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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Alterszulagen werden von der Gemeinde gewährt, jedoch mit der Bestim¬
mung, daß der Bezug spätestens mit dem vollendeten zehnten Dienstjahre be¬
ginnt und mindestens sechs Stufen mit einem jedesmaligen Zwischenraume^
von höchstens fünf Jahren eingerichtet werden. Die Höhe der Zulagen beträgt
im erstern Falle, wie bei jeder spätern Stufe, mindestens 100 Mark und in
Summa mindestens L00 Mark. Der Haken kommt wieder hinterher. Ein
rechtlicher Anspruch auf Gewährung von Alterszulagen steht den Lehrern zwar
nicht zu, die Bersaguug ist jedoch nur bei unbefriedigender Dienstführung zu¬
lässig und bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Hiermit erhält die
nicht sachverständige und nach allen möglichen, nur nicht sachlichen Grunde"
entscheidende ländliche Gemeinde das Recht des Urteils über die Dienstführnng
des Lehrers. Bei jedem neuen Termine wird die Angelegenheit öffentlich und
vor den Ohren der Kinder besprochen, und jedesmal wird sich eine Partei
finden, die, weil es so bitter ist, Geld auszugeben, die Dienstführung des
Lehrers bemängelt. Der Lehrer wird ja nun schließlich seine Zulage erhalten,
aber jedesmal und einer sehr bedauerlichen Einbuße an der Würde und Frei¬
heit seiner Stellung. Ich denke, der Lehrer hat so gut wie jeder andre ein
Anrecht auf seinen Gehalt, der in seinem Falle nur formell in Grundgehalt
und Zulage geteilt ist, aber eigentlich ein aufsteigender Gehalt sein soll. Das;
er nur in Bezug auf das geringste Maß rechtlich sicher gestellt sein soll, muß
dem Lehrer die ganze im Gesetze beabsichtigte Wohlthat verbittern. Warum
nicht so: Wegen ungenügender Dienstführnng kann dem Lehrer von der Auf¬
sichtsbehörde das Aufrücken in die höhere Altersklasse versagt werden? Über¬
haupt bedeutet dieser Abschnitt des Gesetzes, worin der Gemeinde die Fest¬
setzung des Termins und der Höhe der Zulagen überlassen wird, nichts andres,
als daß man der Regel nach über die niedrigsten Bestimmungen nicht Hinaus¬
gehen wird.

Ein brandenburgischer Lehrer schreibt in der "Post" Ur. 329: Werden die
vorliegenden Bestimmungen Gesetz, so werden sich tausende vou Lehrern er¬
staunt und trübselig fragen: soll es denn in Bezug ans uns immer beim
Nachsinken bleiben? Es ist wahrlich unerquicklich genug für uns Jngend-
bildner, wenn wir immer wieder der Unzufriedenheit und Undankbarkeit be¬
schuldigt werden. Aber wenn sich doch Regierung und Abgeordnetenhaus
überzeugten, daß dein vorliegenden EntWurfe der durchschlagende Ernst zur
Zufriedenstellung der Lehrer noch fehlt! Wir können ja nicht anders, als jetzt,
da es noch Zeit ist, ans die Mangel zu verweisen; dürfen wir doch schwerlich
erwarten, daß in den nächsten Jahren nach dem kommenden Gesetze unser ge¬
dacht werde. Wenn nun der Entwurf von einer "zahlenmäßig gesetzlichen
Feststellung der Lehrergehalte" absieht, so ist dies ja ganz schön begründet;
aber es bleibt doch dringend wünschenswert, daß es den Gemeinden von "oben"
herab eingeschärft wird, M5 nnter einer "angemessenen Besoldung für BolK-


Die Alterszulagen werden von der Gemeinde gewährt, jedoch mit der Bestim¬
mung, daß der Bezug spätestens mit dem vollendeten zehnten Dienstjahre be¬
ginnt und mindestens sechs Stufen mit einem jedesmaligen Zwischenraume^
von höchstens fünf Jahren eingerichtet werden. Die Höhe der Zulagen beträgt
im erstern Falle, wie bei jeder spätern Stufe, mindestens 100 Mark und in
Summa mindestens L00 Mark. Der Haken kommt wieder hinterher. Ein
rechtlicher Anspruch auf Gewährung von Alterszulagen steht den Lehrern zwar
nicht zu, die Bersaguug ist jedoch nur bei unbefriedigender Dienstführung zu¬
lässig und bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Hiermit erhält die
nicht sachverständige und nach allen möglichen, nur nicht sachlichen Grunde»
entscheidende ländliche Gemeinde das Recht des Urteils über die Dienstführnng
des Lehrers. Bei jedem neuen Termine wird die Angelegenheit öffentlich und
vor den Ohren der Kinder besprochen, und jedesmal wird sich eine Partei
finden, die, weil es so bitter ist, Geld auszugeben, die Dienstführung des
Lehrers bemängelt. Der Lehrer wird ja nun schließlich seine Zulage erhalten,
aber jedesmal und einer sehr bedauerlichen Einbuße an der Würde und Frei¬
heit seiner Stellung. Ich denke, der Lehrer hat so gut wie jeder andre ein
Anrecht auf seinen Gehalt, der in seinem Falle nur formell in Grundgehalt
und Zulage geteilt ist, aber eigentlich ein aufsteigender Gehalt sein soll. Das;
er nur in Bezug auf das geringste Maß rechtlich sicher gestellt sein soll, muß
dem Lehrer die ganze im Gesetze beabsichtigte Wohlthat verbittern. Warum
nicht so: Wegen ungenügender Dienstführnng kann dem Lehrer von der Auf¬
sichtsbehörde das Aufrücken in die höhere Altersklasse versagt werden? Über¬
haupt bedeutet dieser Abschnitt des Gesetzes, worin der Gemeinde die Fest¬
setzung des Termins und der Höhe der Zulagen überlassen wird, nichts andres,
als daß man der Regel nach über die niedrigsten Bestimmungen nicht Hinaus¬
gehen wird.

Ein brandenburgischer Lehrer schreibt in der „Post" Ur. 329: Werden die
vorliegenden Bestimmungen Gesetz, so werden sich tausende vou Lehrern er¬
staunt und trübselig fragen: soll es denn in Bezug ans uns immer beim
Nachsinken bleiben? Es ist wahrlich unerquicklich genug für uns Jngend-
bildner, wenn wir immer wieder der Unzufriedenheit und Undankbarkeit be¬
schuldigt werden. Aber wenn sich doch Regierung und Abgeordnetenhaus
überzeugten, daß dein vorliegenden EntWurfe der durchschlagende Ernst zur
Zufriedenstellung der Lehrer noch fehlt! Wir können ja nicht anders, als jetzt,
da es noch Zeit ist, ans die Mangel zu verweisen; dürfen wir doch schwerlich
erwarten, daß in den nächsten Jahren nach dem kommenden Gesetze unser ge¬
dacht werde. Wenn nun der Entwurf von einer „zahlenmäßig gesetzlichen
Feststellung der Lehrergehalte" absieht, so ist dies ja ganz schön begründet;
aber es bleibt doch dringend wünschenswert, daß es den Gemeinden von „oben"
herab eingeschärft wird, M5 nnter einer „angemessenen Besoldung für BolK-


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[0598] Die Alterszulagen werden von der Gemeinde gewährt, jedoch mit der Bestim¬ mung, daß der Bezug spätestens mit dem vollendeten zehnten Dienstjahre be¬ ginnt und mindestens sechs Stufen mit einem jedesmaligen Zwischenraume^ von höchstens fünf Jahren eingerichtet werden. Die Höhe der Zulagen beträgt im erstern Falle, wie bei jeder spätern Stufe, mindestens 100 Mark und in Summa mindestens L00 Mark. Der Haken kommt wieder hinterher. Ein rechtlicher Anspruch auf Gewährung von Alterszulagen steht den Lehrern zwar nicht zu, die Bersaguug ist jedoch nur bei unbefriedigender Dienstführung zu¬ lässig und bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Hiermit erhält die nicht sachverständige und nach allen möglichen, nur nicht sachlichen Grunde» entscheidende ländliche Gemeinde das Recht des Urteils über die Dienstführnng des Lehrers. Bei jedem neuen Termine wird die Angelegenheit öffentlich und vor den Ohren der Kinder besprochen, und jedesmal wird sich eine Partei finden, die, weil es so bitter ist, Geld auszugeben, die Dienstführung des Lehrers bemängelt. Der Lehrer wird ja nun schließlich seine Zulage erhalten, aber jedesmal und einer sehr bedauerlichen Einbuße an der Würde und Frei¬ heit seiner Stellung. Ich denke, der Lehrer hat so gut wie jeder andre ein Anrecht auf seinen Gehalt, der in seinem Falle nur formell in Grundgehalt und Zulage geteilt ist, aber eigentlich ein aufsteigender Gehalt sein soll. Das; er nur in Bezug auf das geringste Maß rechtlich sicher gestellt sein soll, muß dem Lehrer die ganze im Gesetze beabsichtigte Wohlthat verbittern. Warum nicht so: Wegen ungenügender Dienstführnng kann dem Lehrer von der Auf¬ sichtsbehörde das Aufrücken in die höhere Altersklasse versagt werden? Über¬ haupt bedeutet dieser Abschnitt des Gesetzes, worin der Gemeinde die Fest¬ setzung des Termins und der Höhe der Zulagen überlassen wird, nichts andres, als daß man der Regel nach über die niedrigsten Bestimmungen nicht Hinaus¬ gehen wird. Ein brandenburgischer Lehrer schreibt in der „Post" Ur. 329: Werden die vorliegenden Bestimmungen Gesetz, so werden sich tausende vou Lehrern er¬ staunt und trübselig fragen: soll es denn in Bezug ans uns immer beim Nachsinken bleiben? Es ist wahrlich unerquicklich genug für uns Jngend- bildner, wenn wir immer wieder der Unzufriedenheit und Undankbarkeit be¬ schuldigt werden. Aber wenn sich doch Regierung und Abgeordnetenhaus überzeugten, daß dein vorliegenden EntWurfe der durchschlagende Ernst zur Zufriedenstellung der Lehrer noch fehlt! Wir können ja nicht anders, als jetzt, da es noch Zeit ist, ans die Mangel zu verweisen; dürfen wir doch schwerlich erwarten, daß in den nächsten Jahren nach dem kommenden Gesetze unser ge¬ dacht werde. Wenn nun der Entwurf von einer „zahlenmäßig gesetzlichen Feststellung der Lehrergehalte" absieht, so ist dies ja ganz schön begründet; aber es bleibt doch dringend wünschenswert, daß es den Gemeinden von „oben" herab eingeschärft wird, M5 nnter einer „angemessenen Besoldung für BolK-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/598>, abgerufen am 23.07.2024.