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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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l^errn Tot'Kissens Zveihxachtsabend

tourner? rief der Eintretende aus, indem er dem Alten entgegenging, ich glaube,
Onkel, du kennst mich gar nicht wieder; es ist mancher Sturm vorübergesaust,
seit wir uns das letztemal gesehen haben.

Er war ein untersetzter Mann mit einem gelbgrauen Knebelbart und einem
paar lachender Schlitzaugen,

Ja gewiß, gewiß, sagte Herr Tobiassen, der um alles in der Welt nicht
gerührt aussehen wollte, und er schüttelte seinem Gaste kräftig die Hand.

Es ist eine ganze Geschichte, nur wie es mir möglich geworden ist, dich
zu finden, Onkel, sagte der Neffe. Dn hast im Hotel gewohnt, das sah ich
in den Zeitungen; im übrigen mußte ich wie ein Geheimpolizist zu Wege
gehen. Einsangen mußte ich dich. Diese Schlauheit, mir nicht einmal Nach¬
richt zu geben!

Ganz und gar der alte Ton! Herrn Tobiassen wurde es warm ums Herz
vom bloßen Hören.

Daß ich verheiratet bin, weißt dn, Onkel, und wie, das sollst du selber
sehen.

Allerdings konnte man sehen, wie; es lag ein förmlicher Glanz um ihn.

Herr Tobiassen fühlte sich ein wenig verlegen, so gings ihm immer vor
Neuvermählten.

Und wenn mau glücklich ist, hat mau immer einen solchen Drang sich
mitzuteilen, fuhr der Neffe fort, und du kannst doch nicht so ganz allein am
Weihnachtsabend sitzen, Onkel. Bei uns ist es klein und einfach, aber es giebt
häusliches Wohlbefinden und .Kinderfreude. Dn kommst heute Abend zu uns,
Onkel. Ich gehe nicht weg, bis du mitkommst. Das wird ein Auffrischen
alter Erinnerungen werde": ich habe ja zwei Weihnachtsabende bei dir ge¬
feiert, Onkel. Was das für eine Herrlichkeit war, aus einer Studentenbude
hinab in Onkels kleines Heim zu kommen! Entschließ dich nnr schnell, Onkel.
Du mußt meine kleinen Bälger sehen, ich habe schon zwei Stück. Mein kleiner
Hausthrauu hat mich kommandirt, noch ein paar Einkäufe zu machen, da kannst
du jn mitgehen, ich muß dir doch den Weg zeigen. Es ist sonst schwer ihn
als Fremder zu finden.

Herr Tobiassen war noch unschlüssig. Es war ihm, als lauerte ihm in
dem Hause des Neffen eine verborgene Gefahr auf. Aber andernteils konnte
er auch nicht nein sagen zu den Augen, die sich so freundlich auf ihn richteten
und eine Antwort erwarteten.

Gut, ich gehe mit.

Welch ein Jubel, dachte er, würde hier im Hause erklingen, wenn er
ginge! Er würde ihnen den Tannenbaum überlassen, er würde den ganzen
Abend wegbleiben, er. Der Narr würde ihm keine Zeit lassen, es zu bereuen,
es sollte gehen, wie der Wind.

Ich komme sofort, sagte Herr Tobiassen, indem er schon einen Arm im


l^errn Tot'Kissens Zveihxachtsabend

tourner? rief der Eintretende aus, indem er dem Alten entgegenging, ich glaube,
Onkel, du kennst mich gar nicht wieder; es ist mancher Sturm vorübergesaust,
seit wir uns das letztemal gesehen haben.

Er war ein untersetzter Mann mit einem gelbgrauen Knebelbart und einem
paar lachender Schlitzaugen,

Ja gewiß, gewiß, sagte Herr Tobiassen, der um alles in der Welt nicht
gerührt aussehen wollte, und er schüttelte seinem Gaste kräftig die Hand.

Es ist eine ganze Geschichte, nur wie es mir möglich geworden ist, dich
zu finden, Onkel, sagte der Neffe. Dn hast im Hotel gewohnt, das sah ich
in den Zeitungen; im übrigen mußte ich wie ein Geheimpolizist zu Wege
gehen. Einsangen mußte ich dich. Diese Schlauheit, mir nicht einmal Nach¬
richt zu geben!

Ganz und gar der alte Ton! Herrn Tobiassen wurde es warm ums Herz
vom bloßen Hören.

Daß ich verheiratet bin, weißt dn, Onkel, und wie, das sollst du selber
sehen.

Allerdings konnte man sehen, wie; es lag ein förmlicher Glanz um ihn.

Herr Tobiassen fühlte sich ein wenig verlegen, so gings ihm immer vor
Neuvermählten.

Und wenn mau glücklich ist, hat mau immer einen solchen Drang sich
mitzuteilen, fuhr der Neffe fort, und du kannst doch nicht so ganz allein am
Weihnachtsabend sitzen, Onkel. Bei uns ist es klein und einfach, aber es giebt
häusliches Wohlbefinden und .Kinderfreude. Dn kommst heute Abend zu uns,
Onkel. Ich gehe nicht weg, bis du mitkommst. Das wird ein Auffrischen
alter Erinnerungen werde»: ich habe ja zwei Weihnachtsabende bei dir ge¬
feiert, Onkel. Was das für eine Herrlichkeit war, aus einer Studentenbude
hinab in Onkels kleines Heim zu kommen! Entschließ dich nnr schnell, Onkel.
Du mußt meine kleinen Bälger sehen, ich habe schon zwei Stück. Mein kleiner
Hausthrauu hat mich kommandirt, noch ein paar Einkäufe zu machen, da kannst
du jn mitgehen, ich muß dir doch den Weg zeigen. Es ist sonst schwer ihn
als Fremder zu finden.

Herr Tobiassen war noch unschlüssig. Es war ihm, als lauerte ihm in
dem Hause des Neffen eine verborgene Gefahr auf. Aber andernteils konnte
er auch nicht nein sagen zu den Augen, die sich so freundlich auf ihn richteten
und eine Antwort erwarteten.

Gut, ich gehe mit.

Welch ein Jubel, dachte er, würde hier im Hause erklingen, wenn er
ginge! Er würde ihnen den Tannenbaum überlassen, er würde den ganzen
Abend wegbleiben, er. Der Narr würde ihm keine Zeit lassen, es zu bereuen,
es sollte gehen, wie der Wind.

Ich komme sofort, sagte Herr Tobiassen, indem er schon einen Arm im


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[0627] l^errn Tot'Kissens Zveihxachtsabend tourner? rief der Eintretende aus, indem er dem Alten entgegenging, ich glaube, Onkel, du kennst mich gar nicht wieder; es ist mancher Sturm vorübergesaust, seit wir uns das letztemal gesehen haben. Er war ein untersetzter Mann mit einem gelbgrauen Knebelbart und einem paar lachender Schlitzaugen, Ja gewiß, gewiß, sagte Herr Tobiassen, der um alles in der Welt nicht gerührt aussehen wollte, und er schüttelte seinem Gaste kräftig die Hand. Es ist eine ganze Geschichte, nur wie es mir möglich geworden ist, dich zu finden, Onkel, sagte der Neffe. Dn hast im Hotel gewohnt, das sah ich in den Zeitungen; im übrigen mußte ich wie ein Geheimpolizist zu Wege gehen. Einsangen mußte ich dich. Diese Schlauheit, mir nicht einmal Nach¬ richt zu geben! Ganz und gar der alte Ton! Herrn Tobiassen wurde es warm ums Herz vom bloßen Hören. Daß ich verheiratet bin, weißt dn, Onkel, und wie, das sollst du selber sehen. Allerdings konnte man sehen, wie; es lag ein förmlicher Glanz um ihn. Herr Tobiassen fühlte sich ein wenig verlegen, so gings ihm immer vor Neuvermählten. Und wenn mau glücklich ist, hat mau immer einen solchen Drang sich mitzuteilen, fuhr der Neffe fort, und du kannst doch nicht so ganz allein am Weihnachtsabend sitzen, Onkel. Bei uns ist es klein und einfach, aber es giebt häusliches Wohlbefinden und .Kinderfreude. Dn kommst heute Abend zu uns, Onkel. Ich gehe nicht weg, bis du mitkommst. Das wird ein Auffrischen alter Erinnerungen werde»: ich habe ja zwei Weihnachtsabende bei dir ge¬ feiert, Onkel. Was das für eine Herrlichkeit war, aus einer Studentenbude hinab in Onkels kleines Heim zu kommen! Entschließ dich nnr schnell, Onkel. Du mußt meine kleinen Bälger sehen, ich habe schon zwei Stück. Mein kleiner Hausthrauu hat mich kommandirt, noch ein paar Einkäufe zu machen, da kannst du jn mitgehen, ich muß dir doch den Weg zeigen. Es ist sonst schwer ihn als Fremder zu finden. Herr Tobiassen war noch unschlüssig. Es war ihm, als lauerte ihm in dem Hause des Neffen eine verborgene Gefahr auf. Aber andernteils konnte er auch nicht nein sagen zu den Augen, die sich so freundlich auf ihn richteten und eine Antwort erwarteten. Gut, ich gehe mit. Welch ein Jubel, dachte er, würde hier im Hause erklingen, wenn er ginge! Er würde ihnen den Tannenbaum überlassen, er würde den ganzen Abend wegbleiben, er. Der Narr würde ihm keine Zeit lassen, es zu bereuen, es sollte gehen, wie der Wind. Ich komme sofort, sagte Herr Tobiassen, indem er schon einen Arm im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/627>, abgerufen am 25.08.2024.