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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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H>!I'I'U Tok'iasseus Jo^ilinachtsal^'ut

Er N'ville ihn von oben l>crab behandeln. Er >var ihm eilen'achsen. Er war
el" aller Skeptiker.

Frisch rasirt und fein ging er ans. Nasirt war er nul einmal; das
kannte nichts helfen.

Auf der Straße begegnete er Kindern und Greisen mit papierm" Arm¬
leuchtern. Er begegnete Herren mit Paketen, Packträgern mit Paketen, jungen
Damen mit Paketen. Lieber Himmel, die Leute waren ja rein wie toll! Alle
schienen sie Eile zu haben, alle sahen so wichtig, so erwartungsvoll aus. Er
kam sich so überflüssig vor oder wie ein Unbefugter, und er ging schnell,
damit man glauben sollte, daß ihn jemand erwarte. Schließlich um davon
los zu kommen, auf der Straße zu gehen und eine Komödie zu spielen, die
niemand zu beachten der Mühe wert hielt, fiel er in einen naheliegenden Bier"
keller ein. Er war ja ein einfacher Manu, nur mit einer Leibrente und ohne
Illusionen, er konnte recht gut in einem Bierkeller essen.

Einsam setzte er sich an einen Tisch, und während er auf die Suppe
wartete, verfiel er ins Grübeln. Jung war er einmal gewesen. Und es hatte
auch noch jemand gegeben, der gleichfalls jung gewesen war und rote Backen
gehabt hatte, eine rundliche kleine Figur mit niedlichen Füßen in hohen Hacken¬
schuhen. Seine Mutter hatte kein Wort des Einwandes geäußert, aber er
hatte sich in ihre Gefühle versetzt, mit ihr empfunden, wie es ihr sein müßte,
von dem zurückgesetzt zu werden, den man mehr liebt als das Leben, hinaus¬
gestoßen zu werde" in andre Räume, die Wirtschaft ans den Händen geben
zu müssen, nachdem man sie dreißig Jahre lang sein eigen genannt hat. Jeder
freniidliche Blick auf die roten Backen war ein Diebstahl an der Mutter: das
war ein Zwiespalt nicht zum Ertragen. Deshalb hatte er sich zurückgezogen,
um nachzudenken, ehe er einen entscheidenden Schritt thäte, und während er
nachdachte, hatte" sich die roten Backen mit einem Kohlenhändler verheiratet,
in der feste" Überzeugung, daß Peter Tvbiassen eine hinterlistige Mannsperson
sei, die gewissenlos ihr Spiel mit treuen Mädchenherzen treibe, und von nun
an hegten sie einen Groll gegen sein ganzes Geschlecht -- den Kohlenhändler
Inbegriffen. Und so kam es, daß Herr Tobiasfe", um seine Untreue g"t z"
machen, zum alten Junggesellen geworden war.

Nun saß er einsam im Bierkeller und nß Suppe. Aha, ja.

Wie war es an frühern Weihnachtsabenden gewesen? Er hatte Studenten
bei sich gehabt, drei Mann, die keine Heimat hatten, wohin sie hätten reisen
können. Sie waren so vergnügt gewesen, hatten Geschichten erzählt, Zigarren
geraucht und Lieder gesungen bis über Mitternacht hinaus. Als sie merkten,
er wünsche, daß sie gehen sollten, da wurden sie mißlaunig und dachten, da
hätte er sie gar nicht einzuladen brauchen, obgleich sie zu artig waren, zu
sagen, was sie dachten, und als sie gegangen waren, brummte die Haushälterin
wie eine Biene, weil sie so lauge geblieben waren.


H>!I'I'U Tok'iasseus Jo^ilinachtsal^'ut

Er N'ville ihn von oben l>crab behandeln. Er >var ihm eilen'achsen. Er war
el» aller Skeptiker.

Frisch rasirt und fein ging er ans. Nasirt war er nul einmal; das
kannte nichts helfen.

Auf der Straße begegnete er Kindern und Greisen mit papierm» Arm¬
leuchtern. Er begegnete Herren mit Paketen, Packträgern mit Paketen, jungen
Damen mit Paketen. Lieber Himmel, die Leute waren ja rein wie toll! Alle
schienen sie Eile zu haben, alle sahen so wichtig, so erwartungsvoll aus. Er
kam sich so überflüssig vor oder wie ein Unbefugter, und er ging schnell,
damit man glauben sollte, daß ihn jemand erwarte. Schließlich um davon
los zu kommen, auf der Straße zu gehen und eine Komödie zu spielen, die
niemand zu beachten der Mühe wert hielt, fiel er in einen naheliegenden Bier«
keller ein. Er war ja ein einfacher Manu, nur mit einer Leibrente und ohne
Illusionen, er konnte recht gut in einem Bierkeller essen.

Einsam setzte er sich an einen Tisch, und während er auf die Suppe
wartete, verfiel er ins Grübeln. Jung war er einmal gewesen. Und es hatte
auch noch jemand gegeben, der gleichfalls jung gewesen war und rote Backen
gehabt hatte, eine rundliche kleine Figur mit niedlichen Füßen in hohen Hacken¬
schuhen. Seine Mutter hatte kein Wort des Einwandes geäußert, aber er
hatte sich in ihre Gefühle versetzt, mit ihr empfunden, wie es ihr sein müßte,
von dem zurückgesetzt zu werden, den man mehr liebt als das Leben, hinaus¬
gestoßen zu werde» in andre Räume, die Wirtschaft ans den Händen geben
zu müssen, nachdem man sie dreißig Jahre lang sein eigen genannt hat. Jeder
freniidliche Blick auf die roten Backen war ein Diebstahl an der Mutter: das
war ein Zwiespalt nicht zum Ertragen. Deshalb hatte er sich zurückgezogen,
um nachzudenken, ehe er einen entscheidenden Schritt thäte, und während er
nachdachte, hatte» sich die roten Backen mit einem Kohlenhändler verheiratet,
in der feste» Überzeugung, daß Peter Tvbiassen eine hinterlistige Mannsperson
sei, die gewissenlos ihr Spiel mit treuen Mädchenherzen treibe, und von nun
an hegten sie einen Groll gegen sein ganzes Geschlecht — den Kohlenhändler
Inbegriffen. Und so kam es, daß Herr Tobiasfe», um seine Untreue g»t z»
machen, zum alten Junggesellen geworden war.

Nun saß er einsam im Bierkeller und nß Suppe. Aha, ja.

Wie war es an frühern Weihnachtsabenden gewesen? Er hatte Studenten
bei sich gehabt, drei Mann, die keine Heimat hatten, wohin sie hätten reisen
können. Sie waren so vergnügt gewesen, hatten Geschichten erzählt, Zigarren
geraucht und Lieder gesungen bis über Mitternacht hinaus. Als sie merkten,
er wünsche, daß sie gehen sollten, da wurden sie mißlaunig und dachten, da
hätte er sie gar nicht einzuladen brauchen, obgleich sie zu artig waren, zu
sagen, was sie dachten, und als sie gegangen waren, brummte die Haushälterin
wie eine Biene, weil sie so lauge geblieben waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/623>, abgerufen am 23.07.2024.