Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Gesetzgebung hat sich dann in unserm Jahrhundert weiter entwickelt durch das Hiernach ist zu unterscheiden zwischen der geschlossenen und der offenen Gesetzgebung hat sich dann in unserm Jahrhundert weiter entwickelt durch das Hiernach ist zu unterscheiden zwischen der geschlossenen und der offenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209094"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1486" prev="#ID_1485"> Gesetzgebung hat sich dann in unserm Jahrhundert weiter entwickelt durch das<lb/> Dekret vom 19. Januar 1811 über die Findelkinder, die verlassenen und die<lb/> Waisenkinder, dnrch das Gesetz vom ,W, Juni 1838 über die Geisteskranken,<lb/> dnrch das vom 7. August 1851 über die Pflege- und Krankenhäuser, sowie<lb/> durch das vom 5. Mai 1869 über die Auslagen für „unterstützte Kinder/<lb/> Dieses sind neben dem Freizügigkeitsgesetz die wesentlichsten Grundlagen, ans<lb/> denen das heutige Untersttttzungswesen in Elsaß-Lothringen beruht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1487" next="#ID_1488"> Hiernach ist zu unterscheiden zwischen der geschlossenen und der offenen<lb/> Armenpflege. Träger der offenen sollten nach dem Gesetze vom 7. triM-ur-zV<lb/> die sogenannten Armenräte (burgg-ux <Z<z bientaisanLk) werden. Diese bestehen<lb/> aus fünf vom Bezirksprüfidenten ernannten unbesoldeten Mitgliedern und dein<lb/> Bürgermeister der Gemeinde. Ursprünglich war es beabsichtigt, jedes Gemein¬<lb/> wesen mindestens mit einer derartigen Wohlthätigkeitsanstalt zu versehen, doch<lb/> hat sich das als unausführbar erwiesen, und thatsächlich giebt es Armcuräte<lb/> wohl kaum in dem dritten Teile aller Gemeinden des Landes. Ihre Aufgabe<lb/> besteht hauptsächlich in der Verteilung der Hnusunterstützungen, die so viel<lb/> als möglich in Naturalien zu gewähren find. Freilich ist ihre Leistungsfähig¬<lb/> keit, soweit kleinere Gemeinden in Betracht kommen, sehr beschränkt, entsprechend<lb/> den geringen Einkünften, die ihnen zufließen. Soweit diese nicht aus Ge¬<lb/> schenken und Vermächtnissen herrühren, beschränken sie sich auf eine Besteue¬<lb/> rung, die mit dem Besuche von Theatervorstellungen, öffentlichen Bällen,<lb/> Feuerwerken, Konzerten, Pferdevorstellungen und Pferderennen verbunden ist,<lb/> sowie ans die Erträgnisse der in den Kirchen und bei den Standesämtern auf¬<lb/> gestellten Almosenbüchsen und der genehmigten öffentlichen Sammlungen, endlich<lb/> auf den Ertrag der Bodenabtretungen auf den Friedhöfen, von dem zwei<lb/> Drittel der Gemeinde und ein^ Drittel der Wohlthätigkeitsanstalt zufällt.<lb/> Außerdem muß jeder Armenrat bei seiner Gründung — und dies ist Voraus¬<lb/> setzung für ihre Genehmigung — ein Nenteneinkommen von mindestens vierzig<lb/> Mark nachweisen. Diese Einnahmequellen sind so geringfügig und stießen<lb/> außerdem ihrer Natur nach so unregelmäßig, daß die Armenrüte fast durch¬<lb/> gängig auf die Zuschüsse augewiesen sind, die die Gemeindevertretnng (der<lb/> Gemeinderat) aus den Gemeiudemitteln bewilligt. Diese richten sich natürlich<lb/> nach der Finanzkraft des Gemeinwesens und sind um so geringer, je ärmer<lb/> dieses ist. Hiernach la», man sich der Einsicht nicht verschließen, daß die<lb/> ursprüngliche Absicht des Gesetzes, in den Armenräten die Träger der örtlichen<lb/> Armenpflege zu schaffen, selbst da, wo solche bestehen, nur teilweise erreicht ist.<lb/> In der Mehrzahl der Gemeinden aber/ in denen Wohlthätigkeitsanstalten nicht<lb/> vorhanden sind, find die Organe der Gemeindeverwaltung zugleich ,,die Organe<lb/> für das örtliche Unterstützungswesen. Dn nnn aber ein gesetzlicher Zwang zur<lb/> Gewährung einer Unterstützung für die Gemeinde nicht besteht, so fühlt sich<lb/> diese nur moralisch zur Fürsorge für ihre Armen verpflichtet. Im allgemeinen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
Gesetzgebung hat sich dann in unserm Jahrhundert weiter entwickelt durch das
Dekret vom 19. Januar 1811 über die Findelkinder, die verlassenen und die
Waisenkinder, dnrch das Gesetz vom ,W, Juni 1838 über die Geisteskranken,
dnrch das vom 7. August 1851 über die Pflege- und Krankenhäuser, sowie
durch das vom 5. Mai 1869 über die Auslagen für „unterstützte Kinder/
Dieses sind neben dem Freizügigkeitsgesetz die wesentlichsten Grundlagen, ans
denen das heutige Untersttttzungswesen in Elsaß-Lothringen beruht.
Hiernach ist zu unterscheiden zwischen der geschlossenen und der offenen
Armenpflege. Träger der offenen sollten nach dem Gesetze vom 7. triM-ur-zV
die sogenannten Armenräte (burgg-ux <Z<z bientaisanLk) werden. Diese bestehen
aus fünf vom Bezirksprüfidenten ernannten unbesoldeten Mitgliedern und dein
Bürgermeister der Gemeinde. Ursprünglich war es beabsichtigt, jedes Gemein¬
wesen mindestens mit einer derartigen Wohlthätigkeitsanstalt zu versehen, doch
hat sich das als unausführbar erwiesen, und thatsächlich giebt es Armcuräte
wohl kaum in dem dritten Teile aller Gemeinden des Landes. Ihre Aufgabe
besteht hauptsächlich in der Verteilung der Hnusunterstützungen, die so viel
als möglich in Naturalien zu gewähren find. Freilich ist ihre Leistungsfähig¬
keit, soweit kleinere Gemeinden in Betracht kommen, sehr beschränkt, entsprechend
den geringen Einkünften, die ihnen zufließen. Soweit diese nicht aus Ge¬
schenken und Vermächtnissen herrühren, beschränken sie sich auf eine Besteue¬
rung, die mit dem Besuche von Theatervorstellungen, öffentlichen Bällen,
Feuerwerken, Konzerten, Pferdevorstellungen und Pferderennen verbunden ist,
sowie ans die Erträgnisse der in den Kirchen und bei den Standesämtern auf¬
gestellten Almosenbüchsen und der genehmigten öffentlichen Sammlungen, endlich
auf den Ertrag der Bodenabtretungen auf den Friedhöfen, von dem zwei
Drittel der Gemeinde und ein^ Drittel der Wohlthätigkeitsanstalt zufällt.
Außerdem muß jeder Armenrat bei seiner Gründung — und dies ist Voraus¬
setzung für ihre Genehmigung — ein Nenteneinkommen von mindestens vierzig
Mark nachweisen. Diese Einnahmequellen sind so geringfügig und stießen
außerdem ihrer Natur nach so unregelmäßig, daß die Armenrüte fast durch¬
gängig auf die Zuschüsse augewiesen sind, die die Gemeindevertretnng (der
Gemeinderat) aus den Gemeiudemitteln bewilligt. Diese richten sich natürlich
nach der Finanzkraft des Gemeinwesens und sind um so geringer, je ärmer
dieses ist. Hiernach la», man sich der Einsicht nicht verschließen, daß die
ursprüngliche Absicht des Gesetzes, in den Armenräten die Träger der örtlichen
Armenpflege zu schaffen, selbst da, wo solche bestehen, nur teilweise erreicht ist.
In der Mehrzahl der Gemeinden aber/ in denen Wohlthätigkeitsanstalten nicht
vorhanden sind, find die Organe der Gemeindeverwaltung zugleich ,,die Organe
für das örtliche Unterstützungswesen. Dn nnn aber ein gesetzlicher Zwang zur
Gewährung einer Unterstützung für die Gemeinde nicht besteht, so fühlt sich
diese nur moralisch zur Fürsorge für ihre Armen verpflichtet. Im allgemeinen
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