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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Handels und ihrer Industrie zu retten gesucht; man könnte sagen, durch die
jetzige Prohibition würden den heutigen Engländern die Sünden ihrer Väter
heimgezahlt. Aber ihre schiefe Entwicklung hat die amerikanische Wirtschaft
nicht unter dein Einflüsse deS Schutzzolls genommen, sondern unter dem Ein¬
flüsse ihrer natürlichen Bedingungen und ihrer Bevölkerung, Es ist bisher
auf Erden noch nicht dagewesen, daß ein so mächtiges Gebiet voll so unend¬
lichen Reichtums von einer fo geringen Menschenanzahl und unter so freiem
Spielraum für jede wirtschaftliche Bewegung besetzt worden, wäre. Daß
diese Okkupation in ihren nächsten Wirkungen ein eigentümliches Ergebnis
haben mußte, kann nicht verwundern. Tausende von Quadratmeilen forderten
zum Weizenba", heraus, Hunderte von Erzgüngen liefen einladend bis zu Tage.
Nicht die bisher gekannten Bedingungen für An- und Abbau lagen vor, sondern
das Gold lag sozusagen auf der Straße, Mit gewaltiger Freude und gewaltiger
Gier stürzten sich die ersten Ankömmlinge darauf, "ut immer neue Scharen
strömten herzu, alle, alle den einen Weg einschlagend, den Weg, der rasch
berühmt geworden war als ein Weg zu Glück und unendlichem Reichtum.
Mau sah nichts, als das eine Ziel; vieles Wertvolle, das rechts und links
bequem zur Seite lag, wurde verächtlich weggeworfen, während die Erfindungs¬
kraft Tausender sich anstrengte, im Triumph des Menschengeistes über die
Natur die Hindernisse wegzuschaffen, die sich auf der einseitig verrannten Gasse
sehr bald entgegentürmten. So kam es, daß die Entwicklung den bezeichneten
Lauf nehmen mußte, die Schutzzölle haben damit wenig zu thu"; es läßt sich
annehmen, daß sich uuter der Herrschaft des Freihandels die Sache wenig
anders gestaltet hätte.

Heute aber liegt die Sache wesentlich anders. Es ist oben ausführlich
dargelegt worden, daß die Zeit des "Booms" zu Ende ist, daß der wenig
sinnvolle Ansturm der Produktion gegen die natürlichen reichen Grundlagen
eine gewisse Grenze erreicht hat, daß sich allenthalben die Umkehr zu europäischer
Betriebsart und Bewirtschaftung als eine gebieterische Notwendigkeit heraus¬
gestellt hat, wem" anders ein nennenswerter Erfolg erreicht werden soll. So
sieht das heutige Amerika in seinein wirtschaftlichen Haushalt im allgemeinen
das, was wir als "normale" Verhältnisse zu betrachten gewohnt sind. Der
Erfolg einer zvllpvlitischen Maßregel wird deshalb jetzt anders sein, als er
es früher war, ""d daß er für Nordamerika verderblich werden wird, sollen
alle "prinzipiellen" Freihändler uns nicht weiß machen.

Man hat die alte, auch schutzzöllnerische Sage, daß die für Löhne zur Verteilung
gelangende Snnime in jedem Staat eine bestimmte sei (die sogen. Lohnpfnndthevrie)
mild von der ^'onknrreiiz der "ausländischen Arbeit" noch weiter verkleinert werden
müsse, ebenfalls ins Feld geführt, um darzuthun, wie "utar dem Einflüsse der Mac
K'mich-Bill alsbald die Löhne noch höher steigen würden und so eine Produktion
unmöglich werden würde. Auch sollte die fabelhafte Preissteigerung aller der-


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Handels und ihrer Industrie zu retten gesucht; man könnte sagen, durch die
jetzige Prohibition würden den heutigen Engländern die Sünden ihrer Väter
heimgezahlt. Aber ihre schiefe Entwicklung hat die amerikanische Wirtschaft
nicht unter dein Einflüsse deS Schutzzolls genommen, sondern unter dem Ein¬
flüsse ihrer natürlichen Bedingungen und ihrer Bevölkerung, Es ist bisher
auf Erden noch nicht dagewesen, daß ein so mächtiges Gebiet voll so unend¬
lichen Reichtums von einer fo geringen Menschenanzahl und unter so freiem
Spielraum für jede wirtschaftliche Bewegung besetzt worden, wäre. Daß
diese Okkupation in ihren nächsten Wirkungen ein eigentümliches Ergebnis
haben mußte, kann nicht verwundern. Tausende von Quadratmeilen forderten
zum Weizenba«, heraus, Hunderte von Erzgüngen liefen einladend bis zu Tage.
Nicht die bisher gekannten Bedingungen für An- und Abbau lagen vor, sondern
das Gold lag sozusagen auf der Straße, Mit gewaltiger Freude und gewaltiger
Gier stürzten sich die ersten Ankömmlinge darauf, »ut immer neue Scharen
strömten herzu, alle, alle den einen Weg einschlagend, den Weg, der rasch
berühmt geworden war als ein Weg zu Glück und unendlichem Reichtum.
Mau sah nichts, als das eine Ziel; vieles Wertvolle, das rechts und links
bequem zur Seite lag, wurde verächtlich weggeworfen, während die Erfindungs¬
kraft Tausender sich anstrengte, im Triumph des Menschengeistes über die
Natur die Hindernisse wegzuschaffen, die sich auf der einseitig verrannten Gasse
sehr bald entgegentürmten. So kam es, daß die Entwicklung den bezeichneten
Lauf nehmen mußte, die Schutzzölle haben damit wenig zu thu»; es läßt sich
annehmen, daß sich uuter der Herrschaft des Freihandels die Sache wenig
anders gestaltet hätte.

Heute aber liegt die Sache wesentlich anders. Es ist oben ausführlich
dargelegt worden, daß die Zeit des „Booms" zu Ende ist, daß der wenig
sinnvolle Ansturm der Produktion gegen die natürlichen reichen Grundlagen
eine gewisse Grenze erreicht hat, daß sich allenthalben die Umkehr zu europäischer
Betriebsart und Bewirtschaftung als eine gebieterische Notwendigkeit heraus¬
gestellt hat, wem» anders ein nennenswerter Erfolg erreicht werden soll. So
sieht das heutige Amerika in seinein wirtschaftlichen Haushalt im allgemeinen
das, was wir als „normale" Verhältnisse zu betrachten gewohnt sind. Der
Erfolg einer zvllpvlitischen Maßregel wird deshalb jetzt anders sein, als er
es früher war, »»d daß er für Nordamerika verderblich werden wird, sollen
alle „prinzipiellen" Freihändler uns nicht weiß machen.

Man hat die alte, auch schutzzöllnerische Sage, daß die für Löhne zur Verteilung
gelangende Snnime in jedem Staat eine bestimmte sei (die sogen. Lohnpfnndthevrie)
mild von der ^'onknrreiiz der „ausländischen Arbeit" noch weiter verkleinert werden
müsse, ebenfalls ins Feld geführt, um darzuthun, wie »utar dem Einflüsse der Mac
K'mich-Bill alsbald die Löhne noch höher steigen würden und so eine Produktion
unmöglich werden würde. Auch sollte die fabelhafte Preissteigerung aller der-


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[0321] Handels und ihrer Industrie zu retten gesucht; man könnte sagen, durch die jetzige Prohibition würden den heutigen Engländern die Sünden ihrer Väter heimgezahlt. Aber ihre schiefe Entwicklung hat die amerikanische Wirtschaft nicht unter dein Einflüsse deS Schutzzolls genommen, sondern unter dem Ein¬ flüsse ihrer natürlichen Bedingungen und ihrer Bevölkerung, Es ist bisher auf Erden noch nicht dagewesen, daß ein so mächtiges Gebiet voll so unend¬ lichen Reichtums von einer fo geringen Menschenanzahl und unter so freiem Spielraum für jede wirtschaftliche Bewegung besetzt worden, wäre. Daß diese Okkupation in ihren nächsten Wirkungen ein eigentümliches Ergebnis haben mußte, kann nicht verwundern. Tausende von Quadratmeilen forderten zum Weizenba«, heraus, Hunderte von Erzgüngen liefen einladend bis zu Tage. Nicht die bisher gekannten Bedingungen für An- und Abbau lagen vor, sondern das Gold lag sozusagen auf der Straße, Mit gewaltiger Freude und gewaltiger Gier stürzten sich die ersten Ankömmlinge darauf, »ut immer neue Scharen strömten herzu, alle, alle den einen Weg einschlagend, den Weg, der rasch berühmt geworden war als ein Weg zu Glück und unendlichem Reichtum. Mau sah nichts, als das eine Ziel; vieles Wertvolle, das rechts und links bequem zur Seite lag, wurde verächtlich weggeworfen, während die Erfindungs¬ kraft Tausender sich anstrengte, im Triumph des Menschengeistes über die Natur die Hindernisse wegzuschaffen, die sich auf der einseitig verrannten Gasse sehr bald entgegentürmten. So kam es, daß die Entwicklung den bezeichneten Lauf nehmen mußte, die Schutzzölle haben damit wenig zu thu»; es läßt sich annehmen, daß sich uuter der Herrschaft des Freihandels die Sache wenig anders gestaltet hätte. Heute aber liegt die Sache wesentlich anders. Es ist oben ausführlich dargelegt worden, daß die Zeit des „Booms" zu Ende ist, daß der wenig sinnvolle Ansturm der Produktion gegen die natürlichen reichen Grundlagen eine gewisse Grenze erreicht hat, daß sich allenthalben die Umkehr zu europäischer Betriebsart und Bewirtschaftung als eine gebieterische Notwendigkeit heraus¬ gestellt hat, wem» anders ein nennenswerter Erfolg erreicht werden soll. So sieht das heutige Amerika in seinein wirtschaftlichen Haushalt im allgemeinen das, was wir als „normale" Verhältnisse zu betrachten gewohnt sind. Der Erfolg einer zvllpvlitischen Maßregel wird deshalb jetzt anders sein, als er es früher war, »»d daß er für Nordamerika verderblich werden wird, sollen alle „prinzipiellen" Freihändler uns nicht weiß machen. Man hat die alte, auch schutzzöllnerische Sage, daß die für Löhne zur Verteilung gelangende Snnime in jedem Staat eine bestimmte sei (die sogen. Lohnpfnndthevrie) mild von der ^'onknrreiiz der „ausländischen Arbeit" noch weiter verkleinert werden müsse, ebenfalls ins Feld geführt, um darzuthun, wie »utar dem Einflüsse der Mac K'mich-Bill alsbald die Löhne noch höher steigen würden und so eine Produktion unmöglich werden würde. Auch sollte die fabelhafte Preissteigerung aller der- Grmzlwteu lV IM« N>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/321>, abgerufen am 23.07.2024.