Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen zarte Weiblichkeit geworfen. Magister Kauderer -- du wunderst dich, daß Hier untersuchte er seinen Puls. Da er ihn zu bewegt fand, machte er Nun trug es sich zu, daß Galava, als er hinlänglich unterrichtet war, Grenzboten IV 1890 4!"
Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen zarte Weiblichkeit geworfen. Magister Kauderer — du wunderst dich, daß Hier untersuchte er seinen Puls. Da er ihn zu bewegt fand, machte er Nun trug es sich zu, daß Galava, als er hinlänglich unterrichtet war, Grenzboten IV 1890 4!»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208972"/> <fw type="header" place="top"> Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1144" prev="#ID_1143"> zarte Weiblichkeit geworfen. Magister Kauderer — du wunderst dich, daß<lb/> ich bei diesen Nebenpersonen meiner Geschichte mit Vorliebe weile und über<lb/> die Hauptpersonen und Hanptumstände desto schneller hinweggleite. Dir wirds<lb/> begreiflich werden, wenn ich dir sage, daß ich alle Aufregung sorgfältig ver¬<lb/> meiden muß; weshalb ich, wie du siehst, meinen Puls beständig unter den<lb/> Prüfenden Fingern habe. So laß mich denn nur noch andeuten, wie Madame<lb/> Flötenspiel mich mit gleichsam taxirendem Blick überschaute; wie Magister<lb/> Kauderer, Madame Müller und ihre Töchter uns verließen und ich mich stellte,<lb/> als käme ich eben zur Besinnung; wie ich heimkehren wollte; wie Madame<lb/> Flötenspiel die Angeln ihrer Blicke in meine Augen einzusenken begann, indem<lb/> sie mich versicherte, ich sähe einem Freunde ähnlich, der ihr Herz durch Untreue<lb/> gebrochen hätte, und mich mit Sirenentönen fragte, ob auch ich solcher That<lb/> fähig wäre; wie sie in der Wärme der Unterhaltung sich neben mich aufs<lb/> Sofa setzte, mir schalkhaft in die Augen sah, ob ich, wie sie sagte, sie ehrlich<lb/> umsehn könnte; wie sie den einen Arm um meinen Hals legte, damit ich nicht<lb/> dnrch Wendung meines Gesichts aus dem Examen liefe; wie sie dazwischen<lb/> possirliche Streiche trieb, und das alles ihr so natürlich und anmutig stand,<lb/> daß mir heißer und immer heißer zu Mute ward, und ich fühlte, daß meine<lb/> Besinnung zum zweitenmal im Schmelzen begriffen sei, als, ein rettender Engel,<lb/> Herr Flötenspiel eintrat; wie ich, um es möglichst kurz zu machen, endlich für<lb/> die Aufnahme dankend mich empfahl und, nur auf das Versprechen baldigen<lb/> Besuches entlassen, den herbeigerufnen Finker bestieg. Der Schrecken, die Angst<lb/> um die geliebte Gestalt hatten ein Unwohlsein zur Folge. Vierzehn Tage<lb/> mußt ich das Bett hüten. Madame Flötenspiel zeigte ihre Teilnahme durch<lb/> öftere Nachfragen nach meinem Befinden, über alle Schmerzen aber und selbst<lb/> über die Langeweile erhob mich das Bewußtsein des Dienstes, den ich jenem<lb/> Wesen geleistet hatte, das ich mehr liebte als mich; und nur die Sorge, wie<lb/> auf sie der Schreck jener Stunde gewirkt haben möchte, konnte der Freudigkeit<lb/> zuweilen Abbruch thun, von der ich mein ganzes Innere erhellt und erwärmt<lb/> fühlte. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Hier untersuchte er seinen Puls. Da er ihn zu bewegt fand, machte er<lb/> abermals eine Pause. Ich aber nahm das zweite Blatt der indischen Geschichte<lb/> und las:</p><lb/> <p xml:id="ID_1146" next="#ID_1147"> Nun trug es sich zu, daß Galava, als er hinlänglich unterrichtet war,<lb/> seinen Lehrer, den weisen Jamadagni anging, ihm zu sagen, durch welches<lb/> Geschenk er seine Dankbarkeit gegen ihn an den Tag legen könnte. Jamadagni<lb/> entgegnete ihm, er verlange nichts. Galava wiederholte seine Bitte, Jamadagni<lb/> seine Antwort. Da ging Jamadagni hinweg, weil er nicht mehr antworten<lb/> mochte, aber Galava folgte ihm und ließ nicht ab zu bitten. Und Jamadagni<lb/> verließ seine Einsiedelei und seine Säule und floh vor ihm von einem Ende<lb/> der Welt zum andern, aber Galava verfolgte ihn unermüdlich mit seinen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1890 4!»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen
zarte Weiblichkeit geworfen. Magister Kauderer — du wunderst dich, daß
ich bei diesen Nebenpersonen meiner Geschichte mit Vorliebe weile und über
die Hauptpersonen und Hanptumstände desto schneller hinweggleite. Dir wirds
begreiflich werden, wenn ich dir sage, daß ich alle Aufregung sorgfältig ver¬
meiden muß; weshalb ich, wie du siehst, meinen Puls beständig unter den
Prüfenden Fingern habe. So laß mich denn nur noch andeuten, wie Madame
Flötenspiel mich mit gleichsam taxirendem Blick überschaute; wie Magister
Kauderer, Madame Müller und ihre Töchter uns verließen und ich mich stellte,
als käme ich eben zur Besinnung; wie ich heimkehren wollte; wie Madame
Flötenspiel die Angeln ihrer Blicke in meine Augen einzusenken begann, indem
sie mich versicherte, ich sähe einem Freunde ähnlich, der ihr Herz durch Untreue
gebrochen hätte, und mich mit Sirenentönen fragte, ob auch ich solcher That
fähig wäre; wie sie in der Wärme der Unterhaltung sich neben mich aufs
Sofa setzte, mir schalkhaft in die Augen sah, ob ich, wie sie sagte, sie ehrlich
umsehn könnte; wie sie den einen Arm um meinen Hals legte, damit ich nicht
dnrch Wendung meines Gesichts aus dem Examen liefe; wie sie dazwischen
possirliche Streiche trieb, und das alles ihr so natürlich und anmutig stand,
daß mir heißer und immer heißer zu Mute ward, und ich fühlte, daß meine
Besinnung zum zweitenmal im Schmelzen begriffen sei, als, ein rettender Engel,
Herr Flötenspiel eintrat; wie ich, um es möglichst kurz zu machen, endlich für
die Aufnahme dankend mich empfahl und, nur auf das Versprechen baldigen
Besuches entlassen, den herbeigerufnen Finker bestieg. Der Schrecken, die Angst
um die geliebte Gestalt hatten ein Unwohlsein zur Folge. Vierzehn Tage
mußt ich das Bett hüten. Madame Flötenspiel zeigte ihre Teilnahme durch
öftere Nachfragen nach meinem Befinden, über alle Schmerzen aber und selbst
über die Langeweile erhob mich das Bewußtsein des Dienstes, den ich jenem
Wesen geleistet hatte, das ich mehr liebte als mich; und nur die Sorge, wie
auf sie der Schreck jener Stunde gewirkt haben möchte, konnte der Freudigkeit
zuweilen Abbruch thun, von der ich mein ganzes Innere erhellt und erwärmt
fühlte. —
Hier untersuchte er seinen Puls. Da er ihn zu bewegt fand, machte er
abermals eine Pause. Ich aber nahm das zweite Blatt der indischen Geschichte
und las:
Nun trug es sich zu, daß Galava, als er hinlänglich unterrichtet war,
seinen Lehrer, den weisen Jamadagni anging, ihm zu sagen, durch welches
Geschenk er seine Dankbarkeit gegen ihn an den Tag legen könnte. Jamadagni
entgegnete ihm, er verlange nichts. Galava wiederholte seine Bitte, Jamadagni
seine Antwort. Da ging Jamadagni hinweg, weil er nicht mehr antworten
mochte, aber Galava folgte ihm und ließ nicht ab zu bitten. Und Jamadagni
verließ seine Einsiedelei und seine Säule und floh vor ihm von einem Ende
der Welt zum andern, aber Galava verfolgte ihn unermüdlich mit seinen
Grenzboten IV 1890 4!»
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |