Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Die Iesuitenpetitione" "Wenn die Staaten aufhören, die Kirche offen anzuerkennen, so wird die Kirche Die Iesuitenpetitione» „Wenn die Staaten aufhören, die Kirche offen anzuerkennen, so wird die Kirche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208985"/> <fw type="header" place="top"> Die Iesuitenpetitione»</fw><lb/> <p xml:id="ID_1181" prev="#ID_1180" next="#ID_1182"> „Wenn die Staaten aufhören, die Kirche offen anzuerkennen, so wird die Kirche<lb/> bald genötigt sein, den Staaten ihre Anerkennung zu versagen; die Welt wird<lb/> dann einem Schauspiele greulicher Verwüstung beiwohnen, und die Regierungen<lb/> durften sich täuschen, wenn sie glauben, daß die Massen hinter ihnen stehen<lb/> werden" -~ man sieht, daß diese Kriegslust schon viel früher, längst ehe der<lb/> Kulturkampf begann, das Lebenselement der jesuitischen Kreise war, Es war<lb/> lange alles da, ehe es im Kulturkampf offen hervorbrach, die Operationsbasis,<lb/> die Streitkräfte, der Feldzugsplan und die Mobilmachung. Man war nur<lb/> im Zweifel über die rechte Zeit, wo man losschlagen wollte. Diese Zeit<lb/> hatten die Jesuiten schon einmal gekommen geglaubt, als sie des Papstes<lb/> Meister geworden waren und ihm deu Shllnbus diktirt hatten, nud als sie<lb/> dann das Konzil eingeleitet hatten und das Dogma von der Unfehlbarkeit<lb/> durchsetzten, von dem noch 1869 Windthorst gesagt hat, er könne sich eher den<lb/> Kopf abschlagen lassen, als glauben, daß der Papst unfehlbar sei; sie hatten<lb/> sie gekommen geglaubt, nachdem sie den Kaiser Napoleon durch die Kaiserin,<lb/> ihre Iiomuz et saiuw tonus, in ihre Hand bekommen hatten. Damals wurden<lb/> nun freilich die Hoffnungen der Jesuiten grausam getäuscht, noch grausamer<lb/> als 186«), wo nach dem Siege von Königgrätz Antonelli den Einsturz der<lb/> Welt sah. Indessen, was schadete ihnen das Unglück, und was kümmerte es<lb/> sie? Schließlich waren doch nur andre überall die Betrogenen, nicht sie. Sie<lb/> waren nicht mit zu Gründe gegangen, als die Stuarts, die sich in ihren<lb/> Dienst gestellt hatten, gesunken waren, nicht, als den Bourbons der Toten¬<lb/> kranz geflochten wurde, nicht als Spanien und Neapel ins Elend kamen, die<lb/> jesuiteufrenndlichen Kantone der Schweiz niedergeworfen wurden, die Fürsten<lb/> von Modena und Toskana in die Verbannung gingen, Österreich 1859 und 1866,<lb/> nachdem jedesmal ein jesuitensreundliches Ministerium vorangegangen war,<lb/> durch die schwersten Niederlagen erschöpft, Eugenie nur noch vou deu Toten¬<lb/> gräbern des Kaiserreichs umgeben war, die Jesuiten standen immer wieder<lb/> auf und gingen an ihre alte Minirarbeit. So kam es auch jetzt, und was<lb/> im Jubilättmsbuch aus dem ersten Jahrhundert des Ordens zu lesen ist: „So<lb/> lange der Atem des Lebens in uns wohnt, werden wir gegen die ketzerische»<lb/> Wölfe kämpfen; der Same des Hasses ist uns eingeboren," das zeigte sich<lb/> jetzt uur in verstärktem Maße, als ihre Hoffnung, Frankreich, im Staube lag,<lb/> das Schwert seines Cäsar zerbrochen war, und der Papst selbst Rom verloren<lb/> hatte. Wie das Unglück des Papstes ihnen dazu dienen mußte, um, zumal<lb/> bei deu gutmütigen deutschen Katholiken, Mitleid mit ihm, dem „auf faulem<lb/> Stroh gebetteten, armen Gefangenen," zu erwecken und die Meinung zu ver¬<lb/> breiten, die Religion sei in Gefahr, so wurde jetzt das Unglück Frankreichs<lb/> benutzt, um „die älteste Tochter der Kirche" ihrer Mutter in die weitgeöffneten<lb/> Arme zurückzuführen. Und die Sache mißglückte keineswegs. Selbst atheistische<lb/> und radikale Deputirte der französischen Kammern sahen in der Vereinigung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Die Iesuitenpetitione»
„Wenn die Staaten aufhören, die Kirche offen anzuerkennen, so wird die Kirche
bald genötigt sein, den Staaten ihre Anerkennung zu versagen; die Welt wird
dann einem Schauspiele greulicher Verwüstung beiwohnen, und die Regierungen
durften sich täuschen, wenn sie glauben, daß die Massen hinter ihnen stehen
werden" -~ man sieht, daß diese Kriegslust schon viel früher, längst ehe der
Kulturkampf begann, das Lebenselement der jesuitischen Kreise war, Es war
lange alles da, ehe es im Kulturkampf offen hervorbrach, die Operationsbasis,
die Streitkräfte, der Feldzugsplan und die Mobilmachung. Man war nur
im Zweifel über die rechte Zeit, wo man losschlagen wollte. Diese Zeit
hatten die Jesuiten schon einmal gekommen geglaubt, als sie des Papstes
Meister geworden waren und ihm deu Shllnbus diktirt hatten, nud als sie
dann das Konzil eingeleitet hatten und das Dogma von der Unfehlbarkeit
durchsetzten, von dem noch 1869 Windthorst gesagt hat, er könne sich eher den
Kopf abschlagen lassen, als glauben, daß der Papst unfehlbar sei; sie hatten
sie gekommen geglaubt, nachdem sie den Kaiser Napoleon durch die Kaiserin,
ihre Iiomuz et saiuw tonus, in ihre Hand bekommen hatten. Damals wurden
nun freilich die Hoffnungen der Jesuiten grausam getäuscht, noch grausamer
als 186«), wo nach dem Siege von Königgrätz Antonelli den Einsturz der
Welt sah. Indessen, was schadete ihnen das Unglück, und was kümmerte es
sie? Schließlich waren doch nur andre überall die Betrogenen, nicht sie. Sie
waren nicht mit zu Gründe gegangen, als die Stuarts, die sich in ihren
Dienst gestellt hatten, gesunken waren, nicht, als den Bourbons der Toten¬
kranz geflochten wurde, nicht als Spanien und Neapel ins Elend kamen, die
jesuiteufrenndlichen Kantone der Schweiz niedergeworfen wurden, die Fürsten
von Modena und Toskana in die Verbannung gingen, Österreich 1859 und 1866,
nachdem jedesmal ein jesuitensreundliches Ministerium vorangegangen war,
durch die schwersten Niederlagen erschöpft, Eugenie nur noch vou deu Toten¬
gräbern des Kaiserreichs umgeben war, die Jesuiten standen immer wieder
auf und gingen an ihre alte Minirarbeit. So kam es auch jetzt, und was
im Jubilättmsbuch aus dem ersten Jahrhundert des Ordens zu lesen ist: „So
lange der Atem des Lebens in uns wohnt, werden wir gegen die ketzerische»
Wölfe kämpfen; der Same des Hasses ist uns eingeboren," das zeigte sich
jetzt uur in verstärktem Maße, als ihre Hoffnung, Frankreich, im Staube lag,
das Schwert seines Cäsar zerbrochen war, und der Papst selbst Rom verloren
hatte. Wie das Unglück des Papstes ihnen dazu dienen mußte, um, zumal
bei deu gutmütigen deutschen Katholiken, Mitleid mit ihm, dem „auf faulem
Stroh gebetteten, armen Gefangenen," zu erwecken und die Meinung zu ver¬
breiten, die Religion sei in Gefahr, so wurde jetzt das Unglück Frankreichs
benutzt, um „die älteste Tochter der Kirche" ihrer Mutter in die weitgeöffneten
Arme zurückzuführen. Und die Sache mißglückte keineswegs. Selbst atheistische
und radikale Deputirte der französischen Kammern sahen in der Vereinigung
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