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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

seiner blanken Frackknöpfe die Augen hatte ruhen lassen, wandte sich endlich
zu mir und sprach, und mit jedem Worte wurde er freundlicher: Ich habe
schon öfter das Vergnügen gehabt, Sie zu sehen, Herr -- er nannte meinen
Namen. Ich heiße Jammerdegeu und bin, wie Sie Wohl wissen werden,
Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann beim
Landtage und dergleichen. Er prüsentirte mir seine goldne Dose: Darf ich? --
Wiewohl, was ich mit Ihnen zu sprechen habe, eigentlich nicht hierher gehört.
Sie haben meiner Tochter das Leben gerettet und lieben sie, wie ich recht gut
weiß, obschon Sie mich es nie haben wissen lassen. Fides hat erklärt, sie
könne nur mit Ihnen glücklich sein. Ich will ihrem Glücke nicht in den Weg
treten; ich kenne sie zu gut, als daß ich glauben sollte, eine Laune, die mit
den Flitterwochen schwindet, spreche aus ihr. Sie sehen, daß ich keiner von
den grausamen Vätern bin, deren ich selbst einige verlegt habe. Ich hoffe,
Sie kennen mich nun. Ich heiße Jammerdegen und bin, wie Sie wohl wissen
marder, Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatz¬
mann beim Landtage und dergleichen. Drum wünschte ich aber nun auch,
daß mein künftiger Schwiegersohn Ruf hätte, eine Notabilität wäre. Haben
Sie etwa ein Manuskript liegen? Bringen Sie mirs morgen. Ich wills ver¬
legen. Und wenn ichs verlege, so ist Ihr Ruf gemacht. Wir Buchhändler
sinds, die aus den Schriftstellern etwas machen.

So sprach Herr Jammerdegen. Was ich empfand! Wie alle Seligkeit
gegen meinen Zustand im Preise fiel!

Ein Donnerschlng oder ein Erdstoß zitterte unter unsern Füßen dahin.
Herr Jammerdegeu ward zusehends größer; die Schöße seines Frackes dehnten
sich und wurden zum Königsmantel; in unbeschreiblicher Majestät stand er da.
Bor Erstaunen wie betäubt begann ich: Verehrtester Herr Buchhändler, Bnch¬
druckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann Jammerdegeu --

Jamadagni! entgegnete mit majestätischem Lächeln der Angeredete;
Jamadagni, der königliche Weise, der Enkel Brahmas, der durch seine In¬
karnation als Leipziger Buchhändler den Fluch löste, der Vasantasena, seine
und der göttlichen Urvasi Tochter, jahrhundertelang von den geliebten
Schwestern trennte, weil diese Chyavana, den die weiße" Ameisen überbaut,
mit Kusagras die heiligen Angen verletzt hatten.

staunte ich schon über die Veränderung, die mit Herrn Jammerdegeu
vorgegangen war, so wußte ich noch weniger, was ich denken sollte, wie die
Straße draußen, von unzähligen Fackeln beleuchtet, ein Schauplatz der wunder¬
samsten Auszüge wurde. Fast zugleich kamen von verschiednen Seiten her
vier verschleierte Damen, die eine auf einem weißen Elefanten, die andre in
einem Wage" von Schwänen gezogen, die dritte auf einem mit Glöckchen bc-
hangueu Kameel, die vierte ans einem weiße" Zelter vo" außerordentlicher
Schönheit. Ich will gar nicht rede" von den goldstoffeuen Sätteln und Decken;


Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

seiner blanken Frackknöpfe die Augen hatte ruhen lassen, wandte sich endlich
zu mir und sprach, und mit jedem Worte wurde er freundlicher: Ich habe
schon öfter das Vergnügen gehabt, Sie zu sehen, Herr — er nannte meinen
Namen. Ich heiße Jammerdegeu und bin, wie Sie Wohl wissen werden,
Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann beim
Landtage und dergleichen. Er prüsentirte mir seine goldne Dose: Darf ich? —
Wiewohl, was ich mit Ihnen zu sprechen habe, eigentlich nicht hierher gehört.
Sie haben meiner Tochter das Leben gerettet und lieben sie, wie ich recht gut
weiß, obschon Sie mich es nie haben wissen lassen. Fides hat erklärt, sie
könne nur mit Ihnen glücklich sein. Ich will ihrem Glücke nicht in den Weg
treten; ich kenne sie zu gut, als daß ich glauben sollte, eine Laune, die mit
den Flitterwochen schwindet, spreche aus ihr. Sie sehen, daß ich keiner von
den grausamen Vätern bin, deren ich selbst einige verlegt habe. Ich hoffe,
Sie kennen mich nun. Ich heiße Jammerdegen und bin, wie Sie wohl wissen
marder, Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatz¬
mann beim Landtage und dergleichen. Drum wünschte ich aber nun auch,
daß mein künftiger Schwiegersohn Ruf hätte, eine Notabilität wäre. Haben
Sie etwa ein Manuskript liegen? Bringen Sie mirs morgen. Ich wills ver¬
legen. Und wenn ichs verlege, so ist Ihr Ruf gemacht. Wir Buchhändler
sinds, die aus den Schriftstellern etwas machen.

So sprach Herr Jammerdegen. Was ich empfand! Wie alle Seligkeit
gegen meinen Zustand im Preise fiel!

Ein Donnerschlng oder ein Erdstoß zitterte unter unsern Füßen dahin.
Herr Jammerdegeu ward zusehends größer; die Schöße seines Frackes dehnten
sich und wurden zum Königsmantel; in unbeschreiblicher Majestät stand er da.
Bor Erstaunen wie betäubt begann ich: Verehrtester Herr Buchhändler, Bnch¬
druckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann Jammerdegeu —

Jamadagni! entgegnete mit majestätischem Lächeln der Angeredete;
Jamadagni, der königliche Weise, der Enkel Brahmas, der durch seine In¬
karnation als Leipziger Buchhändler den Fluch löste, der Vasantasena, seine
und der göttlichen Urvasi Tochter, jahrhundertelang von den geliebten
Schwestern trennte, weil diese Chyavana, den die weiße» Ameisen überbaut,
mit Kusagras die heiligen Angen verletzt hatten.

staunte ich schon über die Veränderung, die mit Herrn Jammerdegeu
vorgegangen war, so wußte ich noch weniger, was ich denken sollte, wie die
Straße draußen, von unzähligen Fackeln beleuchtet, ein Schauplatz der wunder¬
samsten Auszüge wurde. Fast zugleich kamen von verschiednen Seiten her
vier verschleierte Damen, die eine auf einem weißen Elefanten, die andre in
einem Wage» von Schwänen gezogen, die dritte auf einem mit Glöckchen bc-
hangueu Kameel, die vierte ans einem weiße» Zelter vo» außerordentlicher
Schönheit. Ich will gar nicht rede» von den goldstoffeuen Sätteln und Decken;


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[0584] Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen seiner blanken Frackknöpfe die Augen hatte ruhen lassen, wandte sich endlich zu mir und sprach, und mit jedem Worte wurde er freundlicher: Ich habe schon öfter das Vergnügen gehabt, Sie zu sehen, Herr — er nannte meinen Namen. Ich heiße Jammerdegeu und bin, wie Sie Wohl wissen werden, Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann beim Landtage und dergleichen. Er prüsentirte mir seine goldne Dose: Darf ich? — Wiewohl, was ich mit Ihnen zu sprechen habe, eigentlich nicht hierher gehört. Sie haben meiner Tochter das Leben gerettet und lieben sie, wie ich recht gut weiß, obschon Sie mich es nie haben wissen lassen. Fides hat erklärt, sie könne nur mit Ihnen glücklich sein. Ich will ihrem Glücke nicht in den Weg treten; ich kenne sie zu gut, als daß ich glauben sollte, eine Laune, die mit den Flitterwochen schwindet, spreche aus ihr. Sie sehen, daß ich keiner von den grausamen Vätern bin, deren ich selbst einige verlegt habe. Ich hoffe, Sie kennen mich nun. Ich heiße Jammerdegen und bin, wie Sie wohl wissen marder, Buchhändler, Bnchdruckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatz¬ mann beim Landtage und dergleichen. Drum wünschte ich aber nun auch, daß mein künftiger Schwiegersohn Ruf hätte, eine Notabilität wäre. Haben Sie etwa ein Manuskript liegen? Bringen Sie mirs morgen. Ich wills ver¬ legen. Und wenn ichs verlege, so ist Ihr Ruf gemacht. Wir Buchhändler sinds, die aus den Schriftstellern etwas machen. So sprach Herr Jammerdegen. Was ich empfand! Wie alle Seligkeit gegen meinen Zustand im Preise fiel! Ein Donnerschlng oder ein Erdstoß zitterte unter unsern Füßen dahin. Herr Jammerdegeu ward zusehends größer; die Schöße seines Frackes dehnten sich und wurden zum Königsmantel; in unbeschreiblicher Majestät stand er da. Bor Erstaunen wie betäubt begann ich: Verehrtester Herr Buchhändler, Bnch¬ druckereibesitzer, Stadtrat, Kirchenvorsteher, Ersatzmann Jammerdegeu — Jamadagni! entgegnete mit majestätischem Lächeln der Angeredete; Jamadagni, der königliche Weise, der Enkel Brahmas, der durch seine In¬ karnation als Leipziger Buchhändler den Fluch löste, der Vasantasena, seine und der göttlichen Urvasi Tochter, jahrhundertelang von den geliebten Schwestern trennte, weil diese Chyavana, den die weiße» Ameisen überbaut, mit Kusagras die heiligen Angen verletzt hatten. staunte ich schon über die Veränderung, die mit Herrn Jammerdegeu vorgegangen war, so wußte ich noch weniger, was ich denken sollte, wie die Straße draußen, von unzähligen Fackeln beleuchtet, ein Schauplatz der wunder¬ samsten Auszüge wurde. Fast zugleich kamen von verschiednen Seiten her vier verschleierte Damen, die eine auf einem weißen Elefanten, die andre in einem Wage» von Schwänen gezogen, die dritte auf einem mit Glöckchen bc- hangueu Kameel, die vierte ans einem weiße» Zelter vo» außerordentlicher Schönheit. Ich will gar nicht rede» von den goldstoffeuen Sätteln und Decken;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/584>, abgerufen am 25.08.2024.