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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Billige Wohnungen

welche die verfügbaren Mittel gestatten. Zur Nerziusung werden lediglich die
jährlichen Überschüsse aus den Mieterträgen der Hausgruudstücke verwendet, nachdem
von den Mieteinnahmeu die notwendigen Aufwande für bauliche Reparaturen und
Herstellungen, öffentliche Abgaben, Amortisation des Schuldkapitals und Verlvaltung
bestritten worden sind. Doch soll zur Herbeiführung größerer Sicherheit im Zinsen--
bezuge, nach Bestreitung sämtlicher Jahresanfwnnde einschließlich der Nerzinsung
der Anleihe, aus den verbleibenden Überschüssen ein bis zu zehn Prozent des
Schuldkapitals betragender Reservefonds gebildet werden, um erforderlichen Falles
aus demselben insoweit Zinsenzuschüsse zu leisten, daß eine Verzinsung in Höhe
von drei Prozent erreicht wird.

Über die Amortisation des Schnldkapitals wurde festgesetzt, daß sie mit
einem halben Prozent unter Hinzunahme der durch die regelmäßige Amor¬
tisation ersparten Zinsen, mithin in einem Zeiträume von sechsundsechzig Jahren
erfolgen solle.

Dieser Aufruf hatte den erfreulichen Erfolg, daß ans die beabsichtigte
Hausbananleihe Zeichnungen in solcher Höhe gemacht wurden, daß die Er¬
bauung von drei Doppelwohnhänsern zusammen mit vierundzwanzig Wohnungen
gesichert erschien lind auch sofort in Augriff genommen werden konnte. Was
die Einrichtung der Häuser betrifft, die gegenwärtig vollendet sind, so ist
als von allgemeinerem Interesse folgendes hervorzuheben. Jedes Doppel¬
haus hat eine Länge von 23 und eine Tiefe von 8,5 Metern und zerfällt in
zwei gänzlich von einander getrennte Hälften, sodaß jedes Einzelhaus nur vier
Wohnungen umfaßt. Diese Einrichtung hat den Zweck, den dnrch das
Nebeneinanderleben vieler Familien leicht entstehenden Nbelstünden vorzubeugen.
Sämtliche Häuser sind im gesundheitlichen wie im wirtschaftliche"! Interesse
der Bewohner vollständig unterkellert, und für jedes Doppelhaus sind zwei in
dein gewölbten Kellerraume befindliche Waschhäuser eingerichtet. Die Um-
sassungswände der Gebände sind stark massiv aus gebrannten Backsteinen in
Rohbnn mit Zeinenlausfuguug hergestellt. Jede Wohnung besteht aus einer
geräumigen Stube nebst großer Kammer und Küche. Der Ofen der Wohn¬
stube ist mit tüchtiger Kocheiurichtung versehen, während zugleich Rücksicht
darauf genommen ist, daß die mit einfachem, aber praktischem Herde ausge¬
stattete Küche als Kammer benutzt werden kaun. Jeder Mietpartei steht endlich
die Benutzung eines Anteiles an dein unmittelbar am Hause gelegenen Garten
zu. Der Mietpreis für eine Parterrewohnung ist auf 105 Mark, für eine
Wohnung in dem Obergeschoß auf 114 Mark festgesetzt worden.

Vor einigen Monaten siud die Wohnungen zur Vermietung ausgeschrieben
worden. Darauf gingen weit mehr Anmeldungen ein, als Berücksichtigung
finden konnten. Aus gewichtigen Gründen fanden nur brave, bereits längere
Zeit in Weimar angesessene Familien Aufnahme, übrigens ohne grundsätzliche
Bevorzugung des "Arbeiterstandes" im engern Sinne des Wortes. Zu dieser
erweiterten Bestimmung hat die naheliegende Erwägung geführt, daß sehr häufig


Billige Wohnungen

welche die verfügbaren Mittel gestatten. Zur Nerziusung werden lediglich die
jährlichen Überschüsse aus den Mieterträgen der Hausgruudstücke verwendet, nachdem
von den Mieteinnahmeu die notwendigen Aufwande für bauliche Reparaturen und
Herstellungen, öffentliche Abgaben, Amortisation des Schuldkapitals und Verlvaltung
bestritten worden sind. Doch soll zur Herbeiführung größerer Sicherheit im Zinsen--
bezuge, nach Bestreitung sämtlicher Jahresanfwnnde einschließlich der Nerzinsung
der Anleihe, aus den verbleibenden Überschüssen ein bis zu zehn Prozent des
Schuldkapitals betragender Reservefonds gebildet werden, um erforderlichen Falles
aus demselben insoweit Zinsenzuschüsse zu leisten, daß eine Verzinsung in Höhe
von drei Prozent erreicht wird.

Über die Amortisation des Schnldkapitals wurde festgesetzt, daß sie mit
einem halben Prozent unter Hinzunahme der durch die regelmäßige Amor¬
tisation ersparten Zinsen, mithin in einem Zeiträume von sechsundsechzig Jahren
erfolgen solle.

Dieser Aufruf hatte den erfreulichen Erfolg, daß ans die beabsichtigte
Hausbananleihe Zeichnungen in solcher Höhe gemacht wurden, daß die Er¬
bauung von drei Doppelwohnhänsern zusammen mit vierundzwanzig Wohnungen
gesichert erschien lind auch sofort in Augriff genommen werden konnte. Was
die Einrichtung der Häuser betrifft, die gegenwärtig vollendet sind, so ist
als von allgemeinerem Interesse folgendes hervorzuheben. Jedes Doppel¬
haus hat eine Länge von 23 und eine Tiefe von 8,5 Metern und zerfällt in
zwei gänzlich von einander getrennte Hälften, sodaß jedes Einzelhaus nur vier
Wohnungen umfaßt. Diese Einrichtung hat den Zweck, den dnrch das
Nebeneinanderleben vieler Familien leicht entstehenden Nbelstünden vorzubeugen.
Sämtliche Häuser sind im gesundheitlichen wie im wirtschaftliche«! Interesse
der Bewohner vollständig unterkellert, und für jedes Doppelhaus sind zwei in
dein gewölbten Kellerraume befindliche Waschhäuser eingerichtet. Die Um-
sassungswände der Gebände sind stark massiv aus gebrannten Backsteinen in
Rohbnn mit Zeinenlausfuguug hergestellt. Jede Wohnung besteht aus einer
geräumigen Stube nebst großer Kammer und Küche. Der Ofen der Wohn¬
stube ist mit tüchtiger Kocheiurichtung versehen, während zugleich Rücksicht
darauf genommen ist, daß die mit einfachem, aber praktischem Herde ausge¬
stattete Küche als Kammer benutzt werden kaun. Jeder Mietpartei steht endlich
die Benutzung eines Anteiles an dein unmittelbar am Hause gelegenen Garten
zu. Der Mietpreis für eine Parterrewohnung ist auf 105 Mark, für eine
Wohnung in dem Obergeschoß auf 114 Mark festgesetzt worden.

Vor einigen Monaten siud die Wohnungen zur Vermietung ausgeschrieben
worden. Darauf gingen weit mehr Anmeldungen ein, als Berücksichtigung
finden konnten. Aus gewichtigen Gründen fanden nur brave, bereits längere
Zeit in Weimar angesessene Familien Aufnahme, übrigens ohne grundsätzliche
Bevorzugung des „Arbeiterstandes" im engern Sinne des Wortes. Zu dieser
erweiterten Bestimmung hat die naheliegende Erwägung geführt, daß sehr häufig


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[0064] Billige Wohnungen welche die verfügbaren Mittel gestatten. Zur Nerziusung werden lediglich die jährlichen Überschüsse aus den Mieterträgen der Hausgruudstücke verwendet, nachdem von den Mieteinnahmeu die notwendigen Aufwande für bauliche Reparaturen und Herstellungen, öffentliche Abgaben, Amortisation des Schuldkapitals und Verlvaltung bestritten worden sind. Doch soll zur Herbeiführung größerer Sicherheit im Zinsen-- bezuge, nach Bestreitung sämtlicher Jahresanfwnnde einschließlich der Nerzinsung der Anleihe, aus den verbleibenden Überschüssen ein bis zu zehn Prozent des Schuldkapitals betragender Reservefonds gebildet werden, um erforderlichen Falles aus demselben insoweit Zinsenzuschüsse zu leisten, daß eine Verzinsung in Höhe von drei Prozent erreicht wird. Über die Amortisation des Schnldkapitals wurde festgesetzt, daß sie mit einem halben Prozent unter Hinzunahme der durch die regelmäßige Amor¬ tisation ersparten Zinsen, mithin in einem Zeiträume von sechsundsechzig Jahren erfolgen solle. Dieser Aufruf hatte den erfreulichen Erfolg, daß ans die beabsichtigte Hausbananleihe Zeichnungen in solcher Höhe gemacht wurden, daß die Er¬ bauung von drei Doppelwohnhänsern zusammen mit vierundzwanzig Wohnungen gesichert erschien lind auch sofort in Augriff genommen werden konnte. Was die Einrichtung der Häuser betrifft, die gegenwärtig vollendet sind, so ist als von allgemeinerem Interesse folgendes hervorzuheben. Jedes Doppel¬ haus hat eine Länge von 23 und eine Tiefe von 8,5 Metern und zerfällt in zwei gänzlich von einander getrennte Hälften, sodaß jedes Einzelhaus nur vier Wohnungen umfaßt. Diese Einrichtung hat den Zweck, den dnrch das Nebeneinanderleben vieler Familien leicht entstehenden Nbelstünden vorzubeugen. Sämtliche Häuser sind im gesundheitlichen wie im wirtschaftliche«! Interesse der Bewohner vollständig unterkellert, und für jedes Doppelhaus sind zwei in dein gewölbten Kellerraume befindliche Waschhäuser eingerichtet. Die Um- sassungswände der Gebände sind stark massiv aus gebrannten Backsteinen in Rohbnn mit Zeinenlausfuguug hergestellt. Jede Wohnung besteht aus einer geräumigen Stube nebst großer Kammer und Küche. Der Ofen der Wohn¬ stube ist mit tüchtiger Kocheiurichtung versehen, während zugleich Rücksicht darauf genommen ist, daß die mit einfachem, aber praktischem Herde ausge¬ stattete Küche als Kammer benutzt werden kaun. Jeder Mietpartei steht endlich die Benutzung eines Anteiles an dein unmittelbar am Hause gelegenen Garten zu. Der Mietpreis für eine Parterrewohnung ist auf 105 Mark, für eine Wohnung in dem Obergeschoß auf 114 Mark festgesetzt worden. Vor einigen Monaten siud die Wohnungen zur Vermietung ausgeschrieben worden. Darauf gingen weit mehr Anmeldungen ein, als Berücksichtigung finden konnten. Aus gewichtigen Gründen fanden nur brave, bereits längere Zeit in Weimar angesessene Familien Aufnahme, übrigens ohne grundsätzliche Bevorzugung des „Arbeiterstandes" im engern Sinne des Wortes. Zu dieser erweiterten Bestimmung hat die naheliegende Erwägung geführt, daß sehr häufig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/64>, abgerufen am 23.07.2024.