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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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die Eins vorrücken, die bisherige Nummer Drei in die Zwei und so fort.
Und du, Theodor, wirst als Nummer Acht in die Reihe dieser würdigen
Männer eintreten. Und so wäre denn die Zeit, das ernste Geheimnis des
De el ein dir auszuschließen. Es giebt, Nierteste nunmehrige Nummer Acht,
es giebt Menschen, deren ganzes Streben dahin geht, mit Kaufleuten und
Wirten wider den Willen dieser in Gütergemeinschaft zu treten. Dazu giebt
es zwei Wege; den Weg des Borgens, ohne den Willen zu bezahlen, und den
Weg des unmittelbaren Besitzuehmens von einer Sache wider nicht allein den
Willen, sondern much wider das Wissen des bisherigen Besitzers. Beide Rich-
tungen zählen in unserm Leipzig viele Anhänger. Und namentlich vor der
zweiten mich zu wahren, ist mein Geschüft, während meine Kommis verkaufen,
die Physiognomien und Geberden der oft nur vorgeblichen Kunden zu studiren.
Finde ich etwas Verdächtiges, so warne ich die betreffende Nummer durch das
so unbefangene und doch so vielsagende De, el, ein -- die Anfangsbuchstaben
der drei Worte- das Luder maust! Und nun noch einiges Beherzigenswerte
über den Stand, dem dn angehörst. Ein alles Sprichwort sagt: Lieber zehn
Neider als einen Mitleider. So lasset uns froh sein! Zeigt sich der Neid
im Verkleinern seines Gegenstandes, in der Bemühung, ihn lächerlich zu machen,
so fehlt es unserm Stande nicht an Neidern. Wie viel Spottnamen hat der
Neid andrer Stände für uns erfunden! Oder glaubt er, erfunden zu haben!
Denn wir würden, wenn wir sie betrachten wollten, finden, daß wir solchen
Spott nus leicht gefallen lassen tonnen, indem er nichts als eine Anerkennung
ist, die sich im Ärger, daß sie sich nicht verleugnen kann, stellen will, als sei
sie Spott. So nennt man uns zuweilen Jndustrieritter. Sind wir es nicht?
Wo liegt das Beschimpfende? Ich kann es in dem Worte nicht finden. Hat
man es im Ärger darüber erfunden, daß wir es schneller dahin bringen, wie
andre, Pferde kaufen zu können zu unserm Vergnügen und auf diese Weise
beritten zu werden? Wer belegt uns hauptsächlich mit diesem Namen? Die
sogenannte gelehrte Kaste, in unserm Sinne oft: die geleerte. Was anders
treiben denn aber sie selbst, als Industrie? Der eine verkauft seine Über¬
zeugung der Kirche oder dem Staate gegen eine jährliche Rente und macht in
Aberglauben; der andre martlet mit dem Rechte, der dritte verkauft seine Gifte
für Geld und arbeitet für den Totengräber, der vierte macht in Syllogismen.
Industrie ist also auch ihre Göttin; aber Ritter sind sie nicht. Wir sind noch
ein Echo jener fahrenden Ritter; während jene gähnend hinter dem Ofen hocken,
bieten wir die mutige Brust den Winden, den Wassern des Himmels und den
Saugstacheln hungriger Gastwirte auf der Reise. Während sie, was die Zeit
in ihrem Fortschreiten bereits zertreten hat, zu traurigem Scheinleben wieder
auszubrüten sich mühen, werfen unsre rüstigen Hände die Weberschiffchen von
Land zu Land, von Meer zu Meer und weben dem neuen Geiste ein neues
Gewand, ziehen wir der Erde den Ringpanzer der Eisenbahnen an zum Todes-


die Eins vorrücken, die bisherige Nummer Drei in die Zwei und so fort.
Und du, Theodor, wirst als Nummer Acht in die Reihe dieser würdigen
Männer eintreten. Und so wäre denn die Zeit, das ernste Geheimnis des
De el ein dir auszuschließen. Es giebt, Nierteste nunmehrige Nummer Acht,
es giebt Menschen, deren ganzes Streben dahin geht, mit Kaufleuten und
Wirten wider den Willen dieser in Gütergemeinschaft zu treten. Dazu giebt
es zwei Wege; den Weg des Borgens, ohne den Willen zu bezahlen, und den
Weg des unmittelbaren Besitzuehmens von einer Sache wider nicht allein den
Willen, sondern much wider das Wissen des bisherigen Besitzers. Beide Rich-
tungen zählen in unserm Leipzig viele Anhänger. Und namentlich vor der
zweiten mich zu wahren, ist mein Geschüft, während meine Kommis verkaufen,
die Physiognomien und Geberden der oft nur vorgeblichen Kunden zu studiren.
Finde ich etwas Verdächtiges, so warne ich die betreffende Nummer durch das
so unbefangene und doch so vielsagende De, el, ein — die Anfangsbuchstaben
der drei Worte- das Luder maust! Und nun noch einiges Beherzigenswerte
über den Stand, dem dn angehörst. Ein alles Sprichwort sagt: Lieber zehn
Neider als einen Mitleider. So lasset uns froh sein! Zeigt sich der Neid
im Verkleinern seines Gegenstandes, in der Bemühung, ihn lächerlich zu machen,
so fehlt es unserm Stande nicht an Neidern. Wie viel Spottnamen hat der
Neid andrer Stände für uns erfunden! Oder glaubt er, erfunden zu haben!
Denn wir würden, wenn wir sie betrachten wollten, finden, daß wir solchen
Spott nus leicht gefallen lassen tonnen, indem er nichts als eine Anerkennung
ist, die sich im Ärger, daß sie sich nicht verleugnen kann, stellen will, als sei
sie Spott. So nennt man uns zuweilen Jndustrieritter. Sind wir es nicht?
Wo liegt das Beschimpfende? Ich kann es in dem Worte nicht finden. Hat
man es im Ärger darüber erfunden, daß wir es schneller dahin bringen, wie
andre, Pferde kaufen zu können zu unserm Vergnügen und auf diese Weise
beritten zu werden? Wer belegt uns hauptsächlich mit diesem Namen? Die
sogenannte gelehrte Kaste, in unserm Sinne oft: die geleerte. Was anders
treiben denn aber sie selbst, als Industrie? Der eine verkauft seine Über¬
zeugung der Kirche oder dem Staate gegen eine jährliche Rente und macht in
Aberglauben; der andre martlet mit dem Rechte, der dritte verkauft seine Gifte
für Geld und arbeitet für den Totengräber, der vierte macht in Syllogismen.
Industrie ist also auch ihre Göttin; aber Ritter sind sie nicht. Wir sind noch
ein Echo jener fahrenden Ritter; während jene gähnend hinter dem Ofen hocken,
bieten wir die mutige Brust den Winden, den Wassern des Himmels und den
Saugstacheln hungriger Gastwirte auf der Reise. Während sie, was die Zeit
in ihrem Fortschreiten bereits zertreten hat, zu traurigem Scheinleben wieder
auszubrüten sich mühen, werfen unsre rüstigen Hände die Weberschiffchen von
Land zu Land, von Meer zu Meer und weben dem neuen Geiste ein neues
Gewand, ziehen wir der Erde den Ringpanzer der Eisenbahnen an zum Todes-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/535>, abgerufen am 23.07.2024.