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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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und humaner Gesinnung durch die Arbeitgeber selbst recht wohl möglich, für
ihre Arbeiter kleine Wohnhäuser zu errichten, die durch allmähliche Abzahlungen
schließlich freies Eigentum werden. Auch durch Vermittlung von Bauvereinen
ist das Ziel zu erreichen, aber schon viel schwieriger, weil einerseits hier die
Spekulation mehr oder weniger eine Rolle spielt und weil anderseits die feste
Verbindung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter fehlt, mithin ein schwankendes
Glied in die Rechnung kommt, das störend wirken kann. Auf beiden Wegen
wird aber allen denen nicht geholfen, die wegen der Art ihrer Beschäftigung,
wegen Alter, Kränklichkeit it. s. w. vou vornherein an deu Erwerb eines eignen
Hauses gar nicht denken können; solche Leute drückt aber die Wohunugsnot
härter als alle übrigen, und es ist daher ein Gebot der Menschlichkeit, zu¬
nächst gerade ihnen Hilfe zu bringen. Selbstverständlich würden solche Unter¬
nehmen die vorerwähnten, die davon ausgehen, Besitzlose zu Hauseigentümern
zu machen, nicht im mindesten ausschließen; im Gegenteil wird erst durch
Ausführung beider Arten von Unternehmungen, die sich gewissermaßen gegen¬
seitig ergänzen, in umfassender Weise die Beseitigung der herrschenden Woh-
uungsnotstände erreicht werden.

Der "Prinzessinnenverein" kam nun auf Grund eingehender Erörterungen
über die maßgebenden besondern Verhältnisse zu dein Ergebnis, Mietwohnungen
für unbemittelte, unbescholtene Familien zu errichten und den Mietpreis so
festzusetzen, daß er im Einklang mit dem kärglichen Einkommen der betreffenden
Familie stünde. Der letztere Zweck konnte offenbar nur dann erreicht werden,
wenn das Bauunternehmen nicht auf Spekulation, sondern lediglich auf das
Wohlwollen der wohlhabender" Bevölkerungsklasseu gegründet werden konnte.
Demgemäß wurde "ach vorausgegangenen bnntechnischen Ermittelungen ein
Aufruf an die wohlhabender" Bürger Weimars erlassen, worin unter Berufung
auf die erwähnten Zcitungsaufsätze darum gebeten wurde, sich an der
Lösung der Frage über die Beseitigung der Wohnungsnot der ärmern Klassen
der Stadt Weimar zu beteiligen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Ab¬
sicht bestehe, mehrere sogenannte Doppelwohnhänser, von denen jedem ein Stück
Garten zuzuleiten sei, nach einem einfachen Muster zu errichten. Zur Auf¬
bringung des erforderliche" Kapitals werde mau auf den Namen lautende,
übertragbare sah"ldschei"e des Vereins z" fünfzig nud zu hundert Mark aus¬
geben. ' In Anbetracht des wohlthätigen Zweckes hoffe man, daß die Dar¬
leiher sich mit einem niedrigen Zinsfuße begnügen würden, damit die Miet¬
preise den Einkommensverhältnissen der untern Klassen entsprechend festgesetzt
werden könnten. Der Entwurf zu den Schuldscheinen bestimmte über diesen
wichtigen Punkt folgendes.

Die Anleihe, ist rin drei vom Hundert jährlich zu verzinsen, sofern die be¬
reiten zur Verzinsung zu verwendenden Mittel zu einer Verzinsung in dieser Höhe
ausreichen. Ist dies nicht der Fall, so ist diejenige Verzinsung zu gewahren,


und humaner Gesinnung durch die Arbeitgeber selbst recht wohl möglich, für
ihre Arbeiter kleine Wohnhäuser zu errichten, die durch allmähliche Abzahlungen
schließlich freies Eigentum werden. Auch durch Vermittlung von Bauvereinen
ist das Ziel zu erreichen, aber schon viel schwieriger, weil einerseits hier die
Spekulation mehr oder weniger eine Rolle spielt und weil anderseits die feste
Verbindung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter fehlt, mithin ein schwankendes
Glied in die Rechnung kommt, das störend wirken kann. Auf beiden Wegen
wird aber allen denen nicht geholfen, die wegen der Art ihrer Beschäftigung,
wegen Alter, Kränklichkeit it. s. w. vou vornherein an deu Erwerb eines eignen
Hauses gar nicht denken können; solche Leute drückt aber die Wohunugsnot
härter als alle übrigen, und es ist daher ein Gebot der Menschlichkeit, zu¬
nächst gerade ihnen Hilfe zu bringen. Selbstverständlich würden solche Unter¬
nehmen die vorerwähnten, die davon ausgehen, Besitzlose zu Hauseigentümern
zu machen, nicht im mindesten ausschließen; im Gegenteil wird erst durch
Ausführung beider Arten von Unternehmungen, die sich gewissermaßen gegen¬
seitig ergänzen, in umfassender Weise die Beseitigung der herrschenden Woh-
uungsnotstände erreicht werden.

Der „Prinzessinnenverein" kam nun auf Grund eingehender Erörterungen
über die maßgebenden besondern Verhältnisse zu dein Ergebnis, Mietwohnungen
für unbemittelte, unbescholtene Familien zu errichten und den Mietpreis so
festzusetzen, daß er im Einklang mit dem kärglichen Einkommen der betreffenden
Familie stünde. Der letztere Zweck konnte offenbar nur dann erreicht werden,
wenn das Bauunternehmen nicht auf Spekulation, sondern lediglich auf das
Wohlwollen der wohlhabender» Bevölkerungsklasseu gegründet werden konnte.
Demgemäß wurde »ach vorausgegangenen bnntechnischen Ermittelungen ein
Aufruf an die wohlhabender» Bürger Weimars erlassen, worin unter Berufung
auf die erwähnten Zcitungsaufsätze darum gebeten wurde, sich an der
Lösung der Frage über die Beseitigung der Wohnungsnot der ärmern Klassen
der Stadt Weimar zu beteiligen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Ab¬
sicht bestehe, mehrere sogenannte Doppelwohnhänser, von denen jedem ein Stück
Garten zuzuleiten sei, nach einem einfachen Muster zu errichten. Zur Auf¬
bringung des erforderliche» Kapitals werde mau auf den Namen lautende,
übertragbare sah»ldschei»e des Vereins z» fünfzig nud zu hundert Mark aus¬
geben. ' In Anbetracht des wohlthätigen Zweckes hoffe man, daß die Dar¬
leiher sich mit einem niedrigen Zinsfuße begnügen würden, damit die Miet¬
preise den Einkommensverhältnissen der untern Klassen entsprechend festgesetzt
werden könnten. Der Entwurf zu den Schuldscheinen bestimmte über diesen
wichtigen Punkt folgendes.

Die Anleihe, ist rin drei vom Hundert jährlich zu verzinsen, sofern die be¬
reiten zur Verzinsung zu verwendenden Mittel zu einer Verzinsung in dieser Höhe
ausreichen. Ist dies nicht der Fall, so ist diejenige Verzinsung zu gewahren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/63>, abgerufen am 23.07.2024.