräumen wird mit den Parteien einer vergangenen
Zeit und dahinbrausen wird wie ein klärender Gewittersturm, wird nicht bloß
kommen, weil sie kommen muß, sie ist schon in ihren ersten Ansätzen da. Was
ist denn die Sozialdemokratie anders, als die Kehrseite jener Bewegung?
Wenn wir von ihrem revolutionären Charakter absehen, ist sie ja schon inso¬
fern eine jener neuen Parteien, als sie bereits die sozialen Aufgaben in den
Mittelpunkt ihres Programmes gestellt hat. Weiser als manche Parteien, die
sich unendlich über sie erhaben dünken, wird sie in dieser Beziehung den realen
Bedürfnissen der Gegenwart gerecht, und hierin liegt, zumal bei der Schwäche
der Gegenbewegung, ihr gewaltiger Zauber. ^
Und wie sie selbst die negative Seite der Bewegung ist, so ist jeder Sieg,
den sie ersieht, zugleich auch eine Förderung der die alten Parteien umbildenden
Gegenbewegung, so ist sie Miterzeugerin der Gegenbewegung. Je mehr die
Sozialdemokratie vordringt, desto dringender wird die soziale Frage, desto mehr
treten die politischen hinter den sozialen Aufgaben zurück, desto größer wird
die Notwendigkeit, die kleinlichen Parteiinteressen zu verlassen und aus den
verschiednen Parteilagern zur Bildung der sozialmonarchischen Partei zusammen¬
zutreten. Das erscheint uns so naturgemäß, so tief in den Ereignissen und
Bedürfnissen der Gegenwart begründet zu sein, daß wir es nicht verstehen
können, wie dieser Gedankengang nicht schon mehr Eingang gefunden hat in
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