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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Friihlingsbilder

aus einem antiken Tempel schon zu Anfang des siebenten Jahrhunderts in die
christliche Kirche.Maria ni Mrrtyrss verwandelt wurde. Der überwältigende
Eindruck, der uns beim ersten wie beim letzten Nuschauen des Wunderbaues,
mit seiner Vorhalle und seiner harmonisch geschwungnen Rotunde ergreift, be¬
ruht wahrlich nicht bloß ans der stillen Majestät des Tempels und der Wirkung
seines schönen, durch das eine offne Auge deS Kuppelgewölbes hereinfallenden
Oberlichts, sondern mich in der Weihe, die seine verschiednen Bestimmungen dem
Pantheon gegeben haben. Wen es hier nicht mit Ehrfurchtsschanern anwehe, der
ist für solche Gefühle überhaupt unzugänglich. Es ist ja auch hier genug geschehen,
um das erhabne Bauwerk zu plündern, zu verstümmeln, vom siebenten bis
zum achtzehnten Jahrhundert hat man den von Agrippa ein Vierteljahrhundert
vor Christi Geburt den höchsten Göttern und den Göttern des jütischen Ge¬
schlechts errichtete" herrlichen Tempel seiner vergoldeten Vronzezicgel, der Bronze-
platten, die das Dach der Vorhalle trugen, der Bekleidung von Verde antico
beraubt; neuere Architekten wie Bernini und Paolo Pohl haben sich mit ver¬
ständnisloser Willkür in den Annalen des erhabnen Bauwerks schlimm verewigt,
dennoch steht und wirkt es noch hente so, daß es dem Schauenden und Fühlenden
als eine Offenbarung aufgeht. Zwei Jahrtausende nach seiner Errichtung fühlt
man lebendig nach, daß in Tempeln wie diesem sich das Gefühl, die Gewißheit
des Göttlichen erhalten, die Menschen beglücken mußte, auch nachdem der
schlichte Glaube an die alten Götter zerbrochen war. Die innere Gewalt, die
in der unsagbaren Einfachheit, der Harmonie der Gliederung liegt, muß erlebt,
kann nicht geschildert werden; wer das Pantheon nie betreten hat, kann in dem
Ausdruck des reinsten und nachhaltigsten Entzückens nnr garstige Gemeinplätze
finden.

Vom Pantheon, das nach seiner Umwandlung in eine christliche Kirche
die heitere Würde und lebensvolle Schönheit, die in seiner Konstruktion allein
liegt, bewahrte, überdies aber noch jahrhundertelang den größern Teil der
alten Pracht aufwies, muß ein gutes Teil der Begeisterung für das Alter¬
tum ausgeströmt sein, die vom vierzehnten Jahrhundert an die edleren Ita¬
liener durchfloß und durchwärmte. Wenn man sich den Tempel des Agrippa
auch nur in seiner heutigen Erscheinung inmitten der Burgmauern und Bnrg-
türme, der höhlenartigen Wohnungen des mittelalterlichen Roms vorstellt, so
fühlt man auch, wie der Gegensatz dieser Hallen, dieser harmonisch schönen Runde
alle Seelen ergreifen mußte, die inmitten wüster Kämpfe und barbarischer
Verkommenheit nach einem neuen Ideal lechzten. Wohl behaupten gewisse
neuere Ästhetiker, daß auch diese vollendete Harmonie der Linien, diese einfache
Erhabenheit nur auf akademisch geschulte Geschlechter irgendwelche Wirkung zu
äußern vermöchte, und daß eine Zeit und ein Geschmack denkbar seien, wo
die gepriesenen Schönheiten des Pantheons für nüchtern häßlich gelten würden.
Ebensogut läßt sich schließlich behaupten, daß Menscheuangen und Menschen-


Grcuzbotm IV Iffgt) 43
Römische Friihlingsbilder

aus einem antiken Tempel schon zu Anfang des siebenten Jahrhunderts in die
christliche Kirche.Maria ni Mrrtyrss verwandelt wurde. Der überwältigende
Eindruck, der uns beim ersten wie beim letzten Nuschauen des Wunderbaues,
mit seiner Vorhalle und seiner harmonisch geschwungnen Rotunde ergreift, be¬
ruht wahrlich nicht bloß ans der stillen Majestät des Tempels und der Wirkung
seines schönen, durch das eine offne Auge deS Kuppelgewölbes hereinfallenden
Oberlichts, sondern mich in der Weihe, die seine verschiednen Bestimmungen dem
Pantheon gegeben haben. Wen es hier nicht mit Ehrfurchtsschanern anwehe, der
ist für solche Gefühle überhaupt unzugänglich. Es ist ja auch hier genug geschehen,
um das erhabne Bauwerk zu plündern, zu verstümmeln, vom siebenten bis
zum achtzehnten Jahrhundert hat man den von Agrippa ein Vierteljahrhundert
vor Christi Geburt den höchsten Göttern und den Göttern des jütischen Ge¬
schlechts errichtete» herrlichen Tempel seiner vergoldeten Vronzezicgel, der Bronze-
platten, die das Dach der Vorhalle trugen, der Bekleidung von Verde antico
beraubt; neuere Architekten wie Bernini und Paolo Pohl haben sich mit ver¬
ständnisloser Willkür in den Annalen des erhabnen Bauwerks schlimm verewigt,
dennoch steht und wirkt es noch hente so, daß es dem Schauenden und Fühlenden
als eine Offenbarung aufgeht. Zwei Jahrtausende nach seiner Errichtung fühlt
man lebendig nach, daß in Tempeln wie diesem sich das Gefühl, die Gewißheit
des Göttlichen erhalten, die Menschen beglücken mußte, auch nachdem der
schlichte Glaube an die alten Götter zerbrochen war. Die innere Gewalt, die
in der unsagbaren Einfachheit, der Harmonie der Gliederung liegt, muß erlebt,
kann nicht geschildert werden; wer das Pantheon nie betreten hat, kann in dem
Ausdruck des reinsten und nachhaltigsten Entzückens nnr garstige Gemeinplätze
finden.

Vom Pantheon, das nach seiner Umwandlung in eine christliche Kirche
die heitere Würde und lebensvolle Schönheit, die in seiner Konstruktion allein
liegt, bewahrte, überdies aber noch jahrhundertelang den größern Teil der
alten Pracht aufwies, muß ein gutes Teil der Begeisterung für das Alter¬
tum ausgeströmt sein, die vom vierzehnten Jahrhundert an die edleren Ita¬
liener durchfloß und durchwärmte. Wenn man sich den Tempel des Agrippa
auch nur in seiner heutigen Erscheinung inmitten der Burgmauern und Bnrg-
türme, der höhlenartigen Wohnungen des mittelalterlichen Roms vorstellt, so
fühlt man auch, wie der Gegensatz dieser Hallen, dieser harmonisch schönen Runde
alle Seelen ergreifen mußte, die inmitten wüster Kämpfe und barbarischer
Verkommenheit nach einem neuen Ideal lechzten. Wohl behaupten gewisse
neuere Ästhetiker, daß auch diese vollendete Harmonie der Linien, diese einfache
Erhabenheit nur auf akademisch geschulte Geschlechter irgendwelche Wirkung zu
äußern vermöchte, und daß eine Zeit und ein Geschmack denkbar seien, wo
die gepriesenen Schönheiten des Pantheons für nüchtern häßlich gelten würden.
Ebensogut läßt sich schließlich behaupten, daß Menscheuangen und Menschen-


Grcuzbotm IV Iffgt) 43
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[0345] Römische Friihlingsbilder aus einem antiken Tempel schon zu Anfang des siebenten Jahrhunderts in die christliche Kirche.Maria ni Mrrtyrss verwandelt wurde. Der überwältigende Eindruck, der uns beim ersten wie beim letzten Nuschauen des Wunderbaues, mit seiner Vorhalle und seiner harmonisch geschwungnen Rotunde ergreift, be¬ ruht wahrlich nicht bloß ans der stillen Majestät des Tempels und der Wirkung seines schönen, durch das eine offne Auge deS Kuppelgewölbes hereinfallenden Oberlichts, sondern mich in der Weihe, die seine verschiednen Bestimmungen dem Pantheon gegeben haben. Wen es hier nicht mit Ehrfurchtsschanern anwehe, der ist für solche Gefühle überhaupt unzugänglich. Es ist ja auch hier genug geschehen, um das erhabne Bauwerk zu plündern, zu verstümmeln, vom siebenten bis zum achtzehnten Jahrhundert hat man den von Agrippa ein Vierteljahrhundert vor Christi Geburt den höchsten Göttern und den Göttern des jütischen Ge¬ schlechts errichtete» herrlichen Tempel seiner vergoldeten Vronzezicgel, der Bronze- platten, die das Dach der Vorhalle trugen, der Bekleidung von Verde antico beraubt; neuere Architekten wie Bernini und Paolo Pohl haben sich mit ver¬ ständnisloser Willkür in den Annalen des erhabnen Bauwerks schlimm verewigt, dennoch steht und wirkt es noch hente so, daß es dem Schauenden und Fühlenden als eine Offenbarung aufgeht. Zwei Jahrtausende nach seiner Errichtung fühlt man lebendig nach, daß in Tempeln wie diesem sich das Gefühl, die Gewißheit des Göttlichen erhalten, die Menschen beglücken mußte, auch nachdem der schlichte Glaube an die alten Götter zerbrochen war. Die innere Gewalt, die in der unsagbaren Einfachheit, der Harmonie der Gliederung liegt, muß erlebt, kann nicht geschildert werden; wer das Pantheon nie betreten hat, kann in dem Ausdruck des reinsten und nachhaltigsten Entzückens nnr garstige Gemeinplätze finden. Vom Pantheon, das nach seiner Umwandlung in eine christliche Kirche die heitere Würde und lebensvolle Schönheit, die in seiner Konstruktion allein liegt, bewahrte, überdies aber noch jahrhundertelang den größern Teil der alten Pracht aufwies, muß ein gutes Teil der Begeisterung für das Alter¬ tum ausgeströmt sein, die vom vierzehnten Jahrhundert an die edleren Ita¬ liener durchfloß und durchwärmte. Wenn man sich den Tempel des Agrippa auch nur in seiner heutigen Erscheinung inmitten der Burgmauern und Bnrg- türme, der höhlenartigen Wohnungen des mittelalterlichen Roms vorstellt, so fühlt man auch, wie der Gegensatz dieser Hallen, dieser harmonisch schönen Runde alle Seelen ergreifen mußte, die inmitten wüster Kämpfe und barbarischer Verkommenheit nach einem neuen Ideal lechzten. Wohl behaupten gewisse neuere Ästhetiker, daß auch diese vollendete Harmonie der Linien, diese einfache Erhabenheit nur auf akademisch geschulte Geschlechter irgendwelche Wirkung zu äußern vermöchte, und daß eine Zeit und ein Geschmack denkbar seien, wo die gepriesenen Schönheiten des Pantheons für nüchtern häßlich gelten würden. Ebensogut läßt sich schließlich behaupten, daß Menscheuangen und Menschen- Grcuzbotm IV Iffgt) 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/345>, abgerufen am 25.08.2024.