Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
MÄdchenerziehimg in Frankreich

wie die Lehrer angestellt werden, Das Gesetz vom 28. Juni 1833 enthält
seltsamerweise keine Bestimmungen über Mädchenunterricht; es erstreckt sich
nnr ans Knabenschulen, Der Minister Gllizot erklärte aber seiner Zeit
ans Befragen in der Kammer der Abgeordneten, daß er darüber sei, die zur
Bearbeitung eines Mädchenschnlgesetzes nötigen Unterlagen zu sammeln; die Be¬
stimmungen des vorliegenden Gesetzes seien auch anwendbar ans Mädchen¬
schulen, zu deren Begründung die Gemeinden, wenn ihre Vertreter es für
nötig hielten und ihre Hilfsquellen es gestatteten, ermächtigt seien; gebe es
keine Lehrerin, so könne der Lehrer Knaben und Mädchen in seine Schule auf¬
nehmen. Im weitern Verlauf der Debatte erhoben sich Stimmen gegen den
auf die Unterrichtsgegenstände der Schule bezüglichen Artikel 1, da dessen Be¬
stimmungen ans Mädchenschulen nicht allenthalben anwendbar seien. Nach gesetz¬
lichen Bestimmungen vom 2l>. April 1835, sind die Mädchen auch in weibliche"
Arbeiten zu unterrichten. Die Ordonnanz vom 23, Juni 1830 enthalt aus¬
führlichere Bestimmungen über den öffentlichen Mädchenunterricht. Er soll sich
in elementaren und höhern gliedern (Art. l). Zur Leitung einer Mädchenschule
sind ein Fähigkeitszeuguis und die Erlaubnis für einen bestimmten Ort nötig.
Wo eine Kunden- und eine Mädchenschule Vorhäute" ist, darf kein Lehrer
Mädchen und keine Lehrerin Kiiabeu aufnehmen. Für die Elementarschule"
genügen auch die Ordeuszeugnisse (1ut,t,rö8 et'ol>v(lieue.o) der Kongregmnstiimeu;
zur Leitung der höhern Primärschule" "ud der Erteilung des Unterrichts darin
ist jedoch für alle Lehrerinnen das entsprechende Staatszeuguis nötig. Der
höhere Primärunterricht umfaßt außer de" Elementarkenntnissen ausgedehntere
Betreibung der Arithmetik, der französischen Sprache, der allgemeinen, besonders
aber der Geographie und Geschichte von Frankreich. Der Unterricht kann mit
Genehmigung der Aufsichtsbehörden den örtlichen Bedürfnissen und Hilfsquellen
angemessen erweitert werden (Art. 2).

Erst das Gesetz vom 15>. März 185>0 bestimmt endgiltig, daß jede
Gemeinde von 8(><" Bewohnern an eine Mädchenschule zu errichten habe,
und damit trete" Mädcheiischule und Mädchenunterricht in ihr Recht. Auch
Gemeinden mit geringerer Bevölkerung können, wenn es ihre Mittel er¬
laube", zur Gründung einer Mädchenschule veranlaßt werden. Die übrigen
Bestimmunge" des Gesetzes sind ans der Ordo""a"z vom 23,. Juni 1836
herübergeuomme". Nach dem Gesetze vom 10. April 1807 sott jede Ge¬
meinde von !K>(> Einwohnern an eine Mädchenschule errichten, wenn sie vom
Departementsrat nicht davon dispensirt wird. Einen gesonderte" Lehrplan
für die höhern Mädchenschulen giebt es noch uicht. Sie solle" die Unterrichts-
fächer der K"abe"Schule treiben. Nur Nadelarbeiten werde", wo geeignete
Kräfte vorhanden sind, besonders gelehrt; freilich ist an diese" in der
Provinz vollständiger Mangel, wie den" der ganze Mädche"""terricht haupt¬
sächlich infolge des >"a"gel"deu sah"lzwa"ges ""ter de!" zweite" Kaiserreich


MÄdchenerziehimg in Frankreich

wie die Lehrer angestellt werden, Das Gesetz vom 28. Juni 1833 enthält
seltsamerweise keine Bestimmungen über Mädchenunterricht; es erstreckt sich
nnr ans Knabenschulen, Der Minister Gllizot erklärte aber seiner Zeit
ans Befragen in der Kammer der Abgeordneten, daß er darüber sei, die zur
Bearbeitung eines Mädchenschnlgesetzes nötigen Unterlagen zu sammeln; die Be¬
stimmungen des vorliegenden Gesetzes seien auch anwendbar ans Mädchen¬
schulen, zu deren Begründung die Gemeinden, wenn ihre Vertreter es für
nötig hielten und ihre Hilfsquellen es gestatteten, ermächtigt seien; gebe es
keine Lehrerin, so könne der Lehrer Knaben und Mädchen in seine Schule auf¬
nehmen. Im weitern Verlauf der Debatte erhoben sich Stimmen gegen den
auf die Unterrichtsgegenstände der Schule bezüglichen Artikel 1, da dessen Be¬
stimmungen ans Mädchenschulen nicht allenthalben anwendbar seien. Nach gesetz¬
lichen Bestimmungen vom 2l>. April 1835, sind die Mädchen auch in weibliche»
Arbeiten zu unterrichten. Die Ordonnanz vom 23, Juni 1830 enthalt aus¬
führlichere Bestimmungen über den öffentlichen Mädchenunterricht. Er soll sich
in elementaren und höhern gliedern (Art. l). Zur Leitung einer Mädchenschule
sind ein Fähigkeitszeuguis und die Erlaubnis für einen bestimmten Ort nötig.
Wo eine Kunden- und eine Mädchenschule Vorhäute« ist, darf kein Lehrer
Mädchen und keine Lehrerin Kiiabeu aufnehmen. Für die Elementarschule»
genügen auch die Ordeuszeugnisse (1ut,t,rö8 et'ol>v(lieue.o) der Kongregmnstiimeu;
zur Leitung der höhern Primärschule» »ud der Erteilung des Unterrichts darin
ist jedoch für alle Lehrerinnen das entsprechende Staatszeuguis nötig. Der
höhere Primärunterricht umfaßt außer de» Elementarkenntnissen ausgedehntere
Betreibung der Arithmetik, der französischen Sprache, der allgemeinen, besonders
aber der Geographie und Geschichte von Frankreich. Der Unterricht kann mit
Genehmigung der Aufsichtsbehörden den örtlichen Bedürfnissen und Hilfsquellen
angemessen erweitert werden (Art. 2).

Erst das Gesetz vom 15>. März 185>0 bestimmt endgiltig, daß jede
Gemeinde von 8(><» Bewohnern an eine Mädchenschule zu errichten habe,
und damit trete» Mädcheiischule und Mädchenunterricht in ihr Recht. Auch
Gemeinden mit geringerer Bevölkerung können, wenn es ihre Mittel er¬
laube», zur Gründung einer Mädchenschule veranlaßt werden. Die übrigen
Bestimmunge» des Gesetzes sind ans der Ordo»»a»z vom 23,. Juni 1836
herübergeuomme». Nach dem Gesetze vom 10. April 1807 sott jede Ge¬
meinde von !K>(> Einwohnern an eine Mädchenschule errichten, wenn sie vom
Departementsrat nicht davon dispensirt wird. Einen gesonderte» Lehrplan
für die höhern Mädchenschulen giebt es noch uicht. Sie solle» die Unterrichts-
fächer der K»abe»Schule treiben. Nur Nadelarbeiten werde», wo geeignete
Kräfte vorhanden sind, besonders gelehrt; freilich ist an diese» in der
Provinz vollständiger Mangel, wie den» der ganze Mädche»»»terricht haupt¬
sächlich infolge des >»a»gel»deu sah»lzwa»ges »»ter de!» zweite» Kaiserreich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208906"/>
          <fw type="header" place="top"> MÄdchenerziehimg in Frankreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924"> wie die Lehrer angestellt werden, Das Gesetz vom 28. Juni 1833 enthält<lb/>
seltsamerweise keine Bestimmungen über Mädchenunterricht; es erstreckt sich<lb/>
nnr ans Knabenschulen, Der Minister Gllizot erklärte aber seiner Zeit<lb/>
ans Befragen in der Kammer der Abgeordneten, daß er darüber sei, die zur<lb/>
Bearbeitung eines Mädchenschnlgesetzes nötigen Unterlagen zu sammeln; die Be¬<lb/>
stimmungen des vorliegenden Gesetzes seien auch anwendbar ans Mädchen¬<lb/>
schulen, zu deren Begründung die Gemeinden, wenn ihre Vertreter es für<lb/>
nötig hielten und ihre Hilfsquellen es gestatteten, ermächtigt seien; gebe es<lb/>
keine Lehrerin, so könne der Lehrer Knaben und Mädchen in seine Schule auf¬<lb/>
nehmen. Im weitern Verlauf der Debatte erhoben sich Stimmen gegen den<lb/>
auf die Unterrichtsgegenstände der Schule bezüglichen Artikel 1, da dessen Be¬<lb/>
stimmungen ans Mädchenschulen nicht allenthalben anwendbar seien. Nach gesetz¬<lb/>
lichen Bestimmungen vom 2l&gt;. April 1835, sind die Mädchen auch in weibliche»<lb/>
Arbeiten zu unterrichten. Die Ordonnanz vom 23, Juni 1830 enthalt aus¬<lb/>
führlichere Bestimmungen über den öffentlichen Mädchenunterricht. Er soll sich<lb/>
in elementaren und höhern gliedern (Art. l). Zur Leitung einer Mädchenschule<lb/>
sind ein Fähigkeitszeuguis und die Erlaubnis für einen bestimmten Ort nötig.<lb/>
Wo eine Kunden- und eine Mädchenschule Vorhäute« ist, darf kein Lehrer<lb/>
Mädchen und keine Lehrerin Kiiabeu aufnehmen. Für die Elementarschule»<lb/>
genügen auch die Ordeuszeugnisse (1ut,t,rö8 et'ol&gt;v(lieue.o) der Kongregmnstiimeu;<lb/>
zur Leitung der höhern Primärschule» »ud der Erteilung des Unterrichts darin<lb/>
ist jedoch für alle Lehrerinnen das entsprechende Staatszeuguis nötig. Der<lb/>
höhere Primärunterricht umfaßt außer de» Elementarkenntnissen ausgedehntere<lb/>
Betreibung der Arithmetik, der französischen Sprache, der allgemeinen, besonders<lb/>
aber der Geographie und Geschichte von Frankreich. Der Unterricht kann mit<lb/>
Genehmigung der Aufsichtsbehörden den örtlichen Bedürfnissen und Hilfsquellen<lb/>
angemessen erweitert werden (Art. 2).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_926" next="#ID_927"> Erst das Gesetz vom 15&gt;. März 185&gt;0 bestimmt endgiltig, daß jede<lb/>
Gemeinde von 8(&gt;&lt;» Bewohnern an eine Mädchenschule zu errichten habe,<lb/>
und damit trete» Mädcheiischule und Mädchenunterricht in ihr Recht. Auch<lb/>
Gemeinden mit geringerer Bevölkerung können, wenn es ihre Mittel er¬<lb/>
laube», zur Gründung einer Mädchenschule veranlaßt werden. Die übrigen<lb/>
Bestimmunge» des Gesetzes sind ans der Ordo»»a»z vom 23,. Juni 1836<lb/>
herübergeuomme». Nach dem Gesetze vom 10. April 1807 sott jede Ge¬<lb/>
meinde von !K&gt;(&gt; Einwohnern an eine Mädchenschule errichten, wenn sie vom<lb/>
Departementsrat nicht davon dispensirt wird. Einen gesonderte» Lehrplan<lb/>
für die höhern Mädchenschulen giebt es noch uicht. Sie solle» die Unterrichts-<lb/>
fächer der K»abe»Schule treiben. Nur Nadelarbeiten werde», wo geeignete<lb/>
Kräfte vorhanden sind, besonders gelehrt; freilich ist an diese» in der<lb/>
Provinz vollständiger Mangel, wie den» der ganze Mädche»»»terricht haupt¬<lb/>
sächlich infolge des &gt;»a»gel»deu sah»lzwa»ges »»ter de!» zweite» Kaiserreich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] MÄdchenerziehimg in Frankreich wie die Lehrer angestellt werden, Das Gesetz vom 28. Juni 1833 enthält seltsamerweise keine Bestimmungen über Mädchenunterricht; es erstreckt sich nnr ans Knabenschulen, Der Minister Gllizot erklärte aber seiner Zeit ans Befragen in der Kammer der Abgeordneten, daß er darüber sei, die zur Bearbeitung eines Mädchenschnlgesetzes nötigen Unterlagen zu sammeln; die Be¬ stimmungen des vorliegenden Gesetzes seien auch anwendbar ans Mädchen¬ schulen, zu deren Begründung die Gemeinden, wenn ihre Vertreter es für nötig hielten und ihre Hilfsquellen es gestatteten, ermächtigt seien; gebe es keine Lehrerin, so könne der Lehrer Knaben und Mädchen in seine Schule auf¬ nehmen. Im weitern Verlauf der Debatte erhoben sich Stimmen gegen den auf die Unterrichtsgegenstände der Schule bezüglichen Artikel 1, da dessen Be¬ stimmungen ans Mädchenschulen nicht allenthalben anwendbar seien. Nach gesetz¬ lichen Bestimmungen vom 2l>. April 1835, sind die Mädchen auch in weibliche» Arbeiten zu unterrichten. Die Ordonnanz vom 23, Juni 1830 enthalt aus¬ führlichere Bestimmungen über den öffentlichen Mädchenunterricht. Er soll sich in elementaren und höhern gliedern (Art. l). Zur Leitung einer Mädchenschule sind ein Fähigkeitszeuguis und die Erlaubnis für einen bestimmten Ort nötig. Wo eine Kunden- und eine Mädchenschule Vorhäute« ist, darf kein Lehrer Mädchen und keine Lehrerin Kiiabeu aufnehmen. Für die Elementarschule» genügen auch die Ordeuszeugnisse (1ut,t,rö8 et'ol>v(lieue.o) der Kongregmnstiimeu; zur Leitung der höhern Primärschule» »ud der Erteilung des Unterrichts darin ist jedoch für alle Lehrerinnen das entsprechende Staatszeuguis nötig. Der höhere Primärunterricht umfaßt außer de» Elementarkenntnissen ausgedehntere Betreibung der Arithmetik, der französischen Sprache, der allgemeinen, besonders aber der Geographie und Geschichte von Frankreich. Der Unterricht kann mit Genehmigung der Aufsichtsbehörden den örtlichen Bedürfnissen und Hilfsquellen angemessen erweitert werden (Art. 2). Erst das Gesetz vom 15>. März 185>0 bestimmt endgiltig, daß jede Gemeinde von 8(><» Bewohnern an eine Mädchenschule zu errichten habe, und damit trete» Mädcheiischule und Mädchenunterricht in ihr Recht. Auch Gemeinden mit geringerer Bevölkerung können, wenn es ihre Mittel er¬ laube», zur Gründung einer Mädchenschule veranlaßt werden. Die übrigen Bestimmunge» des Gesetzes sind ans der Ordo»»a»z vom 23,. Juni 1836 herübergeuomme». Nach dem Gesetze vom 10. April 1807 sott jede Ge¬ meinde von !K>(> Einwohnern an eine Mädchenschule errichten, wenn sie vom Departementsrat nicht davon dispensirt wird. Einen gesonderte» Lehrplan für die höhern Mädchenschulen giebt es noch uicht. Sie solle» die Unterrichts- fächer der K»abe»Schule treiben. Nur Nadelarbeiten werde», wo geeignete Kräfte vorhanden sind, besonders gelehrt; freilich ist an diese» in der Provinz vollständiger Mangel, wie den» der ganze Mädche»»»terricht haupt¬ sächlich infolge des >»a»gel»deu sah»lzwa»ges »»ter de!» zweite» Kaiserreich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/327>, abgerufen am 23.07.2024.