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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Ile Iesuitenpetitioneii

Eben weil die Jesuiten durch ihre ganze Geschichte bewiesen haben, daß, wo
sie einziehen, auch diese Dogmen mit ihnen einziehen, in deren Gefolge Zwang
und Gewalt sind, eben darum haben sich schon in vorigen Zeiten nicht bloß
die protestantischen Völker, sondern auch die katholischen immer wieder gegen
die Jesuiten gesetzt. Als in deu sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in Portugal, Frankreich, Spanien, in Neapel, Parma n> s. w. die Verbannung
der Jesuiten ausgesprochen und vollzogen wurde, als der Orden selbst von
Papst Clemens XIV. im Jahre 1773 aufgehoben wurde, da ging durch alle
diese katholischen Lande ein Gefühl, als ob sie, von den Grundsätzen der
jesuitischen Moral befreit, selber von einem angstvollen Druck erlöst wären.
Auch Maria Theresia spürte etwas von diesem Gefühl; auch sie vollzog die
Aufhebung des Ordens, nachdem ihr Abschriften ihrer Beichtgeheimnisse von
Rom aus zugesandt worden waren. Zumal seitdem Clemens selbst, der sich
nie verhehlt hatte, daß er mit der Bulle Dominus ac Reclsnrtor noster sein
Todesurteil geschrieben habe, kurze Zeit nach diesem Aufhebungsdekret, allem
Anschein nach vergiftet, gestorben war, überkam einen großen Teil selbst der
katholischen Welt ein Ekel vor jenem Kadavergeruch, den der Jesuitenorden
überall, wo er hinkommt, ans seiner Natur heraus verbreitet; denn nicht um¬
sonst steht in deu Statuten der Gesellschaft geschrieben, daß sich die Angehörige"
der Gesellschaft von ihren Vorgesetzten leiten lassen sollen, gleich als ob sie
ein Leichnam wären, xerinäo ac oaclaver essent. Was für ein Unheil von
diesem Kadavergehorsam über die Völker kommt, das hat Deutschland-Österreich
genug gespürt, seitdem Ferdinand I. sich 1551 die ersten dreizehn Jesuiten
nach Wien verschrieb; es war der Anfang zum dreißigjährigen Kriege. Die
Niederlande haben es gespürt, als uuter jesuitischein Einfluß Alba dort wütete;
Frankreich, als der Berufung der Jesuiten im Jahre 1564 die Bartholomäus¬
nacht von 1572 folgte. Aber abgesehen vou dem Jammer und dem Elend, das
überall da aufsproß, wo sie den Fuß hinsetzten, es war das Gift der jesuitischen
Moral, das überall eine Erregung der Gewissen hervorrief, die die Menschen
in stete Unruhe versetzte, jener Moral der rostriotions mentales, die Blase
Pascal in seinen I^ete-res xrovinoiales aufdeckte, und von der er nachwies, daß
dem Jesuiten Dinge möglich waren, wie sie die Christenheit bis dahin für un¬
möglich gehalten hatte. 0n xsut Mrer, lehrte nach dem neunten Briefe der
Jesuit Sanchez, <in'on n'a xas kalt uno olloss cmoy olu'on (mwiau'an) l'"'^
kalte sKsotivemovt, en ontenäant en so^-mvsnre (mens), rin'on ve 1'a xa"
dans un eortain hour, on avant zur'on tust, (M) no.

Diese Umkehrung der sittlichen Grundsätze liegt aber ganz ebenso in der
jesuitischen Lehre vou der Erhabenheit der katholischen Kirche und ihrer Dogmen
über alle irdischen Ordnungen und alle Wissenschaft, wie ihr politisches System
in der Lehre von der Erhabenheit des Papstes über Kaiser, Könige und Fürsten
begründet ist. Wenn der Papst die Sonne ist, Kaiser, Könige und Fürsten


Ile Iesuitenpetitioneii

Eben weil die Jesuiten durch ihre ganze Geschichte bewiesen haben, daß, wo
sie einziehen, auch diese Dogmen mit ihnen einziehen, in deren Gefolge Zwang
und Gewalt sind, eben darum haben sich schon in vorigen Zeiten nicht bloß
die protestantischen Völker, sondern auch die katholischen immer wieder gegen
die Jesuiten gesetzt. Als in deu sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in Portugal, Frankreich, Spanien, in Neapel, Parma n> s. w. die Verbannung
der Jesuiten ausgesprochen und vollzogen wurde, als der Orden selbst von
Papst Clemens XIV. im Jahre 1773 aufgehoben wurde, da ging durch alle
diese katholischen Lande ein Gefühl, als ob sie, von den Grundsätzen der
jesuitischen Moral befreit, selber von einem angstvollen Druck erlöst wären.
Auch Maria Theresia spürte etwas von diesem Gefühl; auch sie vollzog die
Aufhebung des Ordens, nachdem ihr Abschriften ihrer Beichtgeheimnisse von
Rom aus zugesandt worden waren. Zumal seitdem Clemens selbst, der sich
nie verhehlt hatte, daß er mit der Bulle Dominus ac Reclsnrtor noster sein
Todesurteil geschrieben habe, kurze Zeit nach diesem Aufhebungsdekret, allem
Anschein nach vergiftet, gestorben war, überkam einen großen Teil selbst der
katholischen Welt ein Ekel vor jenem Kadavergeruch, den der Jesuitenorden
überall, wo er hinkommt, ans seiner Natur heraus verbreitet; denn nicht um¬
sonst steht in deu Statuten der Gesellschaft geschrieben, daß sich die Angehörige»
der Gesellschaft von ihren Vorgesetzten leiten lassen sollen, gleich als ob sie
ein Leichnam wären, xerinäo ac oaclaver essent. Was für ein Unheil von
diesem Kadavergehorsam über die Völker kommt, das hat Deutschland-Österreich
genug gespürt, seitdem Ferdinand I. sich 1551 die ersten dreizehn Jesuiten
nach Wien verschrieb; es war der Anfang zum dreißigjährigen Kriege. Die
Niederlande haben es gespürt, als uuter jesuitischein Einfluß Alba dort wütete;
Frankreich, als der Berufung der Jesuiten im Jahre 1564 die Bartholomäus¬
nacht von 1572 folgte. Aber abgesehen vou dem Jammer und dem Elend, das
überall da aufsproß, wo sie den Fuß hinsetzten, es war das Gift der jesuitischen
Moral, das überall eine Erregung der Gewissen hervorrief, die die Menschen
in stete Unruhe versetzte, jener Moral der rostriotions mentales, die Blase
Pascal in seinen I^ete-res xrovinoiales aufdeckte, und von der er nachwies, daß
dem Jesuiten Dinge möglich waren, wie sie die Christenheit bis dahin für un¬
möglich gehalten hatte. 0n xsut Mrer, lehrte nach dem neunten Briefe der
Jesuit Sanchez, <in'on n'a xas kalt uno olloss cmoy olu'on (mwiau'an) l'"'^
kalte sKsotivemovt, en ontenäant en so^-mvsnre (mens), rin'on ve 1'a xa«
dans un eortain hour, on avant zur'on tust, (M) no.

Diese Umkehrung der sittlichen Grundsätze liegt aber ganz ebenso in der
jesuitischen Lehre vou der Erhabenheit der katholischen Kirche und ihrer Dogmen
über alle irdischen Ordnungen und alle Wissenschaft, wie ihr politisches System
in der Lehre von der Erhabenheit des Papstes über Kaiser, Könige und Fürsten
begründet ist. Wenn der Papst die Sonne ist, Kaiser, Könige und Fürsten


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[0402] Ile Iesuitenpetitioneii Eben weil die Jesuiten durch ihre ganze Geschichte bewiesen haben, daß, wo sie einziehen, auch diese Dogmen mit ihnen einziehen, in deren Gefolge Zwang und Gewalt sind, eben darum haben sich schon in vorigen Zeiten nicht bloß die protestantischen Völker, sondern auch die katholischen immer wieder gegen die Jesuiten gesetzt. Als in deu sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Portugal, Frankreich, Spanien, in Neapel, Parma n> s. w. die Verbannung der Jesuiten ausgesprochen und vollzogen wurde, als der Orden selbst von Papst Clemens XIV. im Jahre 1773 aufgehoben wurde, da ging durch alle diese katholischen Lande ein Gefühl, als ob sie, von den Grundsätzen der jesuitischen Moral befreit, selber von einem angstvollen Druck erlöst wären. Auch Maria Theresia spürte etwas von diesem Gefühl; auch sie vollzog die Aufhebung des Ordens, nachdem ihr Abschriften ihrer Beichtgeheimnisse von Rom aus zugesandt worden waren. Zumal seitdem Clemens selbst, der sich nie verhehlt hatte, daß er mit der Bulle Dominus ac Reclsnrtor noster sein Todesurteil geschrieben habe, kurze Zeit nach diesem Aufhebungsdekret, allem Anschein nach vergiftet, gestorben war, überkam einen großen Teil selbst der katholischen Welt ein Ekel vor jenem Kadavergeruch, den der Jesuitenorden überall, wo er hinkommt, ans seiner Natur heraus verbreitet; denn nicht um¬ sonst steht in deu Statuten der Gesellschaft geschrieben, daß sich die Angehörige» der Gesellschaft von ihren Vorgesetzten leiten lassen sollen, gleich als ob sie ein Leichnam wären, xerinäo ac oaclaver essent. Was für ein Unheil von diesem Kadavergehorsam über die Völker kommt, das hat Deutschland-Österreich genug gespürt, seitdem Ferdinand I. sich 1551 die ersten dreizehn Jesuiten nach Wien verschrieb; es war der Anfang zum dreißigjährigen Kriege. Die Niederlande haben es gespürt, als uuter jesuitischein Einfluß Alba dort wütete; Frankreich, als der Berufung der Jesuiten im Jahre 1564 die Bartholomäus¬ nacht von 1572 folgte. Aber abgesehen vou dem Jammer und dem Elend, das überall da aufsproß, wo sie den Fuß hinsetzten, es war das Gift der jesuitischen Moral, das überall eine Erregung der Gewissen hervorrief, die die Menschen in stete Unruhe versetzte, jener Moral der rostriotions mentales, die Blase Pascal in seinen I^ete-res xrovinoiales aufdeckte, und von der er nachwies, daß dem Jesuiten Dinge möglich waren, wie sie die Christenheit bis dahin für un¬ möglich gehalten hatte. 0n xsut Mrer, lehrte nach dem neunten Briefe der Jesuit Sanchez, <in'on n'a xas kalt uno olloss cmoy olu'on (mwiau'an) l'"'^ kalte sKsotivemovt, en ontenäant en so^-mvsnre (mens), rin'on ve 1'a xa« dans un eortain hour, on avant zur'on tust, (M) no. Diese Umkehrung der sittlichen Grundsätze liegt aber ganz ebenso in der jesuitischen Lehre vou der Erhabenheit der katholischen Kirche und ihrer Dogmen über alle irdischen Ordnungen und alle Wissenschaft, wie ihr politisches System in der Lehre von der Erhabenheit des Papstes über Kaiser, Könige und Fürsten begründet ist. Wenn der Papst die Sonne ist, Kaiser, Könige und Fürsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/402>, abgerufen am 25.08.2024.