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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Aufrücken der Lehrer an den höhern Unterrichtsanstalten Preußens

dasteht, hat nun eine Menge von übelstäuden im Gefolge, und die Gymnasial¬
lehrer sind daher wiederholt bemüht gewesen, die Augen der Behörden in Bitt¬
schriften und statistischen Erhebungen darauf hinzulenken. Auch diesmal lagen
derartige Bittschriften von schlesischen Gymnasien vor. Der Herr Kultus¬
minister hat auch diesmal wieder, wie schon im Jahre 1885, die Notlage an¬
erkannt, aber zu einer schleunigen Abhilfe, wie sie die Redner aller Parteien
beider Häuser einstimmig verlangen, scheint man sich nur schwer entschließen zu
können.

Es soll nun nicht verkannt werden, daß Schwierigkeiten mancherlei Art
zu überwinden sind, die mit der Schulreform zusammenhängen; aber unüber¬
windlich sind sie doch keineswegs. Es scheint fast, als ob man meinte, es
käme den Gymnasiallehrern nur darauf an, eiuen höhern Gehalt zu erreichen.
Das ist nicht der Fall. Die Wünsche der Gymnasiallehrer zielen viel mehr
auf einen regelmäßig mit dem Dienstalter steigenden Gehalt hin, als auf Er¬
höhung des Gehaltes. Die meisten Lehrer würden vollständig zufrieden sein,
wenn ihnen von der Behörde die Zusicherung zuteil würde, daß sie nach
dreißig- oder vierzigjähriger treuer Dienstzeit auch einmal den höchsten Gehalt
von 4500 Mark beziehen werden, einen Gehalt, den jetzt nnr einige wenige
erreichen.

Auch die Ansicht trifft nicht das Rechte, es seien nur die tragen Elemente
im Lehrerstande, die den Wunsch auf regelmäßiges Aufrücken hegten; denn
anders können doch Wohl die Worte des Herrn Kultusministers vom 8. Mai
nicht verstanden werden: "Die Hauptsache ist, daß das Unterrichtswesen kräftig
fortschreitet, daß man nicht im Lehrerstande trüge Leute hat, die wissen, du
kommst auch vorwärts, das wird sich schon machen, ohne daß dn in das Leben
des Knaben wirksam eingreifst; das ist egal, der Staat muß dich bezahlen,
weggeschickt, disziplinirt kannst du nicht werden, so schlecht bist du nicht."
Das sind harte Worte, die sich schwer auf das Herz jedes Lehrers legen müssen,
der den genannten Wunsch hegt, und das sind fast alle. Wenigstens ist dem
Schreiber dieser Zeilen trotz seiner großen Bekanntschaft in den Kreisen der
Kollegen noch keiner begegnet, selbst nicht unter denen, die durch die jetzige
Art des Aufrückens Vorteil gehabt haben -- und zu diesen rechnet sich der
Schreibende augenblicklich auch noch --, der nicht diese Art des Aufrückens ganz
und gar verurteilt hätte.

Darüber, wie das Aufrücken in Zukunft zu gestalten sei, sollen hier keine
Vorschläge gemacht werden. Es soll nur an der Hand von Beispielen ge¬
zeigt werden, wie berechtigt das Streben der Gymnasiallehrer ist, einen
mit den Dienstjahren regelmäßig steigenden Gehalt zu erreichen, und wie
nötig es ist, hier Wandel zu schaffen; denn es handelt sich darum, dem
Stande, dem die Erziehung der Jugend anvertraut ist, die Berufsfreudigkeit
zu erhalte".


Das Aufrücken der Lehrer an den höhern Unterrichtsanstalten Preußens

dasteht, hat nun eine Menge von übelstäuden im Gefolge, und die Gymnasial¬
lehrer sind daher wiederholt bemüht gewesen, die Augen der Behörden in Bitt¬
schriften und statistischen Erhebungen darauf hinzulenken. Auch diesmal lagen
derartige Bittschriften von schlesischen Gymnasien vor. Der Herr Kultus¬
minister hat auch diesmal wieder, wie schon im Jahre 1885, die Notlage an¬
erkannt, aber zu einer schleunigen Abhilfe, wie sie die Redner aller Parteien
beider Häuser einstimmig verlangen, scheint man sich nur schwer entschließen zu
können.

Es soll nun nicht verkannt werden, daß Schwierigkeiten mancherlei Art
zu überwinden sind, die mit der Schulreform zusammenhängen; aber unüber¬
windlich sind sie doch keineswegs. Es scheint fast, als ob man meinte, es
käme den Gymnasiallehrern nur darauf an, eiuen höhern Gehalt zu erreichen.
Das ist nicht der Fall. Die Wünsche der Gymnasiallehrer zielen viel mehr
auf einen regelmäßig mit dem Dienstalter steigenden Gehalt hin, als auf Er¬
höhung des Gehaltes. Die meisten Lehrer würden vollständig zufrieden sein,
wenn ihnen von der Behörde die Zusicherung zuteil würde, daß sie nach
dreißig- oder vierzigjähriger treuer Dienstzeit auch einmal den höchsten Gehalt
von 4500 Mark beziehen werden, einen Gehalt, den jetzt nnr einige wenige
erreichen.

Auch die Ansicht trifft nicht das Rechte, es seien nur die tragen Elemente
im Lehrerstande, die den Wunsch auf regelmäßiges Aufrücken hegten; denn
anders können doch Wohl die Worte des Herrn Kultusministers vom 8. Mai
nicht verstanden werden: „Die Hauptsache ist, daß das Unterrichtswesen kräftig
fortschreitet, daß man nicht im Lehrerstande trüge Leute hat, die wissen, du
kommst auch vorwärts, das wird sich schon machen, ohne daß dn in das Leben
des Knaben wirksam eingreifst; das ist egal, der Staat muß dich bezahlen,
weggeschickt, disziplinirt kannst du nicht werden, so schlecht bist du nicht."
Das sind harte Worte, die sich schwer auf das Herz jedes Lehrers legen müssen,
der den genannten Wunsch hegt, und das sind fast alle. Wenigstens ist dem
Schreiber dieser Zeilen trotz seiner großen Bekanntschaft in den Kreisen der
Kollegen noch keiner begegnet, selbst nicht unter denen, die durch die jetzige
Art des Aufrückens Vorteil gehabt haben — und zu diesen rechnet sich der
Schreibende augenblicklich auch noch —, der nicht diese Art des Aufrückens ganz
und gar verurteilt hätte.

Darüber, wie das Aufrücken in Zukunft zu gestalten sei, sollen hier keine
Vorschläge gemacht werden. Es soll nur an der Hand von Beispielen ge¬
zeigt werden, wie berechtigt das Streben der Gymnasiallehrer ist, einen
mit den Dienstjahren regelmäßig steigenden Gehalt zu erreichen, und wie
nötig es ist, hier Wandel zu schaffen; denn es handelt sich darum, dem
Stande, dem die Erziehung der Jugend anvertraut ist, die Berufsfreudigkeit
zu erhalte«.


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[0067] Das Aufrücken der Lehrer an den höhern Unterrichtsanstalten Preußens dasteht, hat nun eine Menge von übelstäuden im Gefolge, und die Gymnasial¬ lehrer sind daher wiederholt bemüht gewesen, die Augen der Behörden in Bitt¬ schriften und statistischen Erhebungen darauf hinzulenken. Auch diesmal lagen derartige Bittschriften von schlesischen Gymnasien vor. Der Herr Kultus¬ minister hat auch diesmal wieder, wie schon im Jahre 1885, die Notlage an¬ erkannt, aber zu einer schleunigen Abhilfe, wie sie die Redner aller Parteien beider Häuser einstimmig verlangen, scheint man sich nur schwer entschließen zu können. Es soll nun nicht verkannt werden, daß Schwierigkeiten mancherlei Art zu überwinden sind, die mit der Schulreform zusammenhängen; aber unüber¬ windlich sind sie doch keineswegs. Es scheint fast, als ob man meinte, es käme den Gymnasiallehrern nur darauf an, eiuen höhern Gehalt zu erreichen. Das ist nicht der Fall. Die Wünsche der Gymnasiallehrer zielen viel mehr auf einen regelmäßig mit dem Dienstalter steigenden Gehalt hin, als auf Er¬ höhung des Gehaltes. Die meisten Lehrer würden vollständig zufrieden sein, wenn ihnen von der Behörde die Zusicherung zuteil würde, daß sie nach dreißig- oder vierzigjähriger treuer Dienstzeit auch einmal den höchsten Gehalt von 4500 Mark beziehen werden, einen Gehalt, den jetzt nnr einige wenige erreichen. Auch die Ansicht trifft nicht das Rechte, es seien nur die tragen Elemente im Lehrerstande, die den Wunsch auf regelmäßiges Aufrücken hegten; denn anders können doch Wohl die Worte des Herrn Kultusministers vom 8. Mai nicht verstanden werden: „Die Hauptsache ist, daß das Unterrichtswesen kräftig fortschreitet, daß man nicht im Lehrerstande trüge Leute hat, die wissen, du kommst auch vorwärts, das wird sich schon machen, ohne daß dn in das Leben des Knaben wirksam eingreifst; das ist egal, der Staat muß dich bezahlen, weggeschickt, disziplinirt kannst du nicht werden, so schlecht bist du nicht." Das sind harte Worte, die sich schwer auf das Herz jedes Lehrers legen müssen, der den genannten Wunsch hegt, und das sind fast alle. Wenigstens ist dem Schreiber dieser Zeilen trotz seiner großen Bekanntschaft in den Kreisen der Kollegen noch keiner begegnet, selbst nicht unter denen, die durch die jetzige Art des Aufrückens Vorteil gehabt haben — und zu diesen rechnet sich der Schreibende augenblicklich auch noch —, der nicht diese Art des Aufrückens ganz und gar verurteilt hätte. Darüber, wie das Aufrücken in Zukunft zu gestalten sei, sollen hier keine Vorschläge gemacht werden. Es soll nur an der Hand von Beispielen ge¬ zeigt werden, wie berechtigt das Streben der Gymnasiallehrer ist, einen mit den Dienstjahren regelmäßig steigenden Gehalt zu erreichen, und wie nötig es ist, hier Wandel zu schaffen; denn es handelt sich darum, dem Stande, dem die Erziehung der Jugend anvertraut ist, die Berufsfreudigkeit zu erhalte«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/67>, abgerufen am 23.07.2024.