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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

ich würde vergebens ihre Pracht zu schildern unternehmen. Die zwei ersten
Damen trugen indische Fürstengewande, die dritte zeigte sich in persischer
Prinzcssinnentracht, die vierte war angethan wie Chriemhild in den Nibe¬
lungen. Hinter ihnen ein Gefolge von Brahminen und Bajaderen, von
schwarzen und weißen Sklaven und Sklavinnen, altdeutscheu Jungfrauen, Pagen
und Rittern, alle auf das herrlichste geschmückt und beritten.

Vasanta! Hildeswind! Sonne des Lebens! schrieen die drei Litteraten
zugleich auf, unvermögend vor freudigem Schreck, ihre Sitze zu verlassen. Die
Damen waren unterdes mit Hilfe des Gefolges von ihren Tieren herabgestiegen
und lagen lange und sprachlos sich in den Armen. Jetzt traten sie herein
und knieeten vor dem königlichen Weisen, der sie segnete und umarmte. Drei
von den vier Damen eilten nun ans die Litteraten zu, die vierte, die edelste
Gestalt, die je ein Ange gesehen, die schlanken Glieder in Purpur gehüllt, auf
dem unzählige Perlen prangten, einen Kranz der lieblichsten Blumen in der
weißen Hand, nahte sich mir. Sie schlug den Schleier zurück; der himmlische
Friede selbst lächelte mich an aus großen braunen Augen -- es war Fides!
Sie trat nahe zu mir, über ihre Wangen ergoß sich das süßeste Rot, als sie
mir den Kranz auf das schwindelnde Haupt drückte. Wir sanken beide in die
Kniee, unsre Stirnen berührten sich; keines aber sah das andre durch den
Schleier der unaufhörlich quellenden Freudenthränen. Von dem Tische der
Litteraten her rauschten Küsse und das Ächzen des höchsten Entzückens. Über
uns schwebte die segnende Hand Jamadagnis, die Wände der Restauration
wichen zurück und dehnten sich in unübersehbarer duftender Grüne, die Decke
hob sich und streckte sich unendlich und wnnderblau über uns hin -- ich sank
zurück vor dem Übermaß der Wonne, eine Ohnmacht deckte ihre kühlen Schleier
über mich hin.

Zum zweitenmal erwachte ich in ganz fremder Umgebung. Es schien
nur eine Stube über der Restauration des Herrn Walderich, in der ich,
wie ich mich zu erinnern glaubte, früher schon einmal übernachtet hatte. Wie
war ich hierhergekommen aus dem Palmenthal? Wo war Fides, wo Jamci-
dagni, der königliche Weise, wo waren die drei Litteraten hingekommen? Ich
stand ans und trat ans Fenster; drüben die Firma: Hahnsche Verlagsbuch¬
handlung, weiter vorn die Post -- ich hatte mich nicht getäuscht. Im
Kopfe war mirs düster, wie nach einer durchschwärmten Nacht. Ich zog
mich an und ging hinunter in die Restauration. Ich fand Herrn Walderich allein.

Sagen Sie mir doch um des Himmels willen, fragte ich, wo der könig¬
liche Weise Jamadagni hinkam, nachdem ich die Besinnung verloren hatte vor
übergroßer Freude? Wo die vier Prinzessinnen, die ans Elefanten, Kameelen,
Schwanenwagcn und Rossen gestern kaum hier eingezogen waren?

Herr Walderich sah mich voll Erstaunen ein, dann sagte er: Elefanten
Kameele -- Jama --


Grenzboten IV 1890 7?
Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

ich würde vergebens ihre Pracht zu schildern unternehmen. Die zwei ersten
Damen trugen indische Fürstengewande, die dritte zeigte sich in persischer
Prinzcssinnentracht, die vierte war angethan wie Chriemhild in den Nibe¬
lungen. Hinter ihnen ein Gefolge von Brahminen und Bajaderen, von
schwarzen und weißen Sklaven und Sklavinnen, altdeutscheu Jungfrauen, Pagen
und Rittern, alle auf das herrlichste geschmückt und beritten.

Vasanta! Hildeswind! Sonne des Lebens! schrieen die drei Litteraten
zugleich auf, unvermögend vor freudigem Schreck, ihre Sitze zu verlassen. Die
Damen waren unterdes mit Hilfe des Gefolges von ihren Tieren herabgestiegen
und lagen lange und sprachlos sich in den Armen. Jetzt traten sie herein
und knieeten vor dem königlichen Weisen, der sie segnete und umarmte. Drei
von den vier Damen eilten nun ans die Litteraten zu, die vierte, die edelste
Gestalt, die je ein Ange gesehen, die schlanken Glieder in Purpur gehüllt, auf
dem unzählige Perlen prangten, einen Kranz der lieblichsten Blumen in der
weißen Hand, nahte sich mir. Sie schlug den Schleier zurück; der himmlische
Friede selbst lächelte mich an aus großen braunen Augen — es war Fides!
Sie trat nahe zu mir, über ihre Wangen ergoß sich das süßeste Rot, als sie
mir den Kranz auf das schwindelnde Haupt drückte. Wir sanken beide in die
Kniee, unsre Stirnen berührten sich; keines aber sah das andre durch den
Schleier der unaufhörlich quellenden Freudenthränen. Von dem Tische der
Litteraten her rauschten Küsse und das Ächzen des höchsten Entzückens. Über
uns schwebte die segnende Hand Jamadagnis, die Wände der Restauration
wichen zurück und dehnten sich in unübersehbarer duftender Grüne, die Decke
hob sich und streckte sich unendlich und wnnderblau über uns hin — ich sank
zurück vor dem Übermaß der Wonne, eine Ohnmacht deckte ihre kühlen Schleier
über mich hin.

Zum zweitenmal erwachte ich in ganz fremder Umgebung. Es schien
nur eine Stube über der Restauration des Herrn Walderich, in der ich,
wie ich mich zu erinnern glaubte, früher schon einmal übernachtet hatte. Wie
war ich hierhergekommen aus dem Palmenthal? Wo war Fides, wo Jamci-
dagni, der königliche Weise, wo waren die drei Litteraten hingekommen? Ich
stand ans und trat ans Fenster; drüben die Firma: Hahnsche Verlagsbuch¬
handlung, weiter vorn die Post — ich hatte mich nicht getäuscht. Im
Kopfe war mirs düster, wie nach einer durchschwärmten Nacht. Ich zog
mich an und ging hinunter in die Restauration. Ich fand Herrn Walderich allein.

Sagen Sie mir doch um des Himmels willen, fragte ich, wo der könig¬
liche Weise Jamadagni hinkam, nachdem ich die Besinnung verloren hatte vor
übergroßer Freude? Wo die vier Prinzessinnen, die ans Elefanten, Kameelen,
Schwanenwagcn und Rossen gestern kaum hier eingezogen waren?

Herr Walderich sah mich voll Erstaunen ein, dann sagte er: Elefanten
Kameele — Jama —


Grenzboten IV 1890 7?
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[0585] Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen ich würde vergebens ihre Pracht zu schildern unternehmen. Die zwei ersten Damen trugen indische Fürstengewande, die dritte zeigte sich in persischer Prinzcssinnentracht, die vierte war angethan wie Chriemhild in den Nibe¬ lungen. Hinter ihnen ein Gefolge von Brahminen und Bajaderen, von schwarzen und weißen Sklaven und Sklavinnen, altdeutscheu Jungfrauen, Pagen und Rittern, alle auf das herrlichste geschmückt und beritten. Vasanta! Hildeswind! Sonne des Lebens! schrieen die drei Litteraten zugleich auf, unvermögend vor freudigem Schreck, ihre Sitze zu verlassen. Die Damen waren unterdes mit Hilfe des Gefolges von ihren Tieren herabgestiegen und lagen lange und sprachlos sich in den Armen. Jetzt traten sie herein und knieeten vor dem königlichen Weisen, der sie segnete und umarmte. Drei von den vier Damen eilten nun ans die Litteraten zu, die vierte, die edelste Gestalt, die je ein Ange gesehen, die schlanken Glieder in Purpur gehüllt, auf dem unzählige Perlen prangten, einen Kranz der lieblichsten Blumen in der weißen Hand, nahte sich mir. Sie schlug den Schleier zurück; der himmlische Friede selbst lächelte mich an aus großen braunen Augen — es war Fides! Sie trat nahe zu mir, über ihre Wangen ergoß sich das süßeste Rot, als sie mir den Kranz auf das schwindelnde Haupt drückte. Wir sanken beide in die Kniee, unsre Stirnen berührten sich; keines aber sah das andre durch den Schleier der unaufhörlich quellenden Freudenthränen. Von dem Tische der Litteraten her rauschten Küsse und das Ächzen des höchsten Entzückens. Über uns schwebte die segnende Hand Jamadagnis, die Wände der Restauration wichen zurück und dehnten sich in unübersehbarer duftender Grüne, die Decke hob sich und streckte sich unendlich und wnnderblau über uns hin — ich sank zurück vor dem Übermaß der Wonne, eine Ohnmacht deckte ihre kühlen Schleier über mich hin. Zum zweitenmal erwachte ich in ganz fremder Umgebung. Es schien nur eine Stube über der Restauration des Herrn Walderich, in der ich, wie ich mich zu erinnern glaubte, früher schon einmal übernachtet hatte. Wie war ich hierhergekommen aus dem Palmenthal? Wo war Fides, wo Jamci- dagni, der königliche Weise, wo waren die drei Litteraten hingekommen? Ich stand ans und trat ans Fenster; drüben die Firma: Hahnsche Verlagsbuch¬ handlung, weiter vorn die Post — ich hatte mich nicht getäuscht. Im Kopfe war mirs düster, wie nach einer durchschwärmten Nacht. Ich zog mich an und ging hinunter in die Restauration. Ich fand Herrn Walderich allein. Sagen Sie mir doch um des Himmels willen, fragte ich, wo der könig¬ liche Weise Jamadagni hinkam, nachdem ich die Besinnung verloren hatte vor übergroßer Freude? Wo die vier Prinzessinnen, die ans Elefanten, Kameelen, Schwanenwagcn und Rossen gestern kaum hier eingezogen waren? Herr Walderich sah mich voll Erstaunen ein, dann sagte er: Elefanten Kameele — Jama — Grenzboten IV 1890 7?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/585>, abgerufen am 23.07.2024.