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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Herrn Te>l>msseus Ivoihiiachtsal'end

Der Neffe hielt ihn zurück. Sie bekommen Spielzeug mehr als genug,
sagte er, kaufe für fünfzig Öre Zuckerzeug und locke sie damit an dich, das ist
das Nichtige,

Der Alte bewunderte diesen bestimmten Ton. Es war doch merkwürdig,
so genau zu wissen, was er wollte!

Aber hier habe ich etwas zu thun, willst du mitgehen, Onkel? Der ent¬
schiedene junge Mann trat in einen Wollladen ein, und ohne zu zögern, erbat
er sich einige wollene Fraueuwesten, Es sollen Westen mit Ärmeln sein, fügte
er hinzu.

Man legte ihm einen Stoß Wvilsachen ans den Tisch. Die fühlen sich
ja dick und warm an, sagte er billigend, indem er die Westen mit Kenner¬
miene musterte. Es war, als hätte er nie in seinem Leben etwas andres
gethan, als Franenwestcn gekauft. Herrn Tobiasscus Bewunderung stieg.

Unser Mädchen soll sie bekommen, erklärte der junge Mann, zu dem Alten
gewandt. Und er suchte nicht lange, er nahm eine schwarz und rot gestreifte
heraus und bekam sie eingewickelt; für ihn war das gar nichts. Dann
ging man.

In der Thür zögerte Herr Tobiasfen. Dann drehte er sich schnell um
und sagte barsch: Man gebe mir auch eine von der dicksten Sorte, eine mit
Ärmeln!

Er bekam sie eingepackt, bezahlte und ging zum Neffen hinaus, der auf
den Stufen wartete.

Herr Tobiasfen war zufrieden. War so etwas möglich! Ans eine wollne
Weste wäre er nie von selbst verfallen! Eine wollne Weste mit Ärmeln, das
war ja gerade das, was gebraucht wurde. Nun hatte sie nicht nötig, an
Markt- und Backtagen zu frieren.

Aha, ja! Das sah ihm ganz ähnlich: erwägen, begründen, bereuen, sich
mit weitläufigster Umständlichkeit etwas vornehmen und dann in der Übereilung
eines Augenblicks fortgehen nud das thun, was er sich vorgenommen hatte,
nicht zu thun. Hatte er nicht wieder Geld zum Fenster hinausgeworfen?
Bier Kronen! Er Hütte zwei Opern dafür hören können. Aber er war ein
Dummkopf. Er würde, meinte er, schon ohne Oper im Armenhaus endigen.




Die Mahlzeit war vorüber, der Baum heruntergebrannt, die Kinder
hatten ihre Geschenke erhalten, und nun saß mau nud rauchte in der gemütlich
eingerichteten Arbeitsstube des Hausherrn.

Das Töchterchen, das jüngste der beiden Kinder, war ans den, Sofa einge¬
schlafen, umgeben von ihren Spielsachen, und das Mädchen hatte sie weg¬
getragen. Aber der Knabe war noch ganz mnnier und sprang im Zimmer
herum mit seinem Steckenpferd und der knallenden Peitsche. In einem be-


Herrn Te>l>msseus Ivoihiiachtsal'end

Der Neffe hielt ihn zurück. Sie bekommen Spielzeug mehr als genug,
sagte er, kaufe für fünfzig Öre Zuckerzeug und locke sie damit an dich, das ist
das Nichtige,

Der Alte bewunderte diesen bestimmten Ton. Es war doch merkwürdig,
so genau zu wissen, was er wollte!

Aber hier habe ich etwas zu thun, willst du mitgehen, Onkel? Der ent¬
schiedene junge Mann trat in einen Wollladen ein, und ohne zu zögern, erbat
er sich einige wollene Fraueuwesten, Es sollen Westen mit Ärmeln sein, fügte
er hinzu.

Man legte ihm einen Stoß Wvilsachen ans den Tisch. Die fühlen sich
ja dick und warm an, sagte er billigend, indem er die Westen mit Kenner¬
miene musterte. Es war, als hätte er nie in seinem Leben etwas andres
gethan, als Franenwestcn gekauft. Herrn Tobiasscus Bewunderung stieg.

Unser Mädchen soll sie bekommen, erklärte der junge Mann, zu dem Alten
gewandt. Und er suchte nicht lange, er nahm eine schwarz und rot gestreifte
heraus und bekam sie eingewickelt; für ihn war das gar nichts. Dann
ging man.

In der Thür zögerte Herr Tobiasfen. Dann drehte er sich schnell um
und sagte barsch: Man gebe mir auch eine von der dicksten Sorte, eine mit
Ärmeln!

Er bekam sie eingepackt, bezahlte und ging zum Neffen hinaus, der auf
den Stufen wartete.

Herr Tobiasfen war zufrieden. War so etwas möglich! Ans eine wollne
Weste wäre er nie von selbst verfallen! Eine wollne Weste mit Ärmeln, das
war ja gerade das, was gebraucht wurde. Nun hatte sie nicht nötig, an
Markt- und Backtagen zu frieren.

Aha, ja! Das sah ihm ganz ähnlich: erwägen, begründen, bereuen, sich
mit weitläufigster Umständlichkeit etwas vornehmen und dann in der Übereilung
eines Augenblicks fortgehen nud das thun, was er sich vorgenommen hatte,
nicht zu thun. Hatte er nicht wieder Geld zum Fenster hinausgeworfen?
Bier Kronen! Er Hütte zwei Opern dafür hören können. Aber er war ein
Dummkopf. Er würde, meinte er, schon ohne Oper im Armenhaus endigen.




Die Mahlzeit war vorüber, der Baum heruntergebrannt, die Kinder
hatten ihre Geschenke erhalten, und nun saß mau nud rauchte in der gemütlich
eingerichteten Arbeitsstube des Hausherrn.

Das Töchterchen, das jüngste der beiden Kinder, war ans den, Sofa einge¬
schlafen, umgeben von ihren Spielsachen, und das Mädchen hatte sie weg¬
getragen. Aber der Knabe war noch ganz mnnier und sprang im Zimmer
herum mit seinem Steckenpferd und der knallenden Peitsche. In einem be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/630>, abgerufen am 23.07.2024.