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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

landwirtschaftlicher Gewerbe, Brennerei, Ziegelei n. s. w. enthielten. Nun geben
wir gern zu, daß die von den Steuerpflichtigen in die Steuererklärungen auf¬
zunehmenden Nachweisungen, da unrichtige Angaben mit Strafe bedroht sind,
etwas richtiger als die von den Behörden aufgestellten Nachweisungen sein
werden, aber unbedingte Richtigkeit ist ihnen uicht zuzusprechen, und die Ver-
anlagnngskvminissivnen, auf deren Schätzung es in allen diesen Fällen allein
ankommt, werden sich bei vorhandnen Zweifeln und bei nicht völlig aufgeklärten
Verhältnissen leicht zur mildesten Besteuerung umso mehr veranlaßt fühlen,
als in jedem Veranlagungsbezirke mehrere, oft viele tausend Steuerpflichtige
vorhanden sind und der durchaus richtigen Einschätzung aller unüberwindliche
Hindernisse entgegenstehen. Das Einkommen aus Grundvermögen ist auch
bereits durch die Grund- und Gebäudcsteuer, das Einkommen aus Handel und
Gewerbe durch die Gewerbesteuer besonders belastet, das Einkommen aus
gewinnbringender Arbeit, als das unfundirteste, will der Gesetzentwurf grund¬
sätzlich am wenigsten belasten, und wie die Steuerpflichtigen der bezeichneten
drei Klassen eine Erhöhung ihrer Einkommensteuer nur in beschränktem Grade
zu befürchten haben, werden für sie auch die im EntWurfe vorgeschriebenen
Steuererklärungen, also die Deklarationspflicht und die damit verbundenen
Strafen, die geringste Bedeutung haben. Für diese Steuerpflichtige" ist die
Ordnung des übrigen formellen Verfahrens, namentlich die Bestimmung der
Veraulagungsorgcnie, von größerer Wichtigkeit.

Die Deklarativnspflicht soll vorzugsweise gegen die erste Einkommensquelle,
gegen das Einkommen aus Kapital gerichtet werden, wie denn der Gesetzent¬
wurf in der erklärten Absicht, die vielfach beantragte Kapitalrentenstener ent¬
behrlich zu machen, das Kapital mit voller Wucht treffen und voll besteuern
will. Dieser durch den Entwurf eröffnete Kriegszug gegen das Kapital findet
in der Entwicklung unsrer wirtschaftlichen Verhältnisse genügende Erklärung.
In den beiden letzten Jahrzehnten, also seit dem französischen Kriege und der
darauf folgenden Gründerperivde haben sich sehr bedeutende Kapitalien in
einzelnen Händen, deren Zahl keineswegs unbedeutend ist, angehäuft. Während
bis zum Jahre 1870 abgesehen von einzelnen Bankiers und einzelnen Kauf¬
leuten im Staate Preußen die Großgrundbesitzer als die beträchtlichsten Kapital¬
besitzer galten, trat demnächst die Landwirtschaft als hervorragendste Ein¬
kommensquelle zurück, die durch Zölle geschützte Industrie und die in und mit
ihr xer tas se u"zlA8 (Gründergewinn) gewonnenen Kapitalien überstiegen sehr
bald die im Landbau gewonnenen Summen. Dazu traten die uugemessensten,
um nicht zu sagen wildesten Vörseuspekulativnen, bei denen Milliarden ver¬
loren und gewonnen wurden. Als Folge dieser Vorgänge, deren malerische
Schilderung Aufgabe für den Pinsel eines Höllen-Breughel bilden könnte
-- denu an ihnen haften Elend, Verzweiflung und Blut -- ergiebt sich Nn-
häufuug eines ungemessenen Kapitalbesitzes in einzelnen Händen. Ein kurzer


Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

landwirtschaftlicher Gewerbe, Brennerei, Ziegelei n. s. w. enthielten. Nun geben
wir gern zu, daß die von den Steuerpflichtigen in die Steuererklärungen auf¬
zunehmenden Nachweisungen, da unrichtige Angaben mit Strafe bedroht sind,
etwas richtiger als die von den Behörden aufgestellten Nachweisungen sein
werden, aber unbedingte Richtigkeit ist ihnen uicht zuzusprechen, und die Ver-
anlagnngskvminissivnen, auf deren Schätzung es in allen diesen Fällen allein
ankommt, werden sich bei vorhandnen Zweifeln und bei nicht völlig aufgeklärten
Verhältnissen leicht zur mildesten Besteuerung umso mehr veranlaßt fühlen,
als in jedem Veranlagungsbezirke mehrere, oft viele tausend Steuerpflichtige
vorhanden sind und der durchaus richtigen Einschätzung aller unüberwindliche
Hindernisse entgegenstehen. Das Einkommen aus Grundvermögen ist auch
bereits durch die Grund- und Gebäudcsteuer, das Einkommen aus Handel und
Gewerbe durch die Gewerbesteuer besonders belastet, das Einkommen aus
gewinnbringender Arbeit, als das unfundirteste, will der Gesetzentwurf grund¬
sätzlich am wenigsten belasten, und wie die Steuerpflichtigen der bezeichneten
drei Klassen eine Erhöhung ihrer Einkommensteuer nur in beschränktem Grade
zu befürchten haben, werden für sie auch die im EntWurfe vorgeschriebenen
Steuererklärungen, also die Deklarationspflicht und die damit verbundenen
Strafen, die geringste Bedeutung haben. Für diese Steuerpflichtige» ist die
Ordnung des übrigen formellen Verfahrens, namentlich die Bestimmung der
Veraulagungsorgcnie, von größerer Wichtigkeit.

Die Deklarativnspflicht soll vorzugsweise gegen die erste Einkommensquelle,
gegen das Einkommen aus Kapital gerichtet werden, wie denn der Gesetzent¬
wurf in der erklärten Absicht, die vielfach beantragte Kapitalrentenstener ent¬
behrlich zu machen, das Kapital mit voller Wucht treffen und voll besteuern
will. Dieser durch den Entwurf eröffnete Kriegszug gegen das Kapital findet
in der Entwicklung unsrer wirtschaftlichen Verhältnisse genügende Erklärung.
In den beiden letzten Jahrzehnten, also seit dem französischen Kriege und der
darauf folgenden Gründerperivde haben sich sehr bedeutende Kapitalien in
einzelnen Händen, deren Zahl keineswegs unbedeutend ist, angehäuft. Während
bis zum Jahre 1870 abgesehen von einzelnen Bankiers und einzelnen Kauf¬
leuten im Staate Preußen die Großgrundbesitzer als die beträchtlichsten Kapital¬
besitzer galten, trat demnächst die Landwirtschaft als hervorragendste Ein¬
kommensquelle zurück, die durch Zölle geschützte Industrie und die in und mit
ihr xer tas se u«zlA8 (Gründergewinn) gewonnenen Kapitalien überstiegen sehr
bald die im Landbau gewonnenen Summen. Dazu traten die uugemessensten,
um nicht zu sagen wildesten Vörseuspekulativnen, bei denen Milliarden ver¬
loren und gewonnen wurden. Als Folge dieser Vorgänge, deren malerische
Schilderung Aufgabe für den Pinsel eines Höllen-Breughel bilden könnte
— denu an ihnen haften Elend, Verzweiflung und Blut — ergiebt sich Nn-
häufuug eines ungemessenen Kapitalbesitzes in einzelnen Händen. Ein kurzer


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[0453] Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes landwirtschaftlicher Gewerbe, Brennerei, Ziegelei n. s. w. enthielten. Nun geben wir gern zu, daß die von den Steuerpflichtigen in die Steuererklärungen auf¬ zunehmenden Nachweisungen, da unrichtige Angaben mit Strafe bedroht sind, etwas richtiger als die von den Behörden aufgestellten Nachweisungen sein werden, aber unbedingte Richtigkeit ist ihnen uicht zuzusprechen, und die Ver- anlagnngskvminissivnen, auf deren Schätzung es in allen diesen Fällen allein ankommt, werden sich bei vorhandnen Zweifeln und bei nicht völlig aufgeklärten Verhältnissen leicht zur mildesten Besteuerung umso mehr veranlaßt fühlen, als in jedem Veranlagungsbezirke mehrere, oft viele tausend Steuerpflichtige vorhanden sind und der durchaus richtigen Einschätzung aller unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen. Das Einkommen aus Grundvermögen ist auch bereits durch die Grund- und Gebäudcsteuer, das Einkommen aus Handel und Gewerbe durch die Gewerbesteuer besonders belastet, das Einkommen aus gewinnbringender Arbeit, als das unfundirteste, will der Gesetzentwurf grund¬ sätzlich am wenigsten belasten, und wie die Steuerpflichtigen der bezeichneten drei Klassen eine Erhöhung ihrer Einkommensteuer nur in beschränktem Grade zu befürchten haben, werden für sie auch die im EntWurfe vorgeschriebenen Steuererklärungen, also die Deklarationspflicht und die damit verbundenen Strafen, die geringste Bedeutung haben. Für diese Steuerpflichtige» ist die Ordnung des übrigen formellen Verfahrens, namentlich die Bestimmung der Veraulagungsorgcnie, von größerer Wichtigkeit. Die Deklarativnspflicht soll vorzugsweise gegen die erste Einkommensquelle, gegen das Einkommen aus Kapital gerichtet werden, wie denn der Gesetzent¬ wurf in der erklärten Absicht, die vielfach beantragte Kapitalrentenstener ent¬ behrlich zu machen, das Kapital mit voller Wucht treffen und voll besteuern will. Dieser durch den Entwurf eröffnete Kriegszug gegen das Kapital findet in der Entwicklung unsrer wirtschaftlichen Verhältnisse genügende Erklärung. In den beiden letzten Jahrzehnten, also seit dem französischen Kriege und der darauf folgenden Gründerperivde haben sich sehr bedeutende Kapitalien in einzelnen Händen, deren Zahl keineswegs unbedeutend ist, angehäuft. Während bis zum Jahre 1870 abgesehen von einzelnen Bankiers und einzelnen Kauf¬ leuten im Staate Preußen die Großgrundbesitzer als die beträchtlichsten Kapital¬ besitzer galten, trat demnächst die Landwirtschaft als hervorragendste Ein¬ kommensquelle zurück, die durch Zölle geschützte Industrie und die in und mit ihr xer tas se u«zlA8 (Gründergewinn) gewonnenen Kapitalien überstiegen sehr bald die im Landbau gewonnenen Summen. Dazu traten die uugemessensten, um nicht zu sagen wildesten Vörseuspekulativnen, bei denen Milliarden ver¬ loren und gewonnen wurden. Als Folge dieser Vorgänge, deren malerische Schilderung Aufgabe für den Pinsel eines Höllen-Breughel bilden könnte — denu an ihnen haften Elend, Verzweiflung und Blut — ergiebt sich Nn- häufuug eines ungemessenen Kapitalbesitzes in einzelnen Händen. Ein kurzer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/453>, abgerufen am 23.07.2024.