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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

"mßigung hat denn auch in sehr beträchtlichem Umfange stattgefunden. In den
mit Ortsabgaben belasteten Dorfgemeinden werden z. B. die gewöhnlichen
Arbeiter, da man ihnen leicht das niedrigste Einkommen zur Klassensteuer,
jährlich 420 Mark, nachrechne" kann, auch wirklich zur erstell Stufe der
Klassensteuer herangezogen. In den mit Ortsabgaben nicht belasteten Ge¬
meinden und in den Gutsbezirken, wo sie in der Regel noch besser als in den
Dörfern gestellt sind, blieben und bleiben die Arbeiter derselben Klasse von der
Klassensteuer befreit, weil die bäuerlichen und die Großgrundbesitzer, in deren
Lohn die Arbeiter stehen, diese schonen und von der Staatssteuer befreien
Wollen, was sie einfach dadurch erreichen, daß sie die als Lohn ihren Arbeitern
gegebenen Naturalien gering bewerten. Gleiche Mißverhältnisse gehen nun
aber durch alle Stenerstufen und durch alle Stäude. Eine Gemeinde wird
höher als die andre, ein Kreis und ein Regierungsbezirk höher als andre
Kreise und Bezirke veraulngt, und trotz niler Bemühungen der obern Behörden
muß die Richtigkeit der Einschätzung und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
durchaus bezweifelt werden. Dieser bedauerliche Zustand wird in der Haupt¬
sache durch die obenerwähnten milden Veraulaguugsvorschrifte" und durch die
Maiigelhaftigkeit der untern Verwaltuugsvrgaue verschuldet und soll gegen-
wärtig durch deu neuen Gesetzentwurf beseitigt werden. Zu diesem Zwecke
wird den Einschätzungskommissionen nicht nur das tiefere Eindringen in die
Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen nicht verboten,
sondern es wird ihnen nach K 38 des Entwurfes auch die Befugnis erteilt,
Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, anch von jedem Steuerpflichtigen
eine Steuererklärung mit der Maßgabe zu erfordern, daß jede unrichtige An¬
gabe mit den im i> s,8 des Entwurfs bestimmten harte" Strafen geahndet
wird. Alle mit über 3000 Mark jährliche" Einkommens bisher veranlagte"
Steuerpflichtige" haben diese Steuererklärung vorweg abzugeben. Diese Dekla-
rationspslicht soll -- so hofft der Entwurf -- die Richtigkeit der Veranlagung
verbürgen. Die Formulare zu deu Steuererklärungen werden -- diese Befugnis
hat große Bedeutung -- von dem Finanzminister 24 des Entwurfes) ent¬
worfen und kostenfrei erteilt, die Formulare sondern vorweg die im 7 des
Gesetzes aufgestellten vier Einkoiumensquelten, nämlich 1. Einkommen aus
Kapitalvermögen, 2. Einkommen aus Gruudvcrmögcu, 3. Einkommen aus
Handel und Gewerbe, 4. Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung, und
wie 8 26 des Entwurfs ausdrücklich besagt, soll jeder Steuerpflichtige den
Betrag seines Einkommens getrennt nach diesen vier Einkommensquellen anzu¬
geben verpflichtet sein.

Wir sind wohl berechtigt, die Deklarationspflicht und die daran geknüpften
Strafandrohungen mit Druckpumpeu zu vergleiche", geschraubt auf diese Ein-
kommensgnellen, damit sie zu Tage fließen und dein Steuerfiskus den gesetz¬
lichen Obolus spende". Wir fürchte", daß diese Drnckpnmpen mich bei gleich-


Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

»mßigung hat denn auch in sehr beträchtlichem Umfange stattgefunden. In den
mit Ortsabgaben belasteten Dorfgemeinden werden z. B. die gewöhnlichen
Arbeiter, da man ihnen leicht das niedrigste Einkommen zur Klassensteuer,
jährlich 420 Mark, nachrechne» kann, auch wirklich zur erstell Stufe der
Klassensteuer herangezogen. In den mit Ortsabgaben nicht belasteten Ge¬
meinden und in den Gutsbezirken, wo sie in der Regel noch besser als in den
Dörfern gestellt sind, blieben und bleiben die Arbeiter derselben Klasse von der
Klassensteuer befreit, weil die bäuerlichen und die Großgrundbesitzer, in deren
Lohn die Arbeiter stehen, diese schonen und von der Staatssteuer befreien
Wollen, was sie einfach dadurch erreichen, daß sie die als Lohn ihren Arbeitern
gegebenen Naturalien gering bewerten. Gleiche Mißverhältnisse gehen nun
aber durch alle Stenerstufen und durch alle Stäude. Eine Gemeinde wird
höher als die andre, ein Kreis und ein Regierungsbezirk höher als andre
Kreise und Bezirke veraulngt, und trotz niler Bemühungen der obern Behörden
muß die Richtigkeit der Einschätzung und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
durchaus bezweifelt werden. Dieser bedauerliche Zustand wird in der Haupt¬
sache durch die obenerwähnten milden Veraulaguugsvorschrifte» und durch die
Maiigelhaftigkeit der untern Verwaltuugsvrgaue verschuldet und soll gegen-
wärtig durch deu neuen Gesetzentwurf beseitigt werden. Zu diesem Zwecke
wird den Einschätzungskommissionen nicht nur das tiefere Eindringen in die
Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen nicht verboten,
sondern es wird ihnen nach K 38 des Entwurfes auch die Befugnis erteilt,
Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, anch von jedem Steuerpflichtigen
eine Steuererklärung mit der Maßgabe zu erfordern, daß jede unrichtige An¬
gabe mit den im i> s,8 des Entwurfs bestimmten harte» Strafen geahndet
wird. Alle mit über 3000 Mark jährliche» Einkommens bisher veranlagte»
Steuerpflichtige» haben diese Steuererklärung vorweg abzugeben. Diese Dekla-
rationspslicht soll — so hofft der Entwurf — die Richtigkeit der Veranlagung
verbürgen. Die Formulare zu deu Steuererklärungen werden — diese Befugnis
hat große Bedeutung — von dem Finanzminister 24 des Entwurfes) ent¬
worfen und kostenfrei erteilt, die Formulare sondern vorweg die im 7 des
Gesetzes aufgestellten vier Einkoiumensquelten, nämlich 1. Einkommen aus
Kapitalvermögen, 2. Einkommen aus Gruudvcrmögcu, 3. Einkommen aus
Handel und Gewerbe, 4. Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung, und
wie 8 26 des Entwurfs ausdrücklich besagt, soll jeder Steuerpflichtige den
Betrag seines Einkommens getrennt nach diesen vier Einkommensquellen anzu¬
geben verpflichtet sein.

Wir sind wohl berechtigt, die Deklarationspflicht und die daran geknüpften
Strafandrohungen mit Druckpumpeu zu vergleiche», geschraubt auf diese Ein-
kommensgnellen, damit sie zu Tage fließen und dein Steuerfiskus den gesetz¬
lichen Obolus spende». Wir fürchte», daß diese Drnckpnmpen mich bei gleich-


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[0451] Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes »mßigung hat denn auch in sehr beträchtlichem Umfange stattgefunden. In den mit Ortsabgaben belasteten Dorfgemeinden werden z. B. die gewöhnlichen Arbeiter, da man ihnen leicht das niedrigste Einkommen zur Klassensteuer, jährlich 420 Mark, nachrechne» kann, auch wirklich zur erstell Stufe der Klassensteuer herangezogen. In den mit Ortsabgaben nicht belasteten Ge¬ meinden und in den Gutsbezirken, wo sie in der Regel noch besser als in den Dörfern gestellt sind, blieben und bleiben die Arbeiter derselben Klasse von der Klassensteuer befreit, weil die bäuerlichen und die Großgrundbesitzer, in deren Lohn die Arbeiter stehen, diese schonen und von der Staatssteuer befreien Wollen, was sie einfach dadurch erreichen, daß sie die als Lohn ihren Arbeitern gegebenen Naturalien gering bewerten. Gleiche Mißverhältnisse gehen nun aber durch alle Stenerstufen und durch alle Stäude. Eine Gemeinde wird höher als die andre, ein Kreis und ein Regierungsbezirk höher als andre Kreise und Bezirke veraulngt, und trotz niler Bemühungen der obern Behörden muß die Richtigkeit der Einschätzung und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchaus bezweifelt werden. Dieser bedauerliche Zustand wird in der Haupt¬ sache durch die obenerwähnten milden Veraulaguugsvorschrifte» und durch die Maiigelhaftigkeit der untern Verwaltuugsvrgaue verschuldet und soll gegen- wärtig durch deu neuen Gesetzentwurf beseitigt werden. Zu diesem Zwecke wird den Einschätzungskommissionen nicht nur das tiefere Eindringen in die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen nicht verboten, sondern es wird ihnen nach K 38 des Entwurfes auch die Befugnis erteilt, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, anch von jedem Steuerpflichtigen eine Steuererklärung mit der Maßgabe zu erfordern, daß jede unrichtige An¬ gabe mit den im i> s,8 des Entwurfs bestimmten harte» Strafen geahndet wird. Alle mit über 3000 Mark jährliche» Einkommens bisher veranlagte» Steuerpflichtige» haben diese Steuererklärung vorweg abzugeben. Diese Dekla- rationspslicht soll — so hofft der Entwurf — die Richtigkeit der Veranlagung verbürgen. Die Formulare zu deu Steuererklärungen werden — diese Befugnis hat große Bedeutung — von dem Finanzminister 24 des Entwurfes) ent¬ worfen und kostenfrei erteilt, die Formulare sondern vorweg die im 7 des Gesetzes aufgestellten vier Einkoiumensquelten, nämlich 1. Einkommen aus Kapitalvermögen, 2. Einkommen aus Gruudvcrmögcu, 3. Einkommen aus Handel und Gewerbe, 4. Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung, und wie 8 26 des Entwurfs ausdrücklich besagt, soll jeder Steuerpflichtige den Betrag seines Einkommens getrennt nach diesen vier Einkommensquellen anzu¬ geben verpflichtet sein. Wir sind wohl berechtigt, die Deklarationspflicht und die daran geknüpften Strafandrohungen mit Druckpumpeu zu vergleiche», geschraubt auf diese Ein- kommensgnellen, damit sie zu Tage fließen und dein Steuerfiskus den gesetz¬ lichen Obolus spende». Wir fürchte», daß diese Drnckpnmpen mich bei gleich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/451>, abgerufen am 23.07.2024.