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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Jesuitenpetitionen

unglaubliche Dinge, die kein erfreuliches Zeugnis für die Gute der Preßfreiheit
ablegen; "wir lieben dieses euer deutsches Reich nicht; wir haben nie etwas
davon wissen wollen; für uns existirt es nur als eine vorübergehende Gewitter¬
wolke am Himmel." Ein päpstliches Breve vom 6. Juli 1871 erteilte dem
Blatte ein Lob. Mit solchen Hetzartikeln und mit der dazu kommenden geist¬
lichen Bearbeitung gelang es nun, selbst den Streit in die Familien der¬
jenigen Katholiken zu tragen, die noch vor kurzem mit ihren protestantischen
Brüdern zusammen Mann an Manu des Reiches Herrlichkeit errungen hatten.
Besonders bei den Wahlen wurde der Haß und die Erbitterung bis zur Glüh¬
hitze gesteigert. An solche Erbitterung und die damit entstehende Entfremdung
der Gemüter von dem eignen Volke und von der eignen Negierung knüpften
die Jesuiten ungemessene Hoffnungen in und außer Deutschland. Die Oivüw
oiitto1ioÄ, das Jesnitenblatt, das dem Papste täglich vorgelesen wurde und
seine Meinung selber ausdrücken sollte, schrieb, nachdem alle Machinationen,
Deutschland gegen Italien zu gewinnen, vergeblich gewesen waren, am 3. August
1872: ,,Die Sache des revolutionären Italiens, mit der Preußen ^warum
uicht Deutschlands die seinige verbunden hat, bedeutet offenbar Krieg gegen
Gott und seine Kirche. So wird Preußen also, wenn einmal der Krieg mit
Frankreich losgeht, alle aufrichtigen Katholiken gegen sich haben, die eignen
Unterthanen nicht ausgenommen, die wissen, daß mau Gott über alles lieben
muß... . Das Wort des Papstes wird nicht auf die Erde fallen, daß der Stein
vom Berge rollen und dem Koloß die Füße zerschmettern wird." Ein radikaler
Franzose und atheistischer Deputirter sagte aber damals zu dem Korrespondenten
der Nationalzeituug in Paris: "Wir ^Franzosen j sind noch uicht fertig, aber der
Papst und die Jesuiten werdeu euer Gebäude uuterminiren, und wenn wir dann
bereit sein werden, wird es nur eiues Ruckes bedürfen, um das Werk zu voll¬
enden." Das sind so einige Thatsachen, an die zu erinnern jetzt bei dem Rufe:
Wir wollen sie wieder haben! gut sein wird. Sie mögen genügen. Die klerikal-
jesuitischen Wühlereien im preußischen Polen und im ganzen Nordosten in
Deutschland geradeso wie im Nordwesten, die Führung des Erzbischofs Ledo-
chowski als Primas von Polen im Verzeichnis der regierenden Fürsten Europas,
wie sie der Thoruer katholische Kalender von 1872 brachte, die förmlich mili¬
tärische Organisirung und Disziplinirnng der kirchlichen Vereine, die alle
unter der Leitung von Geistlichen stehen, die blinde Werkzeuge der Jesuiten
sind, das Aufbringen so massenhafter Gelder wie der Peterspfennig, die schon
vor Säkularisirung des Pntrimoniums Petri auf zehn Millionen Lire jährlich
berechnet wurden, die Kirchenkollekten für den in der Gefangenschaft "darbenden
und hungernden Vater," das Aufstacheln der Bauern und Bergleute, das
z. B. in Königshütte bis zur Empörung ging und das eine von Polen aus
genährte ultramontane, nicht eine sozialdemokratische Agitation war -- alle
diese Dinge und viele andre haben wir hier nicht erwähnt. Aber was wir


Grenzboten IV 1U90 Si
Die Jesuitenpetitionen

unglaubliche Dinge, die kein erfreuliches Zeugnis für die Gute der Preßfreiheit
ablegen; „wir lieben dieses euer deutsches Reich nicht; wir haben nie etwas
davon wissen wollen; für uns existirt es nur als eine vorübergehende Gewitter¬
wolke am Himmel." Ein päpstliches Breve vom 6. Juli 1871 erteilte dem
Blatte ein Lob. Mit solchen Hetzartikeln und mit der dazu kommenden geist¬
lichen Bearbeitung gelang es nun, selbst den Streit in die Familien der¬
jenigen Katholiken zu tragen, die noch vor kurzem mit ihren protestantischen
Brüdern zusammen Mann an Manu des Reiches Herrlichkeit errungen hatten.
Besonders bei den Wahlen wurde der Haß und die Erbitterung bis zur Glüh¬
hitze gesteigert. An solche Erbitterung und die damit entstehende Entfremdung
der Gemüter von dem eignen Volke und von der eignen Negierung knüpften
die Jesuiten ungemessene Hoffnungen in und außer Deutschland. Die Oivüw
oiitto1ioÄ, das Jesnitenblatt, das dem Papste täglich vorgelesen wurde und
seine Meinung selber ausdrücken sollte, schrieb, nachdem alle Machinationen,
Deutschland gegen Italien zu gewinnen, vergeblich gewesen waren, am 3. August
1872: ,,Die Sache des revolutionären Italiens, mit der Preußen ^warum
uicht Deutschlands die seinige verbunden hat, bedeutet offenbar Krieg gegen
Gott und seine Kirche. So wird Preußen also, wenn einmal der Krieg mit
Frankreich losgeht, alle aufrichtigen Katholiken gegen sich haben, die eignen
Unterthanen nicht ausgenommen, die wissen, daß mau Gott über alles lieben
muß... . Das Wort des Papstes wird nicht auf die Erde fallen, daß der Stein
vom Berge rollen und dem Koloß die Füße zerschmettern wird." Ein radikaler
Franzose und atheistischer Deputirter sagte aber damals zu dem Korrespondenten
der Nationalzeituug in Paris: „Wir ^Franzosen j sind noch uicht fertig, aber der
Papst und die Jesuiten werdeu euer Gebäude uuterminiren, und wenn wir dann
bereit sein werden, wird es nur eiues Ruckes bedürfen, um das Werk zu voll¬
enden." Das sind so einige Thatsachen, an die zu erinnern jetzt bei dem Rufe:
Wir wollen sie wieder haben! gut sein wird. Sie mögen genügen. Die klerikal-
jesuitischen Wühlereien im preußischen Polen und im ganzen Nordosten in
Deutschland geradeso wie im Nordwesten, die Führung des Erzbischofs Ledo-
chowski als Primas von Polen im Verzeichnis der regierenden Fürsten Europas,
wie sie der Thoruer katholische Kalender von 1872 brachte, die förmlich mili¬
tärische Organisirung und Disziplinirnng der kirchlichen Vereine, die alle
unter der Leitung von Geistlichen stehen, die blinde Werkzeuge der Jesuiten
sind, das Aufbringen so massenhafter Gelder wie der Peterspfennig, die schon
vor Säkularisirung des Pntrimoniums Petri auf zehn Millionen Lire jährlich
berechnet wurden, die Kirchenkollekten für den in der Gefangenschaft „darbenden
und hungernden Vater," das Aufstacheln der Bauern und Bergleute, das
z. B. in Königshütte bis zur Empörung ging und das eine von Polen aus
genährte ultramontane, nicht eine sozialdemokratische Agitation war — alle
diese Dinge und viele andre haben wir hier nicht erwähnt. Aber was wir


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[0409] Die Jesuitenpetitionen unglaubliche Dinge, die kein erfreuliches Zeugnis für die Gute der Preßfreiheit ablegen; „wir lieben dieses euer deutsches Reich nicht; wir haben nie etwas davon wissen wollen; für uns existirt es nur als eine vorübergehende Gewitter¬ wolke am Himmel." Ein päpstliches Breve vom 6. Juli 1871 erteilte dem Blatte ein Lob. Mit solchen Hetzartikeln und mit der dazu kommenden geist¬ lichen Bearbeitung gelang es nun, selbst den Streit in die Familien der¬ jenigen Katholiken zu tragen, die noch vor kurzem mit ihren protestantischen Brüdern zusammen Mann an Manu des Reiches Herrlichkeit errungen hatten. Besonders bei den Wahlen wurde der Haß und die Erbitterung bis zur Glüh¬ hitze gesteigert. An solche Erbitterung und die damit entstehende Entfremdung der Gemüter von dem eignen Volke und von der eignen Negierung knüpften die Jesuiten ungemessene Hoffnungen in und außer Deutschland. Die Oivüw oiitto1ioÄ, das Jesnitenblatt, das dem Papste täglich vorgelesen wurde und seine Meinung selber ausdrücken sollte, schrieb, nachdem alle Machinationen, Deutschland gegen Italien zu gewinnen, vergeblich gewesen waren, am 3. August 1872: ,,Die Sache des revolutionären Italiens, mit der Preußen ^warum uicht Deutschlands die seinige verbunden hat, bedeutet offenbar Krieg gegen Gott und seine Kirche. So wird Preußen also, wenn einmal der Krieg mit Frankreich losgeht, alle aufrichtigen Katholiken gegen sich haben, die eignen Unterthanen nicht ausgenommen, die wissen, daß mau Gott über alles lieben muß... . Das Wort des Papstes wird nicht auf die Erde fallen, daß der Stein vom Berge rollen und dem Koloß die Füße zerschmettern wird." Ein radikaler Franzose und atheistischer Deputirter sagte aber damals zu dem Korrespondenten der Nationalzeituug in Paris: „Wir ^Franzosen j sind noch uicht fertig, aber der Papst und die Jesuiten werdeu euer Gebäude uuterminiren, und wenn wir dann bereit sein werden, wird es nur eiues Ruckes bedürfen, um das Werk zu voll¬ enden." Das sind so einige Thatsachen, an die zu erinnern jetzt bei dem Rufe: Wir wollen sie wieder haben! gut sein wird. Sie mögen genügen. Die klerikal- jesuitischen Wühlereien im preußischen Polen und im ganzen Nordosten in Deutschland geradeso wie im Nordwesten, die Führung des Erzbischofs Ledo- chowski als Primas von Polen im Verzeichnis der regierenden Fürsten Europas, wie sie der Thoruer katholische Kalender von 1872 brachte, die förmlich mili¬ tärische Organisirung und Disziplinirnng der kirchlichen Vereine, die alle unter der Leitung von Geistlichen stehen, die blinde Werkzeuge der Jesuiten sind, das Aufbringen so massenhafter Gelder wie der Peterspfennig, die schon vor Säkularisirung des Pntrimoniums Petri auf zehn Millionen Lire jährlich berechnet wurden, die Kirchenkollekten für den in der Gefangenschaft „darbenden und hungernden Vater," das Aufstacheln der Bauern und Bergleute, das z. B. in Königshütte bis zur Empörung ging und das eine von Polen aus genährte ultramontane, nicht eine sozialdemokratische Agitation war — alle diese Dinge und viele andre haben wir hier nicht erwähnt. Aber was wir Grenzboten IV 1U90 Si

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/409>, abgerufen am 25.08.2024.